Frontberichte 06/2021: Syncreon, Piepenbrock, Deliveroo & Meyer Werft

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Presseschau: Betriebsratsbehinderung und Union Busting in Deutschland

Protest gegen miserable Arbeitsbedingungen bei Deliveroo am #Freitag13 am 13.04.2018 in Amsterdam
  • Syncreon / Speyer: Mit Psychoterror gegen Belegschaft und Betriebsrat
  • Piepenbrock / Berlin: Betriebsrat erzwingt Aufstockung des Kurzarbeitergeldes
  • Deliveroo / London: Dank Protest, Deliveroo-Aktie auf Talfahrt
  • Meyer Werft / Papenburg: Werft als Corona-Schleuder

Syncreon versucht Belegschaft und Betriebsrat mit Psychoterror ruhigzustellen

Beim Standort der Syncreon Deutschland GmbH unter der Geschäftsführung von Michael Schütrumpf im Rheinland-pfälzischen Speyer herrschen laut dem DGB Stadtverband Speyer „frühkapitalistische Zustände“. Mitarbeiter berichten von einem Klima der Angst und regelrechtem Psychoterror, der von Team- und Werksleitung mit Hilfe von Union Busting Methoden gegen die Belegschaft und den Betriebsrat ausgeführt wird. Der Standort in Speyer ist nicht der erste an dem Mitarbeiter und Gewerkschafter auf solche Methoden hinweisen.

Im Syncreon Logistigstandort Speyer, der als Zulieferbetrieb für die Mercedes-Benz AG dient, soll die dortige Geschäftsleitung systematisch Informations- und Beteiligungsrechte des Betriebsrats ignorieren. Zudem seien Verstöße gegen die gesetzlichen Corona-Hygienevorschriften und Arbeitsschutzverordnungen an der Tagesordnung.

In einer aktuellen Pressemitteilung beschreibt der DGB Stadtverband Speyer die Zustände im Syncreon Standort Speyer außerdem wie folgt: „Die Gutsherrenwillkür gipfelt weiter in Entlassungen, beziehungsweise dem Nichtverlängern von befristeten Arbeitsverhältnissen nach mehr als 10 Tagen Krankheitsdauer, einem Sprechverbot am Arbeitsplatz, scheinbar willkürlichen Versetzungen von einer Halle in eine andere oder Degradierungen vom Staplerfahrer zum Packer nach einer Arbeitsunfähigkeit.“ Ähnliches berichten auch zahlreiche (ehemalige) Mitarbeiter auf verschiedenen Job-Bewertungsportalen im Internet wie z.B. auf kununu.

Vorgesetze sollen zudem Menschen mit Mitgrationshintergrund rassistisch beleidigen und diskriminieren, sowie Leiharbeiter nach dem Prinzip „Hire and Fire“ regelmäßig austauschen. Die dadurch entstehende starke Fluktuation in der Belegschaft, erzeuge ein Klima der Angst und Furcht bei allen Angestellten. 


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Betriebsrat im Visier

Auch den Betriebsrat am Standort Speyer soll Sycnreon besonders im Visier haben. Mitarbeiter berichten dem DGB Speyer von gezielten Kampagnen zur Absetzung des Betriebsrats. So soll die Werksleitung bereits mehrfach mit Unterschriftenlisten versucht haben den Betriebsrat unter Druck zu setzen und zur Auflösung zu zwingen. Wer auf entsprechenden Listen nicht unterschreibt, der soll durch Vorgesetzte gemobbt oder zu Doppelschichten gezwungen worden sein.

Mittlerweile hat sich auch die Oberbürgermeisterin der Stadt Speyer, Stefanie Seiler, in einem Schreiben an die Werkleitung der Syncreon Niederlassung Speyer gewandt und mit dieser ein Gespräch geführt. Ob dies das systematische Union Busting und die anhaltenden Verstöße gegen Arbeits- und Beteiligungsrechte beenden wird, darf wohl mehr als bezweifelt werden – denn die Vorwürfe an Syncreon sind keineswegs neu. 

Syncreon für Union Busting bekannt

Wir berichteten bereits 2019 über einen Fall von Behinderung der Betriebsratsarbeit bei Syncreon. Damals engagierte die Firma die international tätige Kanzlei Hogan Lovells um den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden zu kündigen.

