Distner Fensterbau: Wildwest in der ostdeutschen Provinz

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Betriebsratswahl durch Kündigung der Kandidaten verhindert / Berichte über Bossing, Arbeitsunfälle, 53-Stundenwoche / lokale Presse verschweigt Verantwortliche

Neuensalz hat 2.316 Einwohner und liegt genau am Knick zwischen Bayern (Oberpfalz) und Sachsen.

Die Firma Hubert Distner Fenstertechnik hat, laut Tageszeitung Freie Presse vom 19.03.2013 , an ihrem Standort in Neuensalz bei Plauen (Vogtland, Sachsen) etwa 30 Mitarbeiter. Seit Januar 2013 sorgt der kleine Betrieb für Schlagzeilen in der regionalen Presse, weil er die Gründung eines Betriebsrats durch Kündigung der Inititatoren zu verhindern wusste.

Am 19. März 2013 gaben die Betriebsratsgründer ihren Kampf vor dem Arbeitsgericht entnervt und resigniert auf. Sie verließen die Firma gegen geringe Abfindungen.

Die Journalistin Manuela Müller schreibt über die Motive der Initiatoren und das Klima bei Distner:


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Die drei Männer wollten nach ihren eigenen Angaben einen Betriebsrat gründen, um gegen Arbeitsschutzprobleme, 53-Stunden-Wochen und Mobbing vorzugehen. „Ich habe frühere Kollegen gefragt, ob sie als Zuschauer mit in den Gerichtssaal kommen. Die hatten Angst“, sagte einer aus dem Trio.

So billig ist die Verhinderung einer demokratischen Institution in Deutschland inzwischen geworden: 3.600 Euro und 2.500 Euro zahlt Distner nun laut Presse den Initiatoren. Die Verhinderung einer Betriebsratswahl steht laut Betriebsverfassungsgesetz unter Strafe (bis zu 1 1/2 Jahren Gefängnis). Doch der Verstoß gegen den Passus gilt bei Unternehmer-Anwälten seit Jahren als Lappalie. Es gibt so gut wie keine Verurteilungen. Meist werden Ermittlungen gar nicht erst eingeleitet, oft eingestellt. Selten einmal kommt es allenfalls zu geringen Geldstrafen.

Bossing durch den Geschäftsführer

Wer mit IG Metall-Gewerkschaftern und ehemaligen Distner-Beschäftigten im Vogtland spricht, stößt auf Berichte von haarsträubenden Arbeitsbedingungen. So wird „brutales Psychomobbing“ berichtet. Eine Bezahlung außerhalb und unterhalb der branchenüblichen Tarife verleitet die Geschäftsleitung um Geschäftsführer Jörg Mauritz möglicherweise dazu, die eingestellten Arbeiter extensiv zu vernutzen und effizientes Wirtschaften vielleicht zu vernachlässigen.

Nach dem Motto: Die Ossis kosten nix, sind froh überhaupt Arbeit zu haben und gelten durch ihre sozialistische Vorbildung als traditionell versiert im Improvisieren mit defekten Maschinen. Distner hat seinen Stammsitz in Wiesau in der Oberpfalz, direkt an der ehemaligen Zonengrenze. Nach der Wende expandierte des Unternehmen ins benachbarte Vogtland. Offenbar feiert eine Geringschätzung gegenüber den Ossis aus der Wendezeit, die rassistische Züge annahm, hier weiter fröhliche Urstände.

Neben massiven Überstunden, die vom Umfang die 35-Stundenwoche der IG Metall auf den Kopf stellen – 53-Stunden sind keine Seltenheit – soll ein enormer Investitionsstau im Bereich Arbeitssicherheit und Maschinen herrschen. Es habe vereinzelt schwere und schwerste Arbeitsunfälle gegeben, immer wieder schieden Mitarbeiter aufgrund psychischer Belastungen aus, berichten unsere Gesprächspartner, die nicht genannt werden wollen.  Sie haben Angst ihre jetzige Arbeit zu verlieren.

