Remondis: Groß angelegte Kampagne gegen Betriebsratsstrukturen bei Innotec GmbH

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Innotec (Remondis SE) kennt sich mit Müll aus! So lange mit Müll werfen bis was hängen bleibt. Ob das auch gegen Betriebsräte hilft? Creative Commons Zero -CC0 – Pixabay.de

Bereits seit mehreren Jahren läuft bei der Innotec Abfallmanagement GmbH eine großangelegte bundesweite Kampagne gegen engagierte Betriebsratsmitglieder. Dabei stehen sowohl einzelne lokale Betriebsräte wie an den Standorten Duisburg, Eschborn, Braunschweig und Hamburg im Kreuzfeuer der Innotec Geschäftsführung, als auch die sich besonders für die Rechte und Interessen ihrer KollegInnen einsetzenden Mitglieder des Gesamtbetriebsrats.

Seit der Übernahme der Mehrheit der Gesellschafteranteile von Innotec durch die ebenfalls im Recycling-Geschäft tätige Remondis SE im Jahr 2008 hat sich der Kampf gegen die Mitbestimmungsgremien bei Innotec deutlich verschärft. Ganz vorne mit dabei ist natürlich die Innotec Geschäftsführung welche seit 2018 aus Leif Lorenz, Michael Karg und Thomas Spindler besteht. 

Ziel der Geschäftsführung scheint es zu sein, engagierte Betriebsratsmitglieder so lange mit Schikanen und falschen Anschuldigungen zu überziehen bis diese den Druck nicht mehr aushalten oder doch mal ein Arbeitsgericht den unzähligen substanzlosen Kündigungen zustimmt. Inwieweit die Geschäftsführung selbst für dieses Union Busting wie aus dem Lehrbuch verantwortlich ist oder ob eine Unternehmensberatung oder Union Busting-Kanzlei dieses anleitet ist bisher nicht ersichtlich. Dafür benötigen wir weitere Hinweise aus der Belegschaft, die hier Licht ins Dunkel bringen könnten. Fest steht jedoch, dass in den zahlreichen juristischen Auseinandersetzungen Innotec jeweils unterschiedliche Rechtsanwaltskanzleien beauftragt, einige von ihnen sind einschlägig als Union Busting-Kanzleien aus anderen Fällen bekannt. 

Wer sich nicht kaufen lässt wird abgesägt

Bei ihrem Feldzug gegen die Betriebsräte geht die Innotec Geschäftsführung besonders perfide vor. Wie uns mehrere Betriebsratsmitglieder berichteten versucht die Geschäftsführung seit längerem die Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrates zu ihren Gunsten zu ändern bzw. ihn ganz zu zerschlagen. Dazu werden insbesondere der engagierte Vorsitzende des Gremiums Stefan H. und sein Stellvertreter Heinz Jürgen S. massiv angegangen. 


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Es scheint eine besondere Taktik der Geschäftsführung zu sein Betriebsratsmitglieder durch Beförderungen oder das in Aussicht stellen einer solchen auf ihre Seite ziehen zu wollen. So berichten Kollegen aus verschiedenen Niederlassungen, dass Innotec gezielt Betriebsratsmitglieder zu Betriebsleitern oder stellvertretenden Betriebsleitern ernannt hat. Auch sollen durch diese Beförderungen gekaufte Betriebsratsmitglieder die Geschäftsführung regelmäßig mit Informationen aus den verschiedene Gremien versorgen. 

Eschbborn: 50 Abmahnungen, 11 Kündigungen und 24-Stunden-Observation

Der wohl krasseste bisher öffentlich gewordene Fall des Union Bustings bei Innotec betrifft den langjährigen Beriebsratsvorsitzenden der Niederlassung in Eschborn Miroslav S. Nach zehn Jahren Arbeit bei Innotec ohne irgendwelche Probleme hat die Geschäftsführung Miroslav S. seit seiner Wahl in den Betriebsrat im Jahr 2014 mehr als 50 Mal abgemahnt. 11 Mal versuchte die Geschäftsführung ihn unter fadenscheinigen Gründen zu kündigen. 

Gleichzeitig setzten die Anwälte von Innotec in verschiedenen Verfahren immer wieder gezielte rufschädigende Behauptungen gegen Miroslav S. in den Raum, ohne diese zurück zu nehmen oder richtig zu stellen. So behaupteten diese etwa das Miroslav S. vor Gericht einen Meineid geleistet, Informationen an andere Wettbewerber weitergegeben und mit Drogen gehandelt hätte. Keine dieser Behauptungen hat Innotec jemals belegt. Die Strafanzeigen gegen diese Anschuldigungen wurden ohne Ergebnis eingestellt. 

