Frontberichte 07/2020: Sparda Bank, Friseur Klier, Burger King, Simon & Focken

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Presseschau: Betriebsratsbehinderung und Union Busting in Deutschland

Foto: Verdi – https://tarifkommtvonaktiv.com/
  • Sparda Bank / Hannover: Auf Telefonkonferenz folgt Kündigungsversuch
  • Friseur Klier / Hamburg: Kündigungsversuche nach Gesamtbetriebsratsgründung
  • Burger King / Dortmund: Filialschließung zur Verhinderung von Betriebsratsarbeit
  • Simon & Focken / Hamm: Firmenpatriarch will Betriebsrat loswerden

Union Busting bei der Sparda Bank Hannover

Die Sparda-Bank Hannover eG geht in mehreren Fällen massiv gegen Betriebsratsmitglieder uns Gewerkschafter vor. Federführend bei den Union Busting-Maßnahmen sollen laut der Gewerkschaft Verdi der Vorsitzende der Sparda-Bank Hannover André-Christian Rump und der Vertriebsvorstand Jochen Ramakers sein. Mit absurden Vorwürfen fahren sie seit Ende letzten Jahres schwerste juristische Geschütze gegen Gewerkschafter und aktive Betriebsratsmitglieder auf.

Betriebsratsarbeit = Spionage?

Tatsächlich wirft die Geschäftsführung der Sparda Bank dem Betriebsratsvorsitzenden der Bielefelder Filiale und gleichzeitigen stellvertretenden Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats Detlev H. vor Mitarbeiter und Führungskräfte der Bank ausspioniert zu haben. Was sich wie eine Szene in einem Hollywood-Film anhört, ist bei genauerem Hinsehen doch vollkommen unspektakulär. 

Wie bei der Sparda-Bank üblich hat Detlev H. in seiner Funktion als Betriebsratsmitglied an einer telefonischen Besprechung mehrere Teams verschiedener Filialen teilgenommen. Dazu befand er sich mit verschiedenen MitarbeiterInnen in einem Konferenzraum. Da er leicht verspätet den Raum betrat meldete er sich nicht namentlich in der Telefonkonferenz an. Dies sei auch grundsätzlich nicht üblich, lediglich die Filialen melden sich einzeln an. Eine Kollegin hatte Detlev H. zu der Konferenz dazu gebeten, da es Konflikte mit der Geschäftsführung um Urlaubs- und Vertretungsregelungen gab. Außer Detlev H. nahm zudem ein weiteres Betriebsratsmitglied an der Telefonkonferenz teil.

Rund zwei Wochen später folgte dann am 19.12.2019 die fristlose Kündigung gegen Detlev H. und einen weiteren Gewerkschafter, welcher selbst nicht Teil des Betriebsrates ist. Als Grund nennt die Geschäftsführung „einen schwerwiegenden Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte unserer Mitarbeiter“. 


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Während der ebenfalls gekündigte Gewerkschafter sich vor dem Arbeitsgericht mit der Geschäftsleitung auf einen finanziellen Vergleich für sein Ausscheiden aus dem Unternehmen einigte, kämpft Detlev H. weiter um seinen Arbeitsplatz. Da der Betriebsrat seiner Kündigung nicht zustimmte hat die Geschäftsführung ein Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht angestrengt. 

Am 25. Juni soll es zu einem ersten Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Hannover kommen. Der Rechtsanwalt Carsten Lienau vertritt den Betriebsratsvorsitzenden vor Gericht juristisch. Die Sparda-Bank lässt sich durch die Kanzlei Adiuro vertreten. Besonders verwerflich ist, dass diese Kanzlei sich am Union Busting beteiligt und ihre Dienste ebenfalls für Betriebsräte anbietet. 

Zur Unterstützung von Detlev H. hat Verdi eine Petition unter dem Slogan „Detlev bleibt – denn gemeint sind wir alle!“ gestartet. Innerhalb weniger Wochen haben hier mehrere Tausend Menschen unterschrieben. 

Starke gewerkschaftliche Organisierung als eigentlicher Kündigungsgrund?

Die Gewerkschaft Verdi vermutet unterdessen dass nicht die Teilnahme von Detlev H. an der Telefonkonferenz der eigentliche Grund für die versuchte Kündigung ist, sondern sein Engagement für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. So sei er federführend an den Tarifauseinandersetzungen und Arbeitskampfmaßnahmen in den vergangenen Jahren beteiligt gewesen. Dies dürfte der Geschäftsführung ein Dorn im Auge gewesen sein. 

Die Sparda-Bank Hannover eG  gehört zu den wenigen gewerkschaftlich gut organisierten Genossenschaftsbanken und zu den wenigen Banken des Genossenschaftssektors, in denen Verdi aktuell noch einen Tarifvertrag durchsetzen konnte.

Sie ist eine von insgesamt zwölf Sparda-Banken in Deutschland. Sie hat Zweigstellen in den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bremen. Ihre Bilanzsumme liegt bei über fünf Milliarden Euro, womit sie zu den größten Genossenschaftsbanken in Norddeutschland gehört. Die Sparda-Bank Hannover beschäftigt rund 430 Mitarbeiter.