Die Kanzlei Hogan Lovells war auch schon für das Union Busting bei Amazon und Enercon verantwortlich. 2016 hat die aktion ./. arbeitsunrecht Hogan Lovells deswegen bereits für den Aktionstag Schwarzer #Freitag13 nominiert: Dossier zu Hogan Lovells. Hogan Lovells ist eine Wirtschaftskanzlei mit 27 Standorten und 2.500 Anwälten, die von Unternehmen wie Syncreon erst einmal durchgefüttert sein wollen.

Bereits damals vermeldete die IG Metall aus verschiedenen Standorten von Syncreon ein ähnliches Vorgehen gegen Betriebsratsmitglieder und engagierte Kollegen: Über hundert Gerichtsverfahren mussten die Betriebsräte hier in vier Jahren führen, um ihre Rechte und die der Belegschaften durchzusetzen. Sie kritisieren dabei unter anderem die hohen Belastungen und die aus ihrer Sicht rechtswidrigen Arbeitsbedingungen.

Die Liste der damaligen Verfehlungen von Syncreon ist lang und deckt sich in vielen Fällen mit den neuerlichen Vorwürfen aus Speyer: Über zehn Prozent der Belegschaft sind krank; Syncreon habe Arbeitsunfälle nicht gemeldet; Beschäftigte erhalten keine Arbeitskleidung; Leiharbeiter werden von heute auf morgen vor die Tür gesetzt; Betriebsräte werden für die Ausübung ihres gesetzlichen Amts mit Lohnabzug bestraft usw. Am Ende schloss Syncreon seine Standorte in Bremen und Wunstorf bei Hannover.

Die Syncreon Deutschland GmbH beschäftigt zurzeit fast 500 Arbeiter am Standort Speyer als Verpacker und Sortierer für Ersatzteile für Mercedes PKW im Schichtbetrieb. Weltweit beschäftigt Syncreon rund 13.000 Arbeiter in Logistikzentren auf fünf Kontinenten. 

Quellen:

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Betriebsrat erzwingt Aufstockung des Kurzarbeitergeldes bei Piepenbrock

Seit mehr als 100 Jahren wird die Piepenbrock Service GmbH + Co. KG von den Patriarchen der Familie Piepenbrock nach ihrem Gutdünken geleitet. Nun hat der Betriebsrat der Familie und ihren Geschäftsführern Arnulf und Olaf Piepenbrock erfolgreich die Grenzen ihres Handelns nach Gutsherrenart aufgezeigt. 

Seit März 2020 zahlt Piepenbrock einem großen Teil seiner 650 Mitarbeiter in Berlin und Brandenburg Kurzarbeitergeld aus, ohne das dafür eine notwendige Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat vorlag. 

Für den Betriebsrat war klar: „Wer zum Branchenmindestlohn in der Gebäudereinigung arbeitet, kann nicht mit einem Kurzarbeitergeld von nur 60 beziehungsweise 67 Prozent abgespeist werden“. Vollzeitbeschäftigten blieben dabei lediglich rund 800 Euro zum Leben. Da die meisten Reinigungskräfte jedoch nicht in Vollzeit angestellt sind, nochmals deutlich weniger.

Der Betriebsratsvorsitzende Frank H. berichtet, dass die Geschäftsführung den Betriebsrat massiv unter Druck setzte, damit dieser einer einseitig diktierten Betriebsvereinbarung zum Kurzarbeitergeld zustimmen sollte: „Wir wurden massiv unter Druck gesetzt, der Einführung von Kurzarbeit zuzustimmen. Parallel zu den Verhandlungen zu der Betriebsvereinba­rung Kurzarbeit wurden uns 85 Anhörungen zur Kündigung von Mitarbeiter*innen zugestellt. Entweder wir akzeptieren die Bedingungen der Unternehmensseite oder es würden alternativ fristlose Kündigungen ausgesprochen.“ 

Betriebsrat setzt Rechte gerichtlich durch

Diese Erpressung durch die Piepenbrock Geschäftsführung war natürlich weder rechtens, noch durch den Betriebsrat hinnehmbar. Die Beendigung der bereits angelaufenen Umsetzung der angedrohten Kündigungswelle und sein Recht auf Mitbestimmung konnte der Piepenbrock-Betriebsrat gerichtlich über das Landesarbeitsgericht Berlin-Branden­burg mit einer Einstweiligen Verfügung erreichen. 

