Frontberichte 02/14

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Arbeitsunrecht & Betriebsrat-Bashing in Deutschland| Presseschau vom 22.02. – 28.02.2014

Spedition Verhoek /Herne, Castrop Rauxel: Stellen von Gekündigten werden neu besetzt + + Kärcher/Winnenden: Nächste Runde vor dem Landesarbeitsgericht + + Daimler-Benz/ Stuttgart-Untertürkheim: Klage gegen Under-Cover-Reportage des SWR zu Werkverträgen.

Spedition Verhoek: Konkurrenz ausgeschaltet und billigere Arbeitnehmer gesucht?

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Das glänzende Bild der Luxusmarke Mercedes-Benz bekommt Kratzer. Daimler will kritische SWR-Reportage über Werkverträge und Lohndumping verbieten (siehe unten).

Bei der niederländischen Spedition Verhoek, in Deutschland mit bisher sechs Standorten vertreten, sind an den Standorten Herne und Castrop 90 Mitarbeiter, Lageristen, Disponenten und Fahrer, gekündigt worden. Den Standort in Herne hatte Verhoek erst zum 01.01.2013 von Linde-Deutsch-Trans, ebenfalls auf Heimtextilien spezialisiert, übernommen. Als Grund für die Kündigungen wurde der Verlust einen Großkunden genannt. Laut Niederlassungsleiter Ralf Schlegel ein Verlust, der nicht auszugleichen sei. Seltsam jedoch, dass schon eine Woche nach den erfolgten Kündigungen Stellen für den Standort ausgeschrieben waren: gesucht wurden Lageristen, Kraftfahrer und Disponenten. Einem ehemals Beschäftigten soll sogar einen neuer Vertrag angeboten worden sein. Allerdings zu schlechteren Konditionen, so eine Kraftfahrer in den Ruhr Nachrichten. Die WAZ schreibt, dass man in Unternehmerkreisen vermutet, dass schon die Übernahme der Linde-Deutsch-Trans nur dazu gedient habe, einen Konkurrenten vom Markt zu drängen. Die Geschäftsführung in Genemuiden ist zu keiner Stellungnahme bereit. Rund 30 ehemalige Beschäftigte haben sich den Beistand von Rechtsanwalt Oliver Fricke aus Bochum gesichert.

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Kärcher, Winnenden: Alles sauber?

Der Kärcher-Betriebsrat zog die Aufmerksamkeit der IG-Metall auf sich, weil er viel zu selten Betriebsversammlungen einberief. Im Schäbischen Tagblatt hieß es vor einem Jahr, dass nur eine statt jährlich 4 Versammlungen stattgefunden hätte. Die IG Metall klagte auf Auflösung des Betriebsrats und bekam vom Stuttgarter Arbeitsgericht recht. Der Kärcher Betriebsrat ging jedoch in Berufung, so dass sich nun das Landesarbeitsgericht mit der Frage befassen, muss, ob ein Betriebsrat, der seinen Pflichten nicht nach kommt, im Amt bleiben darf. Im Focus vom 10.02.2013 beschwören Kärcher und Betriebsrat die gute Stimmung, die kommunikative Haltung des Betriebsrats und beteuern, dass sich bei Kärcher noch niemand beschwert habe. Das kann eigentlich nur bedeuten, dass die Zusammenarbeit von Geschäftsführung und Betriebsrat besser läuft, als es sich die Angestellten wünschen können, denn Kärcher ist nicht in der Tarifbindung und zahlte laut dem Focus-Artikel vom Februar letzten Jahres rund 20% weniger als die Konkurrenz Stihl und Bosch, während gleichzeitig , Focus vom 27.09.2013, Rekordumsätze erwirtschaftet werden.


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Quelle: Focus

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Werkverträge + Leiharbeit: Daimler-Benz geht gegen Undercover-Reportage vor

Am 13. Mai 2013 strahlte die ARD eine 44-minütige Reportage aus, die sich mit dem Schicksal von Werkvertragsarbeitern bei Daimler-Benz in Deutschland beschäftigt: „Hungerlohn am Fließband – Wie Tarife ausgehebelt werden“ (siehe Website ARD). Die ARD-Reportage „“Hungerlohn am Fließband“ ist inzwischen aus der ARD-mediathek verschwunden; sie ist aber noch auf youtube zu finden. Darin wird massives Lohndumping berichtet; manche Praktiken bei Mercedes-Benz werden in dem Film als illegal bewertet.

Der SWR-Reporter Jürgen Rose hatte für den Mercedes-Zulieferer Prymesser zwei Wochen in Stuttgart-Untertürkheim gearbeitet und gefilmt. Die Logistikfirma aus Neutraubling liefert Teile für die Motorenfertigung direkt an die Produktionsbänder von Mercedes-Benz. Neben einer Stammbelegschaft beschäftigt Preymesser bis zu 50 Prozent Leiharbeiter.

Die Reportage, die viel undercover gedrehtes Material enthält, trug dazu bei, das Phänomen der Werkverträge in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Mit Hilfe von teilweise konstruierten „Werkverträgen“ werden nicht nur Equal-Pay-Regelungen zur Zeitarbeit unterlaufen, sondern offenbar auch weiteres Lohn-Dumping betrieben. (Entworfen wurde die Methode unter anderem vom Münchner Institut ZAAR.)

Wie die Stuttgarter Zeitung schreibt, schlägt Daimler-Benz jetzt massiv zurück. Der Konzern hat gegen den SWR vor dem Landgericht Stuttgart Unterlassungsklage erhoben:

Eine Viertelmillion Euro soll der SWR als Ordnungsgeld zahlen, wenn er die von Rose gedrehten Bilder noch einmal zeigt. Ersatzweise sei Ordnungshaft zu verhängen, „zu vollziehen an dem Intendanten“, also Peter Boudgoust. So fordert es der Autokonzern, vertreten durch den Vorstandschef Dieter Zetsche, in einer beim Landgericht Stuttgart eingereichten Klageschrift.

Die Zeitung berichtet von einer bekannten Berliner Kanzlei, die für Daimler-Benz tätig geworden sein soll. Das Recht, ungefragt und undercover Aufnahmen zu machen, hatte der Kölner Enthüllungsjournalist Günther Wallraff in Deutschland gerichtlich durch gesetzt. Es soll nun offenbar erneut angegriffen werden. Wir drücken dem SWR die Daumen und hoffen, dass der Sender standhaft bleibt.

Kurz nach der Ausstrahlung der Sendung erging übrigens Anzeige gegen Daimler-Benz und Prymesser wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung, wie das Handelsblatt im Mai 2013 berichtete.


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