Vorgeschobene Gründe: Logistik-Dienstleister will Gesamt-Betriebsratsvorsitzenden kündigen
Am 27. März 2019 um 11.30 Uhr findet am Arbeitsgericht Bremen (Justizzentrum Am Wall 198, 28195 Bremen) eine Güteverhandlung zum Kündigungsversuch gegen den Gesamtbetriebsrats-Vorsitzenden der Logistik-Firma Syncreon am Standort Bremen, Rainer R., statt.
Das Kündigungsverfahren wird von der Kanzlei Hogan Lovells betrieben.
Im Bremer Werk arbeiten rund 50 Beschäftigte, die Autoteile verschiedener Zulieferer für das Nissan-Werk in Sunderland, England, packen. Beim als CKD (Completely Knocked Down) bezeichneten Geschäft werden Fahrzeugteile unterschiedlicher Zulieferer einzeln oder als Baugruppen bedarfsbrecht in Automobilwerke geliefert. In Deutschland arbeiten rund 2000 Beschäftigte für Syncreon.
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Das Syncreon-Management greift in Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt Stefan Richter (Kanzlei Hogan Lovells) zu einem Standard-Konstrukt: Unterstellung fehlerhafter Reisekosten-Abrechnung. Diese Art konstruierter Abmahnungs- und Kündigungsgründe gehören zum Alltags-Werkzeug von Union Bustern (Was ist das?) und fallen vor Gericht regelmäßig in sich zusammen. Oft geht es dabei um Lappallien, mitunter oder Routine-Vorgänge, die jahrelang kein Problem darstellten.
Wir werten die Strategie, unkündbare Arbeitnehmervertreter mit konstruierten Vorwürfen in Gerichtsverfahren zu verwickeln als rechtsmissbräuchlich. Tatsächlich sollen engagierte Gewerkschafter getroffen werden, die der Profit-Maximierung und totalen Flexibilisierung im Wege stehen. In einer Pressemitteilung der IG Metall Bremen vom 11.03.2019 heißt es zu den Vorgängen bei Syncreon:
Über hundert Gerichtsverfahren mussten die Betriebsräte in den letzten vier Jahren führen.
Sie kritisieren die hohen Belastungen und die aus ihrer Sicht rechtswidrigen Arbeitsbedingungen.
Über zehn Prozent der Belegschaft sind krank, Arbeitsunfälle werden nicht gemeldet, Beschäftigte erhalten keine Arbeitskleidung, Leiharbeiter werden von heute auf morgen vor die Tür gesetzt, Betriebsräte werden für die Ausübung ihres gesetzlichen Amts mit Lohnabzug bestraft.
Die fristlose Kündigung des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden ist nun eine weitere Stufe der Eskalation.
Unternehmen wie Syncreon benutzen Arbeitsgerichte um Betriebsratmitgieder und Betriebsratsgremien
- zu zermürben
- von der Betriebsratsarbeit abzuhalten
- bei der Belegschaft zu diskrediteren
Dabei wird die Überlastung von Arbeitsgerichten nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern von Union Bustern per zusätzlicher Terminverschiebungen genutzt, um Verfahren immer dann zu verzögern, wenn es dem Managment nutzt. Viele Verfahren schleppen sich so völlig unnötig über Monate und sogar Jahre. Das bringt betroffenen Beschäftigten mitunter an ihre Grenzen, insbesondere, wenn bei unter laufenden Kündigungsverfahren der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach SGB III ausläuft.
Die aktion ./. arbeitsunrecht fordert seit langen die Einrichtung von Schwerpunktsstaatsanwaltschaften zur besseren Kontrolle von Unternehmen, die durch massenhafte Verfahren gegen ihre Beschäftigten auffallen (Reformvorschläge zum besseren Schutz von Betriebsräten).
