Frontberichte 14/2019: Sparkasse, Deutsche Welle, Vitos, Dirty Job Pranger

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Presseschau: Betriebsratsbehinderung und Union Busting in Deutschland

Betriebsratsmitglied setzt sich gerichtlich gegen Sparkassen-Vorstand durch. Nur wer für seine Rechte einsteht, kann auch gewinnen! Bild: Timo Esser, CC BY-SA 2.0
  • Sparkasse / Regen-Viechtach: Erfolg gegen Union Busting
  • Deutsche Welle / Bonn: Ohne Festanstellung keine Interessenvertretung
  • Vitos / Heppenheim: Abmahnung wegen Betriebsratsseminar
  • Dirty Jobs / Online Pranger im Reinigungsgewerbe

Gerichtlicher Erfolg gegen Union Busting bei der Saprkasse Regen-Viechtach

Anfang des Jahres berichteten wir über Union Busting bei der Sparkasse Regen-Viechtach (Frontberichte 01/2019). In der niederbayerischen Sparkassenfiliale versuchte der Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Regen-Viechtach Josef Wagner mit dem Arbeitsrechtsanwalt Tobias Schwartz (LKC Gruppe) die langjährige Personalratsvorsitzende Margit W. loszuwerden. Dafür brachten sie eine ganze Reihe absurder und laut Personalrat und der Gewerkschaft Verdi erfundener bzw. entstellter Aussagen und Handlung von Margit W. vor. 

Sieg auf ganzer Linie

Doch all das nützte dem Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Wagner nichts. Am 27. November trafen sich die Parteien für die Verhandlung über die Zustimmungsersetzungsklage Wagners für die außerordentliche Kündigung und den Ausschluss von Margit W. aus dem Personalrat.

Das Ergebnis der Gerichtsverhandlung war mehr als eindeutig. Die Vorsitzende Richterin Monika Schretter des Verwaltungsgerichts München sah weder die Anschuldigungen des Unternehmens belegbar, noch die vorgebrachten Gründe, selbst wenn sie belegbar gewesen wären, als ausreichend für eine außerordentliche Kündigung eines Personalratsmitglieds an. Die Sparkasse wurde vor Gericht durch die Anwesenheit des zuständigen Personalleiter Matthias Kraus repräsentiert.

Laut Gesetz hätte Margit W. für eine außerordentliche Kündigung schwerwiegende Vertragsverletzungen bzw. eine grobe Vernachlässigung oder schuldhafte Verletzung ihrer Pflichten (Art. 28 BayPVG) begehen müssen. All das sah die Richterin in diesem Fall nicht gegeben. Weder seien die vorgeworfenen Pflichtverletzungen schwer genug, noch seien diese tatsächlich zu belegen, so die Richterin. Auch eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit trotz des angespannten Verhältnisses zwischen Margit W. und der Führungsetage der Sparkasse hielt die Richterin weiter für möglich.


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Die Gewerkschaft Verdi und die zuständige Gewerkschaftssekretärin Tina Scholze gehen davon aus, dass die Sparkasse gegen die Gerichtsentscheidung in Revision gehen wird. Trotzdem wurde die Gerichtsentscheidung, welche von zahlreichen solidarischen Kolleg*innen im Saal mitverfolgt wurde als klarer Sieg gefeiert. „Die Erleichterung nach dem Urteilsspruch war sehr groß im Saal und für uns wurde an diesem Tag nicht nur Recht gesprochen, sondern auch die Gerechtigkeit hat gesiegt“, so die Gewerkschaft Verdi.

2011 stand die Sparkasse Regen-Viechtach laut Bayerwald-Boten aufgrund von Korruptionsverdacht unter erhöhter Aufmerksamkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Sparkassenaufsicht der Regierung von Niederbayern. Die Behörden konnten aber offiziell nichts finden.

Quellen:

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Scheinselbstständige ohne Interessenvertretung bei der Deutschen Welle

„Demütigungen, Einschüchterungen und Unterdrückung“, dass soll laut einem Bericht des Magazins „Menschen Machen Medien“ der Gewerkschaft Verdi das Betriebsklima beim deutschen Auslandssender Deutsche Welle (DW) beschreiben. Der von Monique Hoffmann geschriebene Bericht wirft eine ganze Reihe von Vorwürfen des staatlich finanzierten Senders, unter der Leitung des Intendanten Peter Limbourg, insbesondere im Umgang mir freien MitarbeiterInnen auf. 

Mehr Freie = weniger Interessenvertretung

Laut dem Bericht der Gewerkschaft Verdi arbeitet die überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter des Senders als sogenannte „Freie Mitarbeiter“, also als Selbstständige. Den rund 1.500 Festangestellten an den beiden Standorten des Senders in Berlin und Bonn sollen mit bis zu 4.500 freien Mitarbeitern rund drei mal so viele nicht festangestellte Mitarbeiter gegenüberstehen. 