Quellen:

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Friseurkette Klier kündigt kompletten Betriebsrat

Seit Jahren versucht das patriarchal geführte Familienunternehmen Klier Hair Group GmbH die Gründung und die Arbeit von Betriebsräten zu verhindern. Das Unternehmen gehört in der dritten Generation heute den Enkelkindern der Gründer. Die Geschäftsführung besteht aus Michael und Robert Klier, sowie Jens Waldau.

Die Familie Klier scheint ein besonderes Problem mit Arbeiterrechten und ihrer Durchsetzung durch einen Betriebsrat zu haben. Seit Jahren versucht die Geschäftsführung die Gründung von Betriebsräten zu verhindern und den existierenden Betriebsräten das Leben schwer zu machen. 

Nun geht die Geschäftsführung einen Schritt weiter und hat Anfang des Jahres 2020 gleich den gesamten Betriebsrat der Region Hamburg/Schleswig-Holstein entlassen. Diesen gründeten die Beschäftigten 2013 gegen den energischen Widerstand der Geschäftsführung und nach mehreren erfolgreich geführten Gerichtsverfahren. Der Betriebsrat vertritt die Interessen von rund 110 Beschäftigten in 17 Salons in Hamburg und Schleswig-Holstein.

Offizieller Kündigungsgrund: Arbeitszeitbetrug

Als offizieller Kündigungsgrund für die von Klier angestrebten außerordentlichen Kündigungen der sechs Betriebsratmitglieder muss nun ein angeblicher Arbeitszeitbetrug herhalten. Die Geschäftsführung wirft den Betriebsratsmitgliedern vor, dass sie ihre Betriebsratsarbeit falsch abgerechnet hätten. Dies soll aus der systematischen Auswertung von Parktickets und Fahrscheinen der Betriebsratsmitglieder hervorgehen, welche die Klier Geschäftsführung in Auftrag gegeben hatte. 

Konkret beanstandet Klier dass die Betriebsratsmitglieder ihre Sitzungen mit jeweils acht Stunden Arbeitszeit abrechneten, auch wenn diese Sitzungen zum Teil früher endeten. Die angegebene Arbeitszeit rechtfertigt Sandra W., eine der betroffenen Betriebsratsmitgliedern, mit dem über die Sitzungen hinausgehenden Arbeitsaufwand: „Betriebsrat besteht ja nicht nur aus Sitzungen, sondern muss vor- und nachbereitet werden. Und wir führen natürlich auch Gespräche mit den Beschäftigten in den Salons.“

Laut dem Betriebsrat billigt Klier die Abrechnungen seit sieben Jahren so. Nun soll genau dies als Kündigungsgrund herhalten. Die Geschäftsführung kündigte einem Betriebsratsmitglied obwohl sie zur Zeit schwanger ist.

Zunächst versuchte Klier drei der Betriebsratsmitglieder fristlos zu entlassen und sofort ohne Bezahlung von der Arbeit freizustellen. Noch bevor das Arbeitsgericht Hamburg dieses Vorgehen sanktionieren konnte, machte Klier jedoch einen Rückzieher und strebt nun gegen die sechs Betriebsratsmitglieder Zustimmungsersetzungsverfahren durch.

Ein erster Termin vor dem Arbeitsgericht Hamburg verlief am 16.06.2020 ergebnislos. In den kommenden Wochen und Monaten folgen die weiteren Verfahren. Das letzte der sechs Verfahren, in denen es jeweils um eine der Betriebsratsmitglieder geht, soll erst Ende August beginnen. Bis zum Ausgang der Verfahren gehen die sechs Friseurinnen einstweilen weiter ihrer Arbeit nach, natürlich auch im Betriebsrat.

Gründung des Gesamtbetriebsrat als Auslöser?

Laut der Gewerkschaft Verdi gehören die aktuellen Kündigungen zu einem ganzen Bündel an Maßnahmen mit denen Klier gegen Betriebsratsarbeit in den Salons vorgeht. „Auffallend ist, dass die Kündigungen erfolgten, nachdem sich ein Gesamtbetriebsrat gegründet hat“ so Gewerkschaftssekretär André Kretschmar. Die Existenz eines Gesamtbetriebsrats erleichtert die Gründung neuer Betriebsräte und ist daher der Eigentümer-Familie und der Geschäftsführung ein besonderer Dorn im Auge. 

Immer wieder versucht Klier die Gründung von Betriebsräten in seinen Salons zu unterbinden. Dazu werden etwa die Salonleitungen als leitende Angestellte eingestuft, welche nicht Wahlberechtigt wären. Hinzu kommen Schikanen wie das nicht Herausgeben von Wählerlisten. 