Mit Privatdetektei gegen Betriebsratsvorsitzenden

Höhepunkt des Union Busting gegen Miroslav S. waren mehrtägige rund um die Uhr anhaltende Observationen von Miroslav S. und seinem Stellvertreter im Eschborner Betriebsrat Thomas H. durch die Detektei Esecon Forensic Services GmbH unter dem Namen „Projekt Isolde“ im September 2016. Ziel dieser Observation war es, einen angeblichen Arbeitszeitbetrug und eine Nutzung von Firmenwagen zu Privatzwecken nachzuweisen.

Allein gegen Miroslav S. ließ Innotec drei verschiedene Anwaltskanzleien und fünf Anwälte in verschiedenen Verfahren auflaufen. Darunter Stephan Fitsch der Kanzlei WWP Rechtsanwälte & Notare, sowie Uwe Schadewald von der Kanzlei Wegner & Schadewald.  

Zum 28.02.2019 hat es Innotec dann am Ende doch geschafft Miroslav S. gegen die Zahlung einer sechsstelligen Summe aus dem Unternehmen rauszukaufen.

Unterdessen geht das Union Busting gegen das Betriebsratsmitglied Thomas H. in Eschborn weiter. Auch er erhielt seit 2014 für die Ausübung seiner Tätigkeit im Betriebsrat mindestens neun Abmahnungen und hat Innotec mehrfach versucht ihn zu kündigen. Nach dem Ausscheiden von Miroslav S. hat sich der Druck auf Thomas H. weiter erhöht. Die Geschäftsführung scheint es nun auf ihn abgesehen zu haben.

Besonders pikant an dieser Situation ist, dass der Betriebsrat der letzten Kündigung gegen Thomas H. wegen der Teilnahme an einem Seminar zur Schwerbehindertenvertretung und der damit zusammenhängenden angeblichen Arbeitsverweigerung und dem unangemeldeten Fernbleiben vom Arbeitsplatz zugestimmt hat. 

Thomas H. zog dagegen vor das Arbeitsgericht Frankfurt, welches am 17.06.2020 zu seinen Gunsten entschied, die Kündigung kassierte und auch die Zustimmung des örtlichen Betriebsrats zur Kündigung scharf rügte.

Sowohl Miroslav S. als auch Thomas H. sehen sich immer wieder mit der Situation konfrontiert, dass Innotec ihnen unbegründet nur einen kleinen Teil ihres Gehalts auszahlt und den Rest einbehält. Dabei verstößt Innotec auch gegen die gesetzliche Pfändungsfreibetragsgrenze.

Duisburg: Geschäftsführung will Gesambetriebsratsvorsitzenden mit allen Mitteln loswerden

Auch am Standort Duisburg versucht Innotec das engagierte Betriebsratsmitglied Stefan H. durch Abmahnungen und konstruierte Kündigungsgründe loszuwerden. Stefan H. ist gleichzeitig Vorsitzender des Gesamtbetriebsrat bei Innotec.

Bis zum November 2019 hat Stefan H. ohne größere Probleme bei Innotec gearbeitet. Seit dem jedoch 12 Abmahnungen bekommen. Außerdem versucht Innotec immer wieder Krankmeldungen nicht anzuerkennen und anzuzweifeln. Bei Stefan H. begannen die Schikanen im November 2019 kurz nach dem er dem firmeninternen Compliancemanager einen mutmaßlichen Arbeitszeitbetrug anzeigte. Seit dem kürzt Innotec auch bei Stefan H. immer wieder willkürlich sein Gehalt, auch über die Pfändungsgrenze hinaus. 

Innotec wirft Stefan H. zudem vor, sich in den Jahren 2016-2019 unerlaubt einen Firmenwagen angeeignet und diesen privat genutzt zu haben. Da der Betriebsrat der Kündigung von Stefan H. widersprochen hat, versucht Innotec mit einem Zustimmungsersetzungsverfahren den Rauswurf des Betriebsratsmitglied zu erreichen bzw. ihn hilfsweise aus dem Betriebsrat ausschließen zu lassen.

In erster Instanz lehnte bereits das Arbeitsgericht Duisburg die Klage ab, nun versucht es Innotec erneut vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Das Gericht hat einen ersten Termin, der auf den 24.06.2020 angesetzt war, kurzfristig abgesagt. Noch ist unklar wann der nächste Termin stattfindet. 

Den Rechtsstreit für Innotec bestreitet in diesem Fall Armin Rudolf von der Anwaltskanzlei Adiuro. Diese ist parallel auch bei einem Union Busting Fall bei der Sparda-Bank Hannover negativ aufgefallen (Frontberichte 07/2020). Besonders verwerflich ist, dass diese Kanzlei sich am Union Busting beteiligt und ihre Dienste ebenfalls für Betriebsräte anbietet. Stefan H. wird vor Gericht von Marcus Liebig von der Kanzlei Blömke Platte Liebig vertreten. 

