Staatswanwaltschaft Bochum ermittelt gegen Spedition Wilking

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Für Skandal-Spedition aus Waltrop wird das Eis dünner. 

Der Fall eines gefeuerten LKW-Fahrers bringt die Justiz auf Trab. Er hatte Missstände bei Wilking angeprangert und wollte einen Betriebsrat gründen.

Haarsträubende Zustände im Logistik-Gewerbe beschäftigen uns auf dieser Webseite schon seit Jahren. In den letzten Wochen machte eine LKW-Spedition am Rande des Ruhrgebiets von sich reden.

Eine Anfrage der Aktion gegen Arbeitsunrecht bei der Staatsanwaltschaft Bochum ergab nun, dass die Strafverfolgungsbehörde bezüglich folgender Verdachtsfälle gegen die Waltroper Spedition Wilking ermittelt (beziehungsweise gegen den Firmeninhaber Henrik Wilking):

  • Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB),
  • Betrug (§ 263 StGB),
  • Urkundenfälschung (§ 267 StGB),
  • Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB),
  • Nötigung (§ 240 StGB)

Es gilt die Unschuldsvermutung. Henrik Wilking äußerte sich zu unserer schriftlichen  Anfrage inhaltlich bis Fristablauf nicht.

Am 11. Mai 2025 hatte ein Beitrag des Youtubers German Truck Driver (GTD) unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Wir berichteten damals in unserer kommentierten Presseschau Union Busting-News #08/25.  (Team Wilking / Trucker gegen Missstände“). Auf Youtube  beschrieb der LKW-Fahrer Marcel, der kurz zuvor gefeuert worden war, dass er bei Wilking einen Betriebsrat habe gründen wollen, um gegen Missstände auf der Arbeit vorzugehen. Als Beispiel für offenbar haarsträubende Zustände schildert er, dass sein LKW am 6. März 2025 von der Autobahnpolizei wegen technischer Mängel und mangelhafter Sicherung der Ladung stillgelegt worden sei. Er habe aber dem Drängen seines Chefs nachgegeben und den Transport trotzdem zu Ende fahren wollen. Den aufmerksamen Beamten der Autobahnpolizei sei jedoch aufgefallen, dass der gerade stillgelegt LKW nicht mehr am Platz stand. Sie holten ihn ein und legten ihn dieses mal zur Sicherheit mit einer Kralle still. 


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Auf Anfrage der Aktion gegen Arbeitsunrecht bestätigte die Autobahnpolizei Münster telefonisch, dass es die Weiterfahrt, inklusive Verfolgung durch die Polizei und zweiter Stilllegung des Fahrzeugs tatsächlich gegeben hat. Aber damit nicht genug.

Dekra schaut genauer hin

Der von der Autobahnpolizei am 6. März 2025 stillgelegte LKW hatte eine am 1. März 2025 ausgestellte Dekra-Bescheinigung, die der Redaktion vorliegt. Befund: keine Mängel. Wir haben selbstverständlich auch hier eine Presseanfrage an die Dekra gestellt. Im Ergebnis bestätigte uns die Dekra, dass der Vorgang entsprechend des Qualitätsmanagementsystems intern überprüft wird. 

Das Video vom 11. Mai 2025, in dem Marcel über diesen und andere Vorgänge berichtet, ist bedauerlicherweise nicht mehr online. Marcel selbst hat die Löschung veranlasst, nachdem der Youtuber GTD am 18. Mai 2025 ein weiteres Interview mit Marcels Chef Henrik Wilking veröffentlichte und sich dessen Darstellung zu eigen machte. Dieser Beitrag (siehe Ende des Artikels) ist unter verschiedenen Aspekten sehenswert. 

Unterlassungsaufforderung gegen GTD

Der LKW-Influencer „German Truck Driver“ hat sich derweil ein wenig vergaloppiert. Seine Loyalität zu Henrik Wilking bei gleichzeitiger Diskreditierung des Fahrers Marcel unter dem Jubel seiner Fans, hat ihn glatt aus der Kurve getragen. In einem Beitrag auf der Gamer-Plattform Twitch behauptete er irreführender Weise am 10. August 2025, dass der Verein Aktion gegen Arbeitsunrecht e.V. und deren Campaignerin Jessica Reisner „Linksextremisten“ seien und vom Verfassungsschutz beobachtet würden. Letzteres ist eine Falschbehauptung. Wir fordern Unterlassung. 

Die Aktion gegen Arbeitsunrecht mag auf manche vielleicht radikal wirken – denn wir streiten konsequent für Arbeitsrechte und industrielle Demokratie. Aber wir sind sicher nicht extrem. Dass wir von Geheimdiensten beobachtet werden, wäre uns neu. Es ist unwahr. 

Wir bitten um Spenden für die Kosten eines möglichen Rechtsstreits!

