N26: Junge Multi-Millionäre kämpfen mit allen Mitteln gegen Mitbestimmung

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Online-Bank N26 bekämpft Betriebsratsgründung. BR-Wahlen hängen seit einem Jahr in der Luft.

Infektionsgefahr als neuer Dreh im Union Busting? Arbeitsgericht Berlin erkennt COVID-19 als Ausrede für Wahlverschiebung an.

Online-Banking mit N26 dürfte in Zunkunft keinen großen Coolness-Faktor entwickeln.Left hand shows N26 Black bank card whil“ (CC BY 2.0) by verchmarco

 

Das Berliner Unternehmen N26 will eine smarte & hippe Bank sein, welche sich auf die Kontoführung alleine über das Smartphone ihrer Kunden spezialisiert hat und wirbt mit dem Slogan „Die Bank, die du lieben wirst“. Für die Kunden gibt man vor alles zu geben. Das gilt zumindest für die eigenen Angestellten jedoch überhaupt nicht.

Das ehemalige Startup der beiden Wiener Gründer und Geschäftsführer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal ist seit seiner Gründung 2013 unter dem Namen Papayer GmbH zu einem großen Player im Direktbankengeschäft geworden. Wickelte das Unternehmen in den ersten Jahren seine Geschäfte noch mit dem durch kriminelle Machenschaften bekannt gewordenen Bezahldienst Wirecard ab, ist es mittlerweile mit einer eigenen Banklizenz ausgestattet und hatte im Januar 2020 erstmals mehr als fünf Millionen Kunden. 


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Union Busting durch aggressive Jungmillionäre

Während die Mitdreißiger Multimillionäre Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal scheinbar kaum einen Anlass auslassen um in den Medien zu landen, dürfte ihnen das große Medieninteresse der letzten Tage und Wochen wohl kaum gefallen haben. Nachdem Mitarbeiter von N26 Versuche der Geschäftsleitung die Gründung eines Betriebsrats zu verhindern öffentlich machten, reagierten diese wie getroffene Hunde und ließen kaum ein Mittel aus, um die für Mitte August geplanten Versammlungen zur Wahl der Wahlvorstände zu verhindern. 

Von den so oft angepriesenen „flachen Hierarchien“ in der jungen Tech-Branche scheint hier kaum etwas Realität zu sein. Mitarbeiter sprechen hingegen von einer Atmosphäre der Angst. Immer wieder verlängert die Geschäftsführung befristete Arbeitsverträge ohne Grund nicht. „Mein Teamkollege war vom einen auf den anderen Tag weg, aber mein Manager erklärt uns nicht, warum“ und es herrsche „eine angstvolle Art zu arbeiten“, berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter von N26 gegenüber dem Portal gruenderszene.de. Selbst in den Chefetagen scheinen Jobs nicht dauerhaft besetzt zu sein, allein in den vergangenen sechs Monaten verließen sieben Top-Manager das Unternehmen.

Die Geschäftsführung scheint unterdessen ohne Rücksicht auf Verluste ihre selbst gesteckten bzw. von den Geldgebern und Investoren erwarteten Ziele erreichen zu wollen. So will N26 bis zum Ende des Jahres die Anzahl ihrer Kunden auf mehr als zehn Millionen verdoppeln. Zu den Investoren gehören zahlreiche Risikokapital-Anleger u.a. Valar Ventures (Peter Thiel u.a. Palantir, PayPal), der singapurische Staatsfonds GIC und die New Yorker Risikokapitalfirma Insight Venture Partners.

Mit scharfen Geschützen gegen die Betriebsratsinitiative

Seit mehr als einem Jahr soll es bereits in den beiden Schwesterfirmen N26 GmbH und N26 Operations GmbH die Initiative geben einen Betriebsrat zu gründen. Die Gewerkschaft Verdi steht seit dem in Kontakt mit verschiedenen N26-Mitarbeitern, auch weiß die Geschäftsführung seit längerem von der Idee einen Betriebsrat zu gründen. Warum erst jetzt für den 13. und 14. August 2020 die Wahlen für die Wahlkommissionen angesetzt waren ist unklar. Neben den Einschränkungen durch das Corona-Virus dürfte hier sicherlich auch ein immenser Druck der Geschäftsführung den Betriebsrat nicht zu gründen ausschlaggebend gewesen sein. 

