Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.
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Thyssenkrupp Steel / Erneut tödlicher Arbeitsunfall eines Fremdarbeiters
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Tesla/ Third-Party-Theory – Fremdsteuerungstherorie im Union Busting
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Flink / Protest bei Wiedereröffnung in Freiburg
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Trucker-Streik / Spedition Hegelmann und Ausbeutung von Afrikanern
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Gen Z / Keine falsche Loyalität
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Thyssenkrupp Steel: Erneut tödlicher Arbeitsunfall eines Fremdarbeiters
Duisburg: Am 25. Januar 2025 kam es bei der Thyssenkrupp Steel AG in Duisburg erneut zu einem tödlichen Arbeitsunfall. Ein 31-jähriger verstarb, nachdem er durch eine Arbeitsbühne zwischen einem Sicherungsgeländer und der Decke eingeklemmt worden war. 1
Die Kriminalpolizei Duisburg hat Ermittlungen zur Ursache des tödlichen Unglücks aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft ordnete die Obduktion der Leiche an. Das Amt für Arbeitsschutz ist von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt.
Die Thyssenkrupp-Pressesprecherin Christine Launert teilte uns auf Anfrage mit, dass der Getötete nicht bei Thyssenkrupp angestellt, sondern für eine Partnerfirma tätig war.
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Tödliches Risiko Fremdarbeit
Fremdarbeiter sind in großen Werken grundsätzlich einer viel größeren Gefahr ausgesetzt, als die Stammbelegschaft. Langjährig Beschäftigte kennen die Anlagen und auch die Gefahrenpunkte wesentlich besser.
Bei Thyssenkrupp war es erst 2022 zu einem schweren Arbeitsunfall gekommen. Auch der 26jährige Arbeiter Refat arbeitete für ein Sub-Unternehmen und starb im Oktober 2022 unter unklaren Umständen auf dem Werksgelände von Thyssenkrupp Steel. Seine Leiche wurde erst nach mehreren Tagen aufwändiger Suche in einem Schlackebecken aufgefunden.
Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen zu Refats Tod im April 2024 letztlich eingestellt. Insgesamt kam es allein im Jahr 2022 bei Thyssenkrupp Steel zu fünf tödlichen Unfällen und mehreren weiteren mit ernsthaften Verletzungen.2
Eine Anfrage an den Thyssenkrupp Steel-Betriebsrat, die wir am 12.02.2025 stellten, blieb unbeantwortet. Darin frugen wir ab:
- Für welche Firma arbeitete der Getötete?
- Wie lange war der Getötete zum Zeitpunkt des Unfalls im Werk tätig?
- Mit welcher Aufgabe war der Getötete betraut?
- Wie viele tödliche Arbeitsunfälle passierten bei Thyssenkrupp Steel in 2023 und 2024?
- Wie viele Fremdarbeiter sind derzeit insgesamt bei Thyssenkrupp Steel eingesetzt?
- Welche Verbesserungen für den Arbeitsschutz fordert Ihr Gremium?
Sollte sich der Betriebsrat noch zu einer Antwort bequemen liefern wir diese gerne nach. ► zurück nach oben
Tesla: Gewerkschafter beantragen Ausschluss der Betriebsratsvorsitzenden – Union Busting per Fremdsteuerungstheorie
Frankfurt an der Oder: Am Frankfurter Arbeitsgericht fand am 11. Februar 2025 der Gütetermin über den Ausschluss der Betriebsratsvorsitzenden Michaela Schmitz bei Tesla in Grünheide statt. Der Antrag auf Amtsenthebung entstand zusammen mit der Gruppe „IG Metall – Tesla Workers Gigafactory Berlin-Brandenburg (GFBB).“ Die Vorsitzende Richterin Kristina Karehnke konnte keine Einigung herbeiführen. Das berichtet unter anderem die Tageszeitung nd. 3 4
Die aus Gewerkschaftsmitgliedern im Betriebsrat bestehende Gruppe begründet den Schritt damit, dass Newsletter ohne vorherige Abstimmung an die Belegschaft verschickt worden sein sollen. Außerdem seien von ihnen vorgeschlagene Themen nicht oder zu spät auf der Tagesordnung von Betriebsratssitzungen gelandet.