Obskures Firmengeflecht: Transparenz unerwünscht?

Der Unternehmer Henrik Wilking unterhält eine ganze Reihe von GmbHs. Da wären laut Portal Northdata etwa Wilking Transport, Wilking Resale, Wilking Verwaltung, Wilking Fuhrpark und Wilking Immobilien. Eine Zersplitterung, die, wenn auch völlig legal, Mitbestimmung erschwert und möglicherweise auch helfen kann, „Gewinne vor Steuer zu optimieren“, wie Steuervermeidung innerhalb geltender Gesetze oder in der Grauzone zur Illegalität betriebswirtschaftlich so schön umschrieben wird.

Das Prinzip, von findigen Steuerberatern sicher heiß empfohlen, wurde durch den österreichischen Möbel-Verkäufer XXL Lutz bekannt. Bei Übernahmen zerschlug das Unternehmen einzelne Möbelhäuser in unzählige Mini-GmbHs, wie Verwaltung, Logistik, Reinigung, Lager etc. Wir berichteten dazu erstmals 201:  XXXL Lutz/Schweinfurt: Betriebsratsverhinderung übelster Sorte

Dank einer Aufspaltung in verschiedenste kleine Phantasie-GmbHs können Unternehmensteile sich gegenseitig munter Rechnungen hin und her schicken. Vor allem aber müsste theoretisch in jedem Unternehmensteil, der nun angeblich eine selbstständige GmbH ist, ein eigener Betriebsrat gewählt werden. Schicker, und vielleicht nicht unwichtiger Nebeneffekt: Jede GmbH braucht einen Geschäftsführer, mutmaßlich mit Geschäftsführergehalt.  Wir meinen schon lange, dass die strategische Zersplitterung von Betrieben zu rechtsmissbräuchlichen Zwecken eingeschränkt werden muss.  Hier gibt es dringenden Reformbedarf. Einerseits müssten Gesetze verschärft werden, andererseits fordern wir eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Unternehmerkriminalität in Arbeitsbeziehungen. Dieser krimonogene Unternehmersumpf muss ausgetrocknet werden.

Wer hat Angst vorm Betriebsrat?

Grundsätzlich hegen wir bei allen Union Bustern (Was ist das?) den Verdacht, dass sie handfeste Gründe haben einen Betriebsrat verhindern zu wollen. Denn eigentlich wollen Betriebsratsgründer ja nur ganz gesetzeskonform ihre demokratischen Grundrechte in Anspruch nehmen. Was könnte ein Unternehmer schon dagegen haben, dass sich Angestellte engagieren und Mitbestimmung und Interessenvertretung einfordern, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern? 

Betriebsräte haben, zumindest teilweise, Informationsrechte gegenüber Unternehmen. Sie können der gröbsten Willkür beispielsweise bei der Lohnfestsetzung Einhalt gebieten, indem sie über Eingruppierungen das Lohngefüge transparenter und gerechter gestalten. Sie sind darüber hinaus gesetzlich besser geschützt als Whistleblower, wenn sie in Unternehmen gegen Verstöße gegen das Arbeitszeit-, Arbeitsschutzgesetz und andere Vorschriften vorgehen möchten.

Wenn Unternehmer Transparenz durch Mitbestimmung so sehr fürchten, dass sie bereit sind Rechtsstreitigkeiten und Imageschäden zu riskieren, lohnt es sich nach Einschätzung der Aktion gegen Arbeitsunrecht immer, genauer hinzusehen.

Arbeitsgericht Herne entscheidet gegen verhinderten Betriebsratsgründer

Das Kündigungsschutzverfahren, das der LKW-Fahrer Marcel gegen Wilking führte, hat er in erster Instanz verloren. Wir berichteten aus dem Gerichtssaal: Richter bremst Trucker aus

Maßgeblich war hier eine Zeugenaussage des Disponenten gegen seinen ehemaligen Kollegen Marcel. Dem liegt eine gewisse Ironie inne. Denn im dem Video, dass der GTD am 18. Mai mit Unternehmer Wilking veröffentlichte, werden Fahrer von Wilking vorgeführt, die sich vor ihren Chef und gegen ihren gefeuerten Kollegen Marcel stellen. „Überziehen“ (gemeint sind im Kontext die täglichen Lenkzeiten hinter dem Steuer), erzählt ein Fahrer freimütig, würde er immer nur freiwillig und weil er selbst es wolle. Niemals hätte die Dispo der Firma Druck auf ihn ausgeübt. Ein anderer Fahrer erzählt erstaunlich freimütig, dass er Marcel bedroht habe und sich anschließend dafür entschuldigt hätte. Das Stück ist ein erhellender Beitrag zum kollegialen Umgang in der Logistikbranche; es zeigt auch wie wenig Angst vor Strafverfolgung man am Rande des Ruhrgebiets offenbar bislang hatte.


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