Die Gewerkschaft Verdi unterstützt die Klier Beschäftigten und Betriebsräte zur Zeit bei rund zwei Dutzend Arbeitsgerichtsverfahren. Darunter Verfahren um die Gründung von Betriebsräten in Hannover und Berlin. Hier wird Klier juristische von dem Münchner Anwalt Hartmut Brandt vertreten. Er wechselte vor kurzem von der Kanzlei Friedlein & Partner zu HWW Rechtsanwälte. Hartmut Brandt war bereits Teil des aggressiven Union Bustings beim Berliner Hostel Wombats (Wombat`s Hostel Berlin: Protest gegen Auslagerung zieht Kreise).

In den Kündigungsverfahren lässt sich Klier durch den Hamburger Rechtsanwalt Marc Müller von der Kanzlei Taylor Wessing vertreten. Die Kanzlei war unter anderem federführend für Streikbruch-Maßnahmen beim Hamburger Plastikbecherhersteller Neupack verantwortlich. Sie gilt als eingefleischter Union Busting-Dienstleister (Was ist das?).

Der Betriebsrat und seine einzelnen Mitglieder werden von dem Rechtsanwalt Christian Lewek von der Kanzlei Gussone Lewek Kenkel juristisch vertreten.

Die in Wolfsburg ansässige Klier Hair Group GmbH bezeichnet sich selbst als Europas größte Friseurkette. Sie betreibt in Deutschland etwa 1400 Salons mit 10.000 Beschäftigten unter anderem der Ketten Klier, Essa­nelle, Hair Express, Cosmo und Super Cut. 2018 verzeichnete Klier einen Jahresumsatz von 311,4 Millionen Euro.

Quellen:

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Burger King: Filialschließung um Betriebsrat loszuwerden 

Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Gökmen Y. bei der Systemgastronomie-Kette Burger King. Als engagierter Gewerkschafter und Betriebsratsvorsitzender ist er immer wieder Ziel zahlreicher Union-Busting Angriffe. Bereits in den Frontberichten 04/2020 berichteten wir über den 3. Versuch von Burger King den engagierten Betriebsratsvorsitzenden aus Dortmund zu kündigen. Gegen zwei vorherige Kündigungsversuche hat er sich bereits erfolgreich zur Wehr gesetzt. Verantwortlich für die Kündigung ist der Franchisenehmer, die Schloss Burger GmbH aus Hamburg.

Als Grund muss dieses Mal seine Teilnahme an einem von der Gewerkschaft NGG organisierten Warnstreik am 27.02.2020 in Dortmund herhalten, bzw. die Tatsache, dass er nach dem Verlassen der Filiale durch alle Mitarbeiter zur Streikteilnahme diese hinter sich abgeschlossen hat. Er soll damit MitarbeiterInnen zur Teilnahme am Streik genötigt haben, so die absurde Argumentation von Burger King. 

Filialschließung statt Kündigung?

Scheinbar musste nun auch Schloss Burger Geschäftsführer Denis Korabljov einsehen, dass die juristisch fragwürdigen Kündigungsversuche gegen Gökmen Y. keine Aussicht auf Erfolg haben. Um trotzdem sein Ziel zu erreichen, den engagierten Betriebsratsvorsitzenden endgültig los zu werden, will Burger King nun die beiden Dortmunder Filialen komplett schließen. Die rund 90 dort beschäftigten Kollegen werden dadurch vermutlich ihre Jobs verlieren.

Mitte April waren die Pläne für die Schließung der Filialen erstmals bekannt geworden. Die Filiale am Ostenhellweg hat mittlerweile komplett geschlossen. Wie es mit der Filiale in Dortmund-Kley aussieht ist zur Zeit unklar. Laut Informationen der Gewerkschaft NGG soll in Kley nur wenige hundert Meter vom bisherigen Standort entfernt bereits die Eröffnung einer neuen Filiale geplant sein. Eine zusätzliche Schließung der Filiale in Lünen ist derzeit vom Tisch. 

Weder Burger King, noch der Frenchisenehmer Schloss Burger haben sich bisher öffentlich zu den Schließungen und zukünftigen Plänen für Dortmund geäußert.

Laut NGG will Burger King auch in Heilbronn und Frankfurt Filialen mit Betriebsräten schließen. Die Gewerkschaft sieht hier ein gezieltes Vorgehen gegen Filialen in denen Betriebsräte existieren. 

Die Dortmunder Burger King-Filialen werden von der Schloss Burger GmbH betrieben, welche mit mehr als 110 Restaurants und 3500 Mitarbeitern der größte Burger King-Franchisenehmer in Deutschland. Im Jahr 2019 machte die GmbH einen Umsatz von 151 Millionen Euro. 

Quellen:

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Callcenter Simon & Focken kündigt gesamten Betriebsrat

„Die Welt ein klein wenig besser machen“ so das angebliche Lebensmotto von Burkhard Rieck Geschäftsführer und Inhaber der Invitel GmbH Unternehmensgruppe, zu der auch der Callcenterbetreiber Simon & Focken GmbH gehört. Dieses Motto scheint jedoch wohl kaum mehr als ein plakativer Werbespruch zu sein, schaut man sich das aktuelle Vorgehen Burkhard Riecks gegen den Betriebsrat bei