Die Gewerkschaft IG Metall stellt 16 der 39 Sitze im Tesla-Betriebsrat. Der Betriebsrat ist für die Interessen von über 13.000 Angestellten zuständig. Interessant ist, dass die Betriebsratsvorsitzende Michaela Schmitz 2024 wiederholt sinngemäß geäußert haben soll, dass sich Mitglieder des Betriebsrats von der Gewerkschaft, von außen, instrumentalisieren ließen. Das wäre der Klassiker der Third-Party-Theory, übersetzt Fremdsteuerungstheorie.
Verkürzt erklärt funktioniert diese Third-Party-Theory so: Union Buster zeichnen das Bild, dass Unternehmensführung + Angestellte zwei Gruppen mit gleichem Interesse seien. Beide wollen, dass die Firma floriert, weil davon theoretisch beide Gruppen profitieren. Diese gedeihliche Zusammenarbeit wird allerdings von Außen torpediert. Die Gewerkschaft, als dritte Gruppe, versucht in dieser Union Buster-Erzählung aus purem Eigennutz die Angestellten gegen die gutmeinende und gütige Unternehmungsführung aufzubringen. Damit, so die Geschichte der Gewerkschaftsfeinde, gefährdet die Gewerkschaft nicht nur Gewinne, sondern auch gleich ganze Standorte. Denn Union Buster drohen schließlich gerne mit Standortschließungen.
Diese Verdrehung der Tatsachen ist natürlich ganz großer Unfug. Denn die Gewerkschaft als äußere Kraft ist ein konstruiertes Bild. Es sind die Angestellten selbst, die sich gewerkschaftlich organisiert zusammen schließen, um ihre Interessen gemeinsam besser vertreten zu können. Denn anders als in der heimeligen Erzählung der Gewerkschaftsfeinde haben Management und Angestellte wenig gemeinsame Interessen. Während das Management auf maximalen Gewinn für Besitzende und Aktionäre setzt, brauchen Angestellte maximalen Arbeitsschutz, Transparenz, Mitspracherechte und gute Löhne.
Es ist wichtig diese gängigen und sich stets wiederholenden Erzählmuster von Gewerkschaftsfeinden zu entschlüsseln. Denn sie machen es erst möglich, dass Angestellte gegen ihre eigenen Interessen managementnahe Betriebsräte wählen. So, wie es bei Tesla tatsächlich geklappt hat.
Ein erster Verhandlungstermin zum Antrag auf Ausschluss aus dem Betriebsrat wird für Sommer 2025 erwartet. Wir halten Euch auf dem Laufenden. Für aktuelle Gerichts-Termine lohnt es sich auch unseren telegram-kanal zu abonnieren. ► zurück nach oben
Flink: Protest gegen Wiedereröffnung
Freiburg: Rund 30 Menschen beteiligten sich am 15. Februar 2025 an einer Kundgebung gegen Union Busting bei Flink. Darüber berichtet Radio Dreyeckland.5
Der Fahrradlieferdienst hatte die Freiburger Niederlassung am 13.10.2023 wenige Tage vor einer Betriebsratswahl geschlossen. Für die Angestellten kam die Massenentlassung damals aus heiterem Himmel. Nun eröffnete Flink in Freiburg erneut. Grund genug für die ehemaligen Angestellten zu protestieren und unter anderem ihre Wiedereinstellung zu fordern.
Das Unternehmen Flink plant jedoch keineswegs auf die Expertise erfahrender Fahrer*innen zurück zu greifen.
In der Vergangenheit hat Flink viel Zeit und Geld investiert, um mit Hilfe der Kanzlei Pusch Wahlig Betriebsratsgründungen zu verhindern. Der Berliner Standort ist dafür ein Paradebeispiel. Dort hatte sich am 5. September 2022 ein Wahlvorstand zur Einleitung einer Betriebsratswahl gegründet. Diesen hat Flink mit der Kanzlei Pusch Wahlig in den darauf folgenden Monaten jedoch erfolgreich sabotiert.