Hogan Lovells: Union Busting als lohnendes Geschäft
Die beratenden Union Busting-Kanzleien dagegen haben selbstredend kein Interesse zu deeskalieren. Für eine Kanzlei wie Hogan-Lovells sind Kunden wie Syncreon ausgemachte Melkkühe. Per Computerprogramm und Copy + Paste (Kopieren + Einfügen) werden schnell hunderte Seiten starke Schriftsätze zusammengestellt, die die betroffenen Beschäftigten einschüchtern und beim Auftraggeber den Eindruck von Professionalität vermitteln sollen.
Tatsächlich geht es darum Kosten zu produzieren. Dazu passt auch, dass sich Syncreon-Betriebsratsmitglieder bei Gerichtsverhandlungen auch schon einmal einer ganzen Riege von über 10 Hogan-Lovell-Anwälten gegenüber sehen.
Syncreon in der Krise?
Syncreon arbeitet in der völlig zersplitterten Landschaft der Automobil-Herstellung als Kontrakt-Logistiker. In den Bewertungen von Beschäftigten schneidet der Laden geradezu unterirdisch ab (Kununu). Unsere Lieblingsüberschrift über einer Bewertung lautet: „Am besten gar nicht erst bewerben“.
Unter den Kunden sind unter anderem Daimer, BMW, Mercedes, Chrysler, Fiat, Ford, Magna (Automobilzuflieferer), VW und Scania. Das amerikanische Unternehmen Syncreon mit Sitz in Auburn Hills, Michigan, USA, hat weltweit 14.000 Angestellte und ist an rund 100 Standorten mit Schwerpunkt in den USA und Europa vertreten. CEO des Unternehmens ist der irischstämmige Brian Enright. Irische Manager und amerikanische Inverstoren haben, wie wir dank Ryanair und Toys R Us wissen, mitunter eine recht ignorante Einstellung zu deutschen Arbeitsrechten.
Im Deutschland-Management gibt es eine hohe Fluktuation, die für laut Gewerkschaft IG Metall zu ständig wechselnden Ansprechpartnern führt, die selbst meist nicht zeichnungsberechtigt sind. Die hohe Zahl der geführten Gerichtsverfahren in Deutschland ist auch darauf zurückzuführen, dass es gelegentlich schneller gehen kann einen Beschluss vom Arbeitsgericht einsetzen zu lassen, als ihn mit dem Management auszuhandeln.
Dennoch gelang es den Beschäftigten mit IG Metall Bremen 2018 einen Tarifvertrag für den Bremer Standort zu unterschreiben, der den Beschäftigten deutliche Vorteile brachte.
Das von einem Private Equitiy Fonds betriebene Unternehmen Syncreon scheint aktuell in Schieflage. Das Wall Street Journal schreibt am 22.03.2019 von einem Downgrading durch die Rating-Agentur Moodys. Am Standort in Wunstorf mit 300 Beschäftigten läuft zum 31.12.2019 der Vertrag mit Audi aus. Für den Fall, dass kein Ersatz gefunden wird, droht der Rückzug von Syncreon aus Wunstorf (HAZ 26.02.2019).
Wer ist Hogan Lovells?
Die Kanzlei Hogan Lovells war auch schon für das Union Busting bei Amazon und Enercon verantwortlich. 2016 hat die aktion ./. arbeitsunrecht Hogan Lovells deswegen bereits für den Aktionstag Schwarzer #Freitag13 nominiert: Dossier zu Hogan Lovells .
Hogan Lovells ist eine Wirtschaftskanzlei mit 27 Standorten und 2.500 Anwälten, die von Unternehmen wie Syncreon erst einmal durchgefüttert sein wollen.
Weitere Infos:
- arbeitsunrecht.de berichtete im August 2017 über Angriffe auf den Betriebsratsvorsitzenden Ruben T. in Wunstorf: Betriebsrat trotzt massiven Einschüchterungsversuchen
- IG Metall 13.07.2017 Interview mit Ruben T. „Es kommt darauf an, wieviel Du einstecken kannst„
- workwatch 21.03.2019