Betriebsratsbehinderung auch an den Standorten Braunschweig und Hamburg

Auch in den Niederlassungen Braunschweig und Hamburg geht Innotec gegen dortige engagierte Mitglieder der Betriebrats vor.

In Hamburg scheint es Innotec gelungen zu sein die Stimmung im Betriebsrat durch die Beförderung eines Betriebsratsmitgliedes zum Betriebsleiter und seine Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden zu seinen Gunsten zu lenken. Seit dem der ehemalige engagierte Betriebsratsvorsitzende Heinz Jürgen S. Anfang des Jahres aus gesundheitlichen Gründen mehrere Monate aus der Arbeit ausfiel, arbeitet der Betriebsrat unter neuer Leitung sehr zum Wohle von Innotec.

Noch offensiver geht Innotec in Braunschweig gegen den Betriebsrat vor bzw. ignoriert dessen Rechte einfach. So hält die Betriebsleitung hier etwa die Informations- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei Einstellungen nicht ein. Die örtliche Geschäftsleitung gab dem Betriebsrat etwa keine Informationen über Neueinstellungen. Verschärft hat sich diese Situation seit Juni 2019 mit der Einsetzung des neuen örtlichen Betriebsleiters Stefanos Avramis.

Auch Gespräche von Vorgesetzten mit Mitarbeitern finden ohne den Betriebsrat statt und die Betriebsleitung nutzt diese zur Androhung von Abmahnungen und Kündigungen. Protokolle dieser Gespräche oder unabhängige Zeugen gibt es dadurch natürlich nicht.

Eigentlich sollen bei Innotec zudem sogenannte Monatsgespräche zwischen der Betriebsleitung und dem Betriebsrat stattfinden. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre sollen in Braunschweig jedoch von den geplanten monatlichen Treffen nur fünf Stück stattgefunden haben. Die restlichen Treffen hat der Betriebsleiter kurzfristig abgesagt oder einfach ignoriert.

Vor einer Betriebsprüfung im Oktober 2019 soll der örtliche Betriebsleiter Stefanos Avramis zudem Mitarbeiter angewiesen haben, nachträglich ihre Stundennachweise für die Monate Juni bis Oktober 2019 zu ändern, damit geleistete Mehrarbeit bei der Betriebsprüfung nicht auffalle. Nachdem interne Aufklärungsversuche des Falls durch den Betriebsrat an der Innotec Geschäftsführung scheiterten, wendete der Betriebsrat sich nun an die Gewerbeaufsicht Braunschweig um die angeordnete Arbeitszeitmanipulation aufzudecken. 

Strafanzeigen gegen Innotec verlaufen im Sand

Da die Maßnahmen der Innotec Geschäftsführung und einzelner Betriebsleitungen wie oben geschildert massiv in die Rechte der einzelnen Betriebsratsgremien und zum Teil in die Persönlichkeitsrechte der Mitglieder eingreifen, haben zwischenzeitlich verschiedene Betriebsratsmitglieder zahlreiche Strafanzeigen gegen Innotec gestellt.

Zur Zeit laufen mindestens drei Strafanzeigen gemäß § 119 BetrVG wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit gegen die Innotec Geschäftsführung in Kiel (2x) und gegen einen Niederlassungsleiter in Niedersachsen. Bisher jedoch ohne ein konkretes Ergebnis. Auch die Strafanzeigen von Miroslav S. wegen den zahlreichen erfundenen Anschuldigungen gegen ihn hat die zuständige Staatsanwaltschaft nicht weiter verfolgt und ohne Ergebnis eingestellt.

Da die Nichtverfolgung von Straftaten gemäß § 119 BetrVG eher die Regel als eine Ausnahme ist, fordert die Initiative aktion ./. arbeitsunrecht schon seit Jahren die Einrichtung von sogenannten Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrechte. Denn viele Staatsanwält*innen und Richter*innen erkennen Union Busting selbst in den offensichtlichen Fällen oft nicht. Darüber hinaus bedarf eines einer ganzen Reihe weiterer Maßnahmen zum besseren Schutz von Betriebsräten. Die aktion ./. arbeitsunrecht hat deshalb bereits 2017 eine Reihe von Reformvorschlägen erarbeitet: Betriebsräte stärken – Mitglieder und Neugründer schützen, Unternehmerkriminalität bekämpfen.

Die Innotec Abfallmanagement GmbH gliedert sich in 12 Niederlassungen mit insgesamt rund 500 Mitarbeitern. Innotec arbeitet in der Regel für große Wohnungsbaugesellschaften und in Kooperation mit Gemeinden, Städten und Kommunen. Nach eigenen Angaben betreut Innotec 700.000 Haushalte in 120 deutschen Städten mit seinem Abfallmanagement. 


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