Zu den eingesetzten Methoden in Berlin gehörten Wahlanfechtungen, Kündigungsversuche, Bespitzelung, konstruierte Abmahnungen, die Einrichtung eines managementgesteuerten alternativen Vertretungsorgans, bis hin zu paranoid-antikommunistischen Diffamierungen von Gewerkschaftern und Betriebsratsgründern und eine eidesstattliche Falschaussage der Flink-Justiziarin Sarah Erne. ► zurück nach oben
Streikende Lastwagenfahrer aus Simbabwe
Deutschland: In den vergangenen Wochen haben Anfang 2025 auf mehreren deutschen Rastplätzen Fahrer aus dem afrikanischen Simbabwe gestreikt. Sie arbeiteten für das polnische Unternehmen Flare Trans und die Firma Global Transporte aus der Tschechischen Republik. Beide Unternehmen gehören zur deutschen Hegelmann-Gruppe. Darüber berichten Frankfurter Rundschau und FAZ. 6 7 8
In Deutschland stehen die Fahrer teils immer noch auf Raststätten bei Krefeld, Nürnberg, Merklingen und Bremen. Mit ihrer Aktion protestieren die Fahrer gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und fordern ihnen zustehenden Löhne ein.
Die Fahrer versicherten, sie hätten monatelang in ihren Fahrzeugen übernachten müssen. Statt den gesetzlichen Mindestlohn zu erhalten, seien sie mit 30 Euro pro Tag oder wenigen hundert Euro im Monat abgespeist worden. Es soll auch zu Einschüchterungsversuchen durch die Unternehmen gekommen sein. Die Polizei war im Einsatz.9
Mittlerweile haben Fahrer, die bei Flare Trans arbeiteten laut Unterstützern die ausstehenden Löhne erhalten. Flare Trans soll in einem Schreiben an Kunden Bedauern über den Vorfall ausgedrückt und versichert haben, dass alle Forderungen der Fahrer und weiterer Parteien erfüllt seien.
Knabberspaß Lorenz: Seltenes Beispiel von Anstand
Fahrer der Firma Global Transporte aus der Tschechischen Republik sollen dagegen immer noch im Streik sein. Die Homepage des Unternehmens soll nicht mehr erreichbar sein. Darauf hatte die slowakische Hegelmann-Tochter damit geworben, sie sei für bekannte Auftraggeber tätig – darunter so unsympathische Firmen wie Lufthansa, VW, Porsche, Mercedes, Zalando, Rewe, Edeka und Lidl.
Ein Kunde hat bereits die Reißleine gezogen und schon zum 31.01.2025 die Verträge mit dem Transportunternehmen Hegelmann aufgekündigt. Die Firma Lorenz, Hersteller von Chips, Erdnusslocken und Salzletten, soll der Frankfurter Rundschau dazu gesagt haben, dass Lorenz Verstöße gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder gegen geltende Arbeitsnormen und -rechte nicht duldet. Wir hoffen, dass weitere Unternehmen diesem seltenen Beispiel von Anstand folgen.
Der Speditionsverband BLV-pro kritisiert, dass osteuropäische Transportunternehmen afrikanische Fahrer zu „Hungerlöhnen“ anheuern.
Wir finden diese Entwicklung insofern bemerkenswert, dass vor knapp zwei Jahren noch Fahrer aus Bulgarien und anderen osteuropäischen Ländern wegen Lohnraub durch die polnische Firma Mazur in Streik traten.10 Offensichtlich sind diese Leute aber nicht mehr billig genug zu haben oder bereits zu fit in Sachen Arbeitsrecht. So dass ausbeuterische Unternehmen nun auf Afrikaner setzen. Umso wichtiger, dass sich unter afrikanischen Lohnabhängigen schnell genug herum spricht, dass auch sie nicht rechtlos sind und sie auf solidarische Unterstützung zählen können. ► zurück nach oben
Kündigungswillig: Gen Z und Millenials
Deutschland: Eine Studie des Personaldienstleisters ManpowerGroup kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland ein hoher Anteil der Angestellten bereit ist, den aktuellen Job in den nächsten sechs Monaten zu kündigen.11 Bei den Babyboomern (geboren bis 1965) liegt der Anteil der Kündigungswilligen nur bei 16 Prozent, bei Millennials (geboren zwischen 1981 und 1995) dagegen bei 41 Prozent. Die berühmte GenZ toppt das locker und liegt sogar bei einer 46 prozentigen Kündigungsbereitschaft.