Dies hat in vielerlei Hinsicht negative Auswirkungen. Laut Verdi sind viele der freien Mitarbeiter in den öffentlich-rechtlichen Sendern, wie auch bei der Deutschen Welle, sogenannte „arbeitnehmerähnliche Personen“ nach dem Paragraphen 12a des Tarifvertragsgesetzes (TVG). Das heißt sie sind überwiegend oder vollständig von einem Arbeitgeber wirtschaftlich abhängig und seinen Weisungen untergeben, ohne jedoch den gleichen Schutz wie ihre festangestellten KollegInnen zu genießen.

Dazu gehört nicht nur Teil der staatlichen Sozialversicherung zu sein, sondern zum Beispiel auch der Schutz einer Interessenvertretung. So kann die neunköpfige Personalvertretung der Deutschen Welle lediglich die 1.500 festangestellten KollegInnen vertreten und sich für deren Rechte stark machen. Die freien und arbeitnehmerähnlichen Mitarbeiter werden durch die Vertretung im Rahmen des Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) nicht abgedeckt. In den vergangenen Jahren haben bereits mehrere freie Mitarbeiter ihre Festanstellung durch gerichtlich gewonnene Statusfeststellungsklagen erreicht. 

Werden Kritiker kaltgestellt?

Die Vorwürfe von Verdi gehen jedoch noch weiter. So berichtet die Gewerkschaft, dass Kritiker an dem Vorgehen und den Arbeitsbedingungen der Deutschen Welle von Vorgesetzten kaltgestellt werden würden. Dies betreffe ebenfalls vor allem die freien Mitarbeiter. Diese würden nach kritischen Äußerungen einfach keine oder deutlich weniger Aufträge bekommen und müssten dadurch um ihr lebensnotwendiges Einkommen fürchten.

Dies gelte auch im besonderen Maße für im Ausland angeworbene Mitarbeiter, welche nach Deutschland kommen, um hier im fremdsprachigen Programm der Deutschen Welle zu arbeiten. Ihre Aufenthaltsgenehmigung und die ihrer Familien ist dabei oftmals an den Arbeitsplatz gebunden. Laut Verdi hat die Deutsche Welle auch hier in verschiedenen Fällen Verträge von kritischen Mitarbeitern nicht verlängert, was eine Atmosphäre der Angst um die eigene Existenz schafft. Die Deutsche Welle tut alle dies Vorwürfe als „haltlos“ ab. Lediglich in Einzelfällen habe die Personalabteilung „arbeitsrechtliche Maßnahmen“ getroffen.

Die Deutsche Welle ist der offizielle Auslandsrundfunk Deutschlands, der weltweit in 30 verschiedenen Sprachen sendet. An den beiden Standorten des Senders in Berlin und Bonn arbeiten 1.500 Mitarbeiter. Die Deutsche Welle wird nicht aus den Rundfunkgebühren, sondern direkt aus Steuergeldern des Bundeshaushalt finanziert. Im Jahr 2018 betrug der Etat des Senders 326 Millionen Euro (DW Info). Der Bundesausschuss für Kultur und Finanzen legt das jährliche Budget aus Steuergeldern fest.

Quelle:

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Abmahnungen bei Vitos Kliniken wegen Teilnahme am Betriebsratsseminar 

Weil sie an einer Weiterbildung für Betriebsratsmitglieder teilgenommen haben, hat die Geschäftsführung der Kliniken der Vitos Heppenheim gGmbH, unter der Leitung von Ralf Schulz, zwei Betriebsratsmitglieder abgemahnt und ihnen gleichzeitig Lohn und Arbeitszeit für das Seminar abgezogen.

Teilnahme an notwendigem Seminar

In einem Video (Youtube) berichtet Daniela M., eine der beiden betroffenen Betriebsratsmitglieder, von dem ungeheuerlichen Vorgang. So beschloss der Betriebsrat die beiden Betriebsratsmitglieder Daniela M. und ihren Kollegen Oli im Sommer 2019 auf ein notwendiges dreitägiges Betriebsratsseminar zum neuen Pflegegesetz zu schicken. Geschäftsführer Scholz stellte sich gegen diesen Beschluss, da in der Vergangenheit bereits die Betriebsratsvorsitzende an dem selben Seminar teilgenommen hatte und es aus seiner Sicht ausreichen würde, wen diese die Inhalte an ihre KollegInnen weitergeben würde.