Doch auch nach Verkündung der Termine der Wahlversammlungen ließ die Geschäftsführung nichts unversucht um diese zu verhindern. In mehreren Mails machte die Geschäftsführung klar, dass sie in direkter Opposition zu dem geplanten Betriebsrat stehe und dieser angeblich dem Unternehmen schaden werde. 

Mit Hilfe der Rechtsanwältin Katja Hinz aus der Kanzlei Studio Hinz versuchte die Geschäftsführung die beiden Wahlversammlungen gerichtlich unterbinden zu lassen. Ihr Handwerk lernte Hinz im übrigen bei der bekannte Union-Busting Kanzlei Kliemt, die aus zahlreichen Fällen für ihr Vorgehen gegen Betriebsräte bekannt ist. In perfider Weise richteten sie sich offiziell nicht gegen die Wahlversammlung an sich, sondern beantragten jeweils vor dem Berliner Arbeitsgericht einstweilige Verfügungen Aufgrund möglichen Verstößen gegen die in Berlin geltenden SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung. Und tatsächlich kam die Geschäftsführung damit durch und fand mit Thomas Lakies einen Richter der diese Verfügungen für sie erlassen hat.

Trotz diesen Versuchen die Wahlversammlungen zu verhindern, konnten die Mitarbeiter diese durch das kurzfristige Einspringen der Gewerkschaften Verdi und IG Metall als Veranstalter durchführen und jeweils ein dreiköpfiges Gremium zur Vorbereitung der Betriebsratswahlen bei der N26 GmbH und der N26 Operations GmbH wählen. Auch kurzfristig mobilisierte Anhänger der Geschäftsführung, ebenso wie die wegen angeblichen Hygieneverstößen gerufene Polizei, konnten die erfolgreichen Wahlen nur zeitlich verzögern, jedoch nicht verhindern. 

In den nächsten Wochen werden die beiden Wahlvorstände nun die Betriebsratswahlen in den beiden GmbHs vorbereiten. Dabei bleibt es spannend was die Geschäftsführung von N26 sich noch einfallen lassen wird um die Betriebsratswahlen zu verhindern oder in ihrem Sinne zu beeinflussen. 

Geschäftsführung gegen Demokratie und Mitbestimmung im Betrieb

Im Laufe der bisherigen Auseinandersetzung zeigten die Gründer und Geschäftsführer, trotz immer wieder kehrenden anders lautenden Beteuerungen, sehr genau was sie von Demokratie und Mitbestimmung in ihrem Betrieb halten: rein gar nichts!

In einer Mail an alle Mitarbeiter machten die beiden Gründer deutlich, was sie von einem gewählten Betriebsrat halten. „Wir denken zuvorderst, dass ein deutscher Betriebsrat gegen fast alle Werte steht, an die wir bei N26 glauben“, heißt es darin. Weiter heißt es in der E-Mail die dem Magazin Finance Forward vorliegt: „Antrieb: Es verlangsamt uns. Einfachheit: Es macht unsere Zusammenarbeit komplexer und hierarchischer. Integrität: Es untergräbt eine Kultur des Vertrauens und könnte zu einem erhöhten Maß an Konfrontation führen. Exzellenz: Es ist kein zeitgemäßes Instrument des Mitarbeiterengagements und schränkt die persönliche Karriereentwicklung und Wirkung ein.“ In einem „hyper wettbewerbsintensiven Umfeld“ sei zudem „Geschwindigkeit der Schlüssel zum Erfolg“.

Außerdem würde ein Betriebsrat zu einer „Zweiklassengesellschaft“ im Unternehmen führen, weil die im Betriebsverfassungsgesetz verbrieften Rechte ja nur für die in Deutschland beschäftigten Mitarbeitern gelten würde. Dabei verheimlicht die Geschäftsführung, dass niemand sie daran hindert diese Rechte auch ihren Beschäftigten in anderen Länder zuzugestehen. Nur scheint dies eben nicht in ihrem Interesse zu sein.

Weiter moniert die Geschäftsführung, dass durch einen Betriebsrat „Rechte an eine kleine Zahl von Leuten für eine lange Zeit vergeben“ werden. Einmal gewählt, vertritt dieser vier Jahre lang die Belegschaft. Hier zeigt die Geschäftsführung, dass sie scheinbar größere Probleme mit den demokratischen Spielregeln in Deutschland hat. 