Piepenbrock lässt sich vor Gericht durch den Industriellen Arbeitgeberverband Osnabrück vertreten. Der Betriebsrat wird durch den Rechtsanwalt Torsten Müller-Brabant vertreten.

Betriebsrat und IG BAU haben die betroffenen KollegInnen zudem darüber aufgeklärt, dass die von Piepenbrock einseitig vorgenommene Einkommensreduzierung ebenfalls nicht rechtens war. Viele haben daraufhin mithilfe der IG BAU die Differenz zum üblichen Monatslohn vor dem Arbeitsgericht eingefordert.

Die Hartnäckigkeit des Betriebsrats zahlt sich aus: Das Kurzarbeitergeld wird nun, nach einer Regelung welche mit Hilfe einer Einigungsstelle zustande kam, auf 100% aufgestockt und das obwohl der Betriebsrat sich zunächst nur das Ziel gesetzt hatte das Kurzarbeitergeld auf mindestens 85% aufstocken zu lassen. 

Der Betriebsratsvorsitzende Frank H. fasst das Ergebnis treffend zusammen: „Für die Rechte der Beschäftigten zu kämpfen, lohnt sich!“

Piepenbrock 2019 am „Dirty Job Pranger“ 

Bereits 2019 hat die Gewerkschaft IG BAU die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse bei Piepenbrock durch die Veröffentlichung der dort vertraglich festgehaltenen Arbeitsbedingungen öffentlich angeprangert. 

So zeigte der Online-Pranger einen Vertrag der Firma Piepenbrock bei dem die Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge um die Hälfte reduziert sind. Urlaub soll es laut dem Vertrag zudem nur dann geben, wenn „aus betrieblichen Gründen keine Arbeit stattfinden kann“. Über die Anzahl der Urlaubstage steht nichts in dem Vertrag, dadurch reduziert sich der Urlaubsanspruch von vorher 28 auf die gesetzlich minimal festgelegten 24 Tage. 

Die Piepenbrock Service GmbH + Co. KG ist bundesweit in den Bereichen Instandhaltung, Gebäudereinigung, Facility Management und Sicherheit tätig. Dazu beschäftigt sie mehr als 27.000 Mitarbeiter an 70 Niederlassungen in ganz Deutschland. Über Tochterfirmen ist Piepenbrock zudem im Maschinenbau und der Herstellung von Reinigungs- und Pflegemitteln tätig.

Quellen: 

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Widerstand wirkt: Deliveroo-Aktie auf Talfahrt

Am 31. März 2021 begleiteten Proteste und ein Streik der Fahrer*innen den Börsengang des Essenslieferdienst Deliveroo in London. In England gelten die Rider als Selbstständige – mit allen wirtschaftlichen Nachteilen, die das mit sich bringt.

Sie fordern mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Dabei finden Sie offensichtlich Gehör – auch wenn die Verweigerung der Investoren keineswegs uneigennützig ist:

Mehrere große britische institutionelle Investoren sagten öffentlich, dass sie sich nicht an dem Börsengang beteiligen werden. Die Art und Weise, wie Deliveroo seine Lieferfahrer bezahle, die der Konzern als unabhängige Auftragnehmer einstufe, sei ein Grund zur Sorge. Sofern die Proteste und Streiks dazu führen würden, über Arbeitsgesetze den Kurieren neue Rechte zu geben, werde es schwieriger, die Gewinnschwelle zu erreichen. Deliveroo könnte dadurch weiter dauerhaft rote Zahlen schreiben. 

Die Deliveroo-Aktie schmierte direkt vom Start weg ab. Startete die Aktie am 31.03.2021 mit einem Verkaufswert von 3,41 Euro liegt sie auch jetzt nur knapp über 3 Euro (Stand 14.04.2021). Zur Ausgabe der Aktien hat Deliveroo einen Börsenwert von 8,91 Millionen Euro und das obwohl das Unternehmen im Jahr 2020 259 Millionen Euro Verluste machte. 

Zum Absturz der Deliveroo-Aktie sollen maßgeblich Proteste von Ridern beitragen haben, schreibt die Wirtschaftspresse. Diese protestierten zu mehreren hundert Fahrern vor der Firmenzentrale in London. Sie forderten dabei unter anderem mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen. Na bitte: Das sollte uns alle motivieren.

Unser Aktionstag ist Freitag der 13.

Am 13. April 2018 sind wir am Aktionstag #Freitag13 zusammen mit Gewerkschaften und Betriebsräten gegen Deliveroo vorgegangen. Kurz darauf hat das Unternehmen Deutschland fluchtartig verlassen.