Wellen von Kündigungen und Abmahnungen

Bei den Kündigungen der Betriebsratsinitiatoren griff Distner auf die aggressive Methode des juristischen Sperrfeuers zurück. Hierbei werden Betroffene mit  Kündigungen und Abmahnungen überzogen, viele davon offensichtlich unsubstantiiert, d.h. es ging im Kern nicht um den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe, sondern um Zermürbung und Zeitgewinn. Ins Muster passt: Eine Kündigung wegen eines vermuteten Gesprächs mit der Presse.

Diese Abmahnungs- und Kündigungswellen werden von einschlägigen Union-Busting-Anwälten und -Beratern nahe gelegt. Hubert Distner Fensterbau wird von Markus Sanner (Kanzlei Sanner und Meichsner, Tirschenreuth) vertreten.  Laut Eigendarstellung ist Markus Sanner nicht nur Fachanwalt für Arbeitsrecht, sondern auch spezialisiert auf Unfälle und Personenschäden (Schmerzensgeld, Verdienstausfall, Erwerbsminderung, Folgeschäden). Für Distner in Neuensalz ist er also doppelt qualifiziert.

Freie Presse verschweigt Ross und Reiter

Bemerkenswert ist die Berichterstattung von Manuela Müller in der Freien Presse. Einerseits berichtet sie die zentralen Fakten und bewertet den Konflikt zutreffend und zielsicher von einem dezidiert demokratischen Standpunkt (Hut ab!). Andererseits verschweigen ihre Artikel beinahe devot den Namen der Firma (Distner Fensterbau) und die Namen der verantwortlichen Akteure (Jörg Mauritz und Markus Sanner) auf der Arbeitgeberseite. Warum?

Fazit/Bewertung

Zu den besonderen Risiko-Situationen gehört hier: Eine abgeschiedene Region mit offensichtlich schwach entwickelter Zivilgesellschaft (wenig Gegenöffentlichkeit, Bürgerinitiativen etc.), hohe Arbeitslosigkeit, Desillusionierung durch Deindustrialisierung, ein Betrieb mit patriarchaler Führungsstruktur und selbstherrlichem Führungspersonal.

Dennoch: Die Kündigung von Betriebsratsgründern wie im Fall Distner ist ein deutlicher Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Das gilt auch im Vogtland. Die Wellen offensichtlich unsubstantiierten Abmahnungen und Kündigungen durch aggressive Unternehmer und ihre Berater sind weit verbreitet. Sie zeugen von einem flächendeckenden Rechtnihilismus bestimmter Anwalts- und Unternehmertypen, der nicht widerspruchslos hingenommen werden sollte.

Quellen:

 Freie Presse, 19. 03. 2013

Freie Presse, 12. 02. 2013

Branchenverzeichnis: Hubert Distner Fenstertechnik


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4 Kommentare

  1. Sehr interessant, wie manche Arbeitgeber mit ihren Mitarbeitern umgehen, denen sie ihren Betriebserfolg und ihren Wohlstand zu verdanken haben! Solche hierarchischen Zustände scheinen in Grenzregionen üblich zu sein, wie etwa auch bei der Firma Göppl Nutzfahrzeuge in der östlichen Oberpfalz. Die beiden Geschäftsführer herrschen diktatorisch, wer sich nicht duckt kommt in die Schusslinie. Betriebsrat? Daran dürfen die Angestellten nicht einmal denken. Die Zeile „Hierbei werden Betroffene mit Kündigungen und Abmahnungen überzogen, .. offensichtlich unsubstantiiert, d.h. es ging im Kern nicht um den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe, sondern um Zermürbung und Zeitgewinn.“ könnte auch dort gelten.

  2. Hier Antwort der Redaktion arbeitsunrecht.de auf dieses merkwürdige Ansinnen:

    Sehr geehrte Damen und Herren!

    normalerweise antworten wir niemandem, der uns keine Vollmacht vorlegt; vor allem wenn er vermutlich eine unzulässige Rechtsdienstleistung („Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert“) ausübt.