Die Betriebsratsmitglieder ließen sich von diesen Aussagen nicht beirren und nahmen an dem Seminar teil. Kurze Zeit später drohte die Personalleitung ihnen wegen der Teilnahme mit der Einleitung eines ominösen Disziplinarverfahren, welches arbeitsrechtlich weder vorgesehen noch geregelt ist. Aus diesem Verfahren wurde dann auch nichts, stattdessen bekamen die beiden Betriebsratsmitglieder eine schriftliche Abmahnung mit der Aufforderung sich zu entschuldigen, eine Entgeltkürzung und einen Abzug ihrer gearbeiteten Stunden. Relativ schnell musste die Geschäftsführung jedoch zurück rudern und zumindest die abgezogenen Stunden wieder zurück geben. 

Armin Loew, Gewerkschaftssekretär bei Verdi (Südhessen), beurteilt den gesamten Vorgang als eine „Riesenschweinerei“. Die Geschäftsführung versuche hier, die gesetzlich geregelte Machtverteilung zu verändern: „Der Arbeitgeber hat nicht über Beschlüsse des Betriebsrats zu entscheiden, sondern ein Gericht.“

Gerichtsverfahren und Solidarität

Tatsächlich wird der Fall jetzt im kommenden Jahr vor dem Arbeitsgericht landen. Daniela M. und ihr Kollege wollen gegen die ungerechtfertigte Abmahnung und die Entgeltkürzung vorgehen. Am liebsten würden sie zudem eine Entschuldigung der Geschäftsführung für ihren Angriff auf den Betriebsrat sehen. 

In verschiedenen Solidaritätsaktionen drehten die Betroffenen und KollegInnen unter anderem ein Video und mehr als 800 Mitarbeiter der Vitos GmbH unterzeichneten eine Solidaritätsbotschaft. Mit diesen Voraussetzungen gehen die beiden Betriebsratsmitglieder gestärkt in die gerichtliche Auseinandersetzung im kommenden Jahr.

Die Vitos Heppenheim gGmbH betreibt Ambulanzen in Heppenheim, Bensheim, Darmstadt und Lampertheim, sowie noch jeweils in Bensheim und Lampertheim eine Tagesklinik. Die gemeinnützige GmbH gehört dabei zur Vitos GmbH welche als Holding für zwölf gemeinnützige Unternehmen fungiert. Alleingesellschafter der Holding ist der Landeswohlfahrtsverband Hessen. Bei der Holding arbeiten rund 9.700 Mitarbeiter an 60 Standorten in Hessen.

Quellen:

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Dirty Job Pranger im Reinigungsgewerbe

Seit Anfang Oktober 2019 steht er online, der „Dirty-Job-Pranger“ der Gewerkschaft IG Bau. Mit dem Online-Pranger will die Gewerkschaft „Drückerei bei Lohn und Urlaub“ öffentlich machen. Dazu sollen die Namen der beteiligten Firmen und ihre Machenschaften aus der Anonymität ins Licht gezerrt werden.

Konkretes Ziel der Kampagne sei es „schwarze Schafe der Branche“ sichtbar zu machen. „Unternehmen, die ihre Reinigungskräfte durch geänderte Arbeitsverträge schröpfen, dürfen auf dem Markt keine Chance mehr haben“, sagt Ulrike Laux, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft (Welt, 07.10.2019). 

Bisher hat sich die Gewerkschaft zwei Reinigungsfirmen und ihre Arbeitsverträge vorgenommen. Getroffen hat es die Firmen Piepenbrock Service GmbH + Co. KG und Lieblang Cosmos GmbH.

Arbeiten zu schlechteren Bedingungen

Die Gewerkschaft wirft den beiden Firmen vor, nach der Kündigung des für die Gebäudereiniger allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrags Ende Juli durch die Änderung von Arbeitsverträgen Reinigungskräfte zu deutlich schlechteren Konditionen zu beschäftigen. So würden die Unternehmen zwar die gesetzlichen Regelungen, nicht aber die zuvor geltenden tarifrechtlichen Regelungen einhalten. 

So zeigt der Online-Pranger zum Beispiel einen Vertrag der Firma Piepenbrock bei dem die Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge um die Hälfte reduziert sind. Urlaub soll es laut dem Vertrag zudem nur dann geben, wenn „aus betrieblichen Gründen keine Arbeit stattfinden kann“. Über die Anzahl der Urlaubstage steht nichts in dem Vertrag, dadurch reduziert sich der Urlaubsanspruch von vorher 28 auf die gesetzlich minimal festgelegten 24 Tage. 

Nach sechs Verhandlungsrunden haben sich die IG Bau und der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks in der Nacht zum 18. Oktober 2019 auf einen neuen Rahmentarifvertrag für die 650.000 Gebäudereiniger geeinigt. Zahlreiche Warnstreiks begleiteten die Verhandlungen. Im kommenden Jahr strebt die IG Bau die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit des Rahmentarifvertrages an, damit dieser auch tatsächlich für alle Gebäudereiniger gültig ist. Der neue Tarifvertrag sieht unter anderem höhere Zuschläge und mehr Urlaubstage vor.

Quellen:


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