Erstmals beteiligte sich mit der Riders Union in Amsterdam auch eine Gruppe außerhalb der Bundesrepublik am Aktionstag. Zudem konnten wir Kontakte zu Fahrer-Gewerkschaften und -Netzwerken nach London, Glasgow und Cardiff knüpfen. Es bewegt sich also doch etwas, wenn wir uns zusammen tun und gemeinsam aktiv werden!

Daher schon jetzt den nächsten Freitag der 13. im August 2021 rot im Kalender anstreichen!

Quellen:

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Werften als Corona-Hotspots

Seit mehr als einem Jahr wird in Politik und Wirtschaft über den notwendigen Infektionsschutz am Arbeitsplatz gestritten. Dabei haben sich Unternehmen in der Industrie, Landwirtschaft und Fleischverarbeitung immer wieder als enorme Corona-Hotspots mit mangelndem Infektionsschutz hervorgetan. Dies betrifft nun unter anderem auch die Meyer Werft in Papenburg. 

Laut dem Landkreis Emsland gab es am 24.03.2021 auf der Werft mindestens 214 Corona Fälle, 49 davon bei der Stammbelegschaft, die restlichen bei sechs Subunternehmen welche Werkvertragsarbeiter für die Werft stellen. Die Werft ist damit zu einem der größten Corona-Hotspot in Niedersachsen geworden. Ende März 2021 lag die Corona-Inzidenz in Papenburg dadurch bei über 500.

Coronatests statt Betriebspause

Eine eigentlich ab dem 29.03.2021 für zwei Wochen geplante und beschlossene Betriebspause, konnte die Meyer Werft nach Verhandlungen mit dem Landkreis Emsland abwenden. Stattdessen einigte man sich mit dem Gesundheitsamt auf deutlich mehr Tests für die Belegschaft und eine Begrenzung der eingesetzten Arbeiter. Wie viele Arbeiter nun tatsächlich zur Zeit in der Werft eingesetzt werden will das Unternehmen nicht veröffentlichen. 

Der Betriebsrat der Meyer Werft erhebt derweil schwere Vorwürfe gegen die Geschäftsführung und Behörden. Diese hätten die Arbeiter der Meyer Werft schutzlos dem Coronavirus ausgesetzt. Der Betriebsratsvorsitzende Nico B. kritisierte die Entscheidung die geplante Betriebspause zurück zu nehmen als absolut nicht nachvollziehbar. Er kritisierte dabei vor allem die Arbeits- und Lebensbedingungen der Werksvertragsarbeiter. Diese müssten zum Teil mit sechs bis zehn Personen in einer Wohnung zusammen leben, da sie deutlich schlechter verdienen als die Stammbelegschaft.

Ähnliches passierte auch auf der Lürssen Werft in Bremen. Auch hier wurden Ende März 2021 mehr als 100 Arbeiter verschiedener Subunternehmer positiv auf das Coronavirus getestet. Den Betrieb führte die Werft trotzdem weiter. 

Verdacht auf unrechtmäßige Verwendung von Werkverträgen

Für großen Streit auf der Werft sorgt auch der Umgang mit Werkverträgen. Betriebsrat und Gewerkschaft werfen der Geschäftsführung vor, Kernarbeiten über Werkverträge erledigen zu lassen, während die Stammbelegschaft in Kurzarbeit ist.

Laut dem Niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann habe er den Einsatz der Werkvertragsarbeiter überprüfen lassen. Da der Einsatz von Werkvertragsarbeitern im Schiffbau jedoch „völlig normal und üblich“ sei, ergebe sich durch die Fortführung in Zeiten des Kurzarbeitergeldes kein Verdacht auf einen Leistungsmissbrauch. Eine doch wohl eine mehr als himmelschreiende Argumentation.

Seit mehr als 200 Jahren stellt die Familien geführte Meyer Werft GmbH & Co. KG Schiffe in Papenburg und weiteren Standorten her. Geschäftsführer der Werft sind Jan Meyer, Bernard Meyer, Tim Meyer und Thomas Weigend. Die Meyer Werft gehört zur Meyer-Neptun-Gruppe mit Sitz im luxemburgischen Senningerberg. Mehr als 3.600 Mitarbeiter bauen hier Kreuzfahrtschiffe und Fähren. 

Quellen:


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