Geschäftsführung will „Alternatives Vertretungsorgan“ statt Betriebsrat installieren

Parallel zu der ersten Wahlveranstaltung organisierte die Geschäftsführung kurzfristig ein eigenes sogenanntes „Kick-off-Event“ und lud alle Mitarbeiter dazu ein, hier gemeinsam über die Errichtung einer alternative Mitarbeitervertretung zu diskutieren. Dabei ist vollkommen unklar wie diese aussehen und mit welchen Rechten diese ausgestattet werden soll. 

In einem ausführlichen Interview mit Finance Forward bekräftigt Valentin Stalf zudem, dass das alternative Vertretungsorgan von der Geschäftsführung installiert wird, egal ob es einen deutschen Betriebsrat gibt oder nicht. Das weltweite sogenannte „Employee Representation Board“ soll unter Einbeziehung von Diskussionen mit den Mitarbeitern entstehen. Auch wenn vieles hier noch nicht geklärt zu sein scheint, so steht doch fest das dieses Gremium einen Betriebsrat nicht ersetzen können oder überflüssig machen wird. Denn anders, als ein Betriebsrat hat ein solches Gremium keine gesetzlich verbrieften Rechte und bleibt somit eine hohle und kraftlose Institution, die in der Regel mit Günstlingen der Geschäftsleitung besetzt ist. 

Massive Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern

Themengebiete mit denen sich der zukünftige Betriebsrat beschäftigen kann gibt es bei N26 unterdessen mehr als genug. Mitarbeiter äußern seit langem große Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen bei der Bank. 

In einem offenen Brief der Wahlinitiatoren heißt es dazu: „Das Vertrauen und die Zuversicht in das Management von N26, dass es das Wohlergehen der gesamten Belegschaft gewährleistet, ist auf einem historischen Tiefstand“. Ein Mitarbeiter der Bank berichtete gegenüber dem Neuen Deutschland, dass solch eine strenge Arbeitsatmosphäre herrsche, dass man das Gefühl bekomme, das man das Berliner Großraumbüro „eigentlich nur zum Schlafen und Duschen verlassen soll“. Im Kundenservice, in dem ein großer Teil der Mitarbeiter arbeitet, soll der Arbeitsdruck besonders hoch sein. Hier sollen Mitarbeiter zum Teil dazu angehalten sein, mehrere Beratungsgespräche gleichzeitig zu führen berichtet die Zeit.

Weiter werden insbesondere fehlende Transparenz bei den Gehältern, hoher Arbeitsdruck, der Umgang mit Kurzarbeit kritisiert. Ebenso gibt es Probleme bei der Vergabe von Schichten und viele befristete Verträge, welche die Geschäftsführung ohne erkennbaren Grund nicht verlängert. Laut dem Berliner Verdi Sekretär Oliver Hause bezahlt N26 seine Mitarbeiter je nach Herkunft sehr unterschiedlich, insbesondere solche Mitarbeiter die aus Visa-Gründen auf den Job angewiesen sind, müssen daher wohl deutlich niedrigere Gehälter hinnehmen. 

Bereits im Herbst 2019 kam es zu Unmut zwischen N26-Mitarbeitern, da es ihnen durch eine Datenpanne möglich war, die Gehälter ihrer Kollegen einzusehen, wenn diese ihr Gehaltskonto bei N26 führten. Vorgesetzte konnten dadurch zudem Einblick in ihre Kontobewegungen nehmen und zum Beispiel feststellen, ob sie Mitglied in einer Gewerkschaft sind. Zudem musste das Berliner Unternehmen im vergangenen Jahr ein Bußgeld von 50.000 Euro zahlen, weil es Daten von ehemaligen Kunden auf einer schwarzen Liste gespeichert hatte.

Obwohl die Bank N26 bisher keine Gewinne erzielt wird sie von Unternehmensberatern auf einen Wert von 3,5 Milliarden US-Dollar geschätzt und ist damit eines der wertvollsten europäischen Technologieunternehmen. Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal halten jeweils 12,5 Prozent der Anteile an N26. Diese Anteile sollen zur Zeit jeweils 300 Millionen Euro wert sein, damit schaffen es die beiden Jungmillionäre in das Ranking der reichsten Österreicher. 

Zur Zeit bietet N25 Bankgeschäfte in rund 25 Ländern an. Rund 1.300 der 1.500 Mitarbeiter der Bank arbeiten in Deutschland. Die restlichen Mitarbeiter verteilen sich auf die Standorte in New York, Barcelona, Wien und São Paulo.


Quellen


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