    Trotzdem zu Ihrem Schreiben folgendes: Da die Veröffentlichungen in der Tageszeitung Freie Presse immer noch im Internet verfügbar sind – wenn auch inszwischen durch eine Bezahlschranke nur für Abonnenten einsehbar -, gehen wir davon aus, dass diese sachlich richtig sind. Natürlich sind wir auch berechtigt, in diesem Zusammenhang den Firmennamen zu nennen, da sich jeder in der sog. „Sozialsphäre“ auch individualisierter Kritik stellen muss.

    Das gilt auch für Ihren Kommentar, den Sie als solchen auf unserer Webseite hinterlassen haben. Wir sind der Meinung, dass unsere Leser ein Recht zu erfahren haben,

    a) welche „Argumente“ gegen unsere Veröffentlichung vorgebracht werden (Wir würden natürlich auch eine inhaltliche Stellungnahme des Arbeitgebers veröffentlichen.)

    b) welche Dienstleister mit der Beeinflussung von Öffentlichkeit und Agenda-Cutting im Auftrag von Arbeitgebern befasst sind und welche Methoden sie anwenden. Das ist ein zentrales Thema unseres Blogs.

    Abschliessend noch eine Frage: Sie sind auf „Reputationsmanagement spezialisiert“. Haben Sie Ihrem Kunden schon einmal empfohlen, die Verhältnisse in seinem Betrieb zu ändern, um seine Reputation zur erhöhen?

    Mit freundlichen Grüßen
    Elmar Wigand

    (siehe auch Web-Killer: Maulkorb-Agentur im Dienste von Unternehmern)

  3. Sehr geehrte Damen und Herren,

    unser Auftraggeber Herrn Distner, Hubert beauftragte unseren Servicedienst „web-killer.de“, da dieser die Entfernung des unten stehenden Inhaltes anstrebt. Deshalb bitten wir Sie höflichst um Löschung/Entfernung des folglich benannten Online-Inhaltes:

    https://arbeitsunrecht.de/distner-fensterbau-wildwest-in-der-ostdeutschen-provinz/

    Im Namen unseres Auftraggebers bitten wir Sie nun eindringlich darum, die Seite zu entfernen oder zumindest seinen vollen Namen dort nicht mehr zu nennen. Unser Unternehmen hat sich auf Reputationsmanagement spezialisiert und möchte den Ruf seiner Kunden schützen. Viele verärgerte Personen und Unternehmen gehen den direkten Weg über einen Rechtsanwalt, doch für Webseiten- und Blogbetreiber ist dies häufig nicht nur mit Kosten, sondern auch unnötigem Ärger verbunden. web-killer.de möchte dies vermeiden und bemüht sich direkt beim Seitenverantwortlichen, bzw. Hosting-Provider unter kooperativer Grundlage um Entfernung. Namentliche Einträge im Internet können oft negative Folgen für den Beruf, die Karriere, sowie das Privatleben nach sich ziehen. Wir weisen Sie vorsorglich daraufhin, das die Rechtslage in diesem Fall ungeprüft ist und durch uns auch nicht beurteilt oder bewertet wird. Bitte nehmen Sie unser Schreiben daher als freundliche Bitte zur Kenntnis, anstatt als „Forderung“. Denn dies würde unseren Geschäftsprinzipien widersprechen. Allerdings steht es unserem Kunden ggf. frei, sich an unsere Kooperationskanzlei zu wenden und sich rechtlich vertreten zu lassen. Bitte teilen Sie uns Ihre Entscheidung mit, damit unser Auftraggeber über das weitere Vorgehen entscheiden kann. Geben Sie bei Rückantworten stets das Aktenzeichen an! Bei Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung und bedanken uns für Ihr Verständnis und Ihre Zeit.

  4. Ein sehr interesanter Bericht,war selber dort beschäftigt.
    Bei der Firma SGT in Oelsnitz herrschen ähnliche Verhältnisse dort wurden auch schon Mitarbeiter entlassen die im Begriff waren einen Betriebsrat zu Gründen.

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