Wir begrüßen diesen Trend. Unternehmer und Aktionäre haben oft genug gezeigt, dass sie keinerlei Loyalität gegenüber ihren Angestellten pflegen. Vermutlichen waren unzählige Millenials und Gen Z-Geborene Zeugen, wie Geschäftsführungen Eltern, Tanten und Verwandte feuerten. Um diese langjährig Angestellten durch billige 450,–Kräfte oder Sub-Unternehmen zu ersetzen, um ins Ausland auszulagern oder bei neuen Vertragsabschlüssen Lohndumping zu betreiben.
Wer unter diesen Vorzeichen Unternehmen gegenüber noch loyal ist, hat tatsächlich nicht die Zeichen der Zeit erkannt.
Quellen
1 Sarah Dapena Fernandez: Duisburg: Arbeiter (31) brutal eingeklemmt – wenig später ist er tot, Der Westen, 27.01.2025 https://www.derwesten.de/staedte/duisburg/duisburg-unfall-thyssenkrupp-id301342311.html
2 Dachverband Kritische Aktionäre: Angehörige von Refat Süleyman fordern angemessenen Umgang mit Tod und Unfällen sowie Verbesserung der Arbeitsbedingungen, 1.2.2024, https://www.kritischeaktionaere.de/thyssenkrupp/angehoerige-von-refat-sueleyman-fordern-angemessenen-umgang-mit-tod-und-unfaellen-sowie-verbesserung-der-arbeitsbedingungen/
3 Rbb, Keine Einigung zwischen IG Metall und Tesla-Betriebsratsvorsitzender, 12.02.2025 https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2025/02/frankfurt-oder-ig-metall-tesla-gruenheide-oder-spree-betriebsratsvorsitzende-guetetermin.html
4 Christian Lelek: Tesla in Grünheide: IG Metall im Clinch mit der Konzernführung, 17.02.2025 https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189068.betriebsrat-tesla-in-gruenheide-ig-metall-im-clinch-mit-der-konzernfuehrung.html
5 Radio Dreyeckland: Protest gegen Union Busting bei Flink in Freiburg, 17.02.2025 https://rdl.de/beitrag/protest-gegen-union-busting-bei-flink-freiburg
6 Barbara Schäder: Afrikanischer Fahrer beendet Streik in Hessen, FAZ, 14.2.2025 https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/afrikanischer-lkw-fahrer-beendet-streik-in-alsfeld-in-hessen-110298242.html
7 Pitt von Bebenburg: Snack-Firma zeigt Hegelmann die rote Karte, Frankfurter Rundschau, 18.02.2025 https://www.fr.de/wirtschaft/snack-firma-zeigt-hegelmann-die-rote-karte-93578263.html
8 Barbara Schäder, Lastwagenfahrer aus Afrika protestiert in Hessen, FAZ 12.02.2025 https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/streiks-auf-rastplaetzen-lkw-fahrer-aus-afrika-protestiert-in-hessen-110292689.html
9 Barbara Schäder: Polizei schützt Lkw-Fahrer vor seinem Arbeitgeber, 3.2.2025 https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/polizei-schuetzt-lkw-fahrer-vor-seinem-arbeitgeber-110267722.html
10 Jessica Reisner: Truckerstreik in Gräfenhausen und der Auftritt der polnischen Rutkowski Patrol, Arbeitsunrecht, 20.4.2023 https://arbeitsunrecht.de/union-busting-news-8-23-allianz-lieferando-irlemoser-frankreich/#anker01
11https://www.manpowergroup.de/-/media/project/manpowergroup/manpowergroup/manpowergroup-germany/studien_pdf/2025/mpg_gen_z_2025_white_paper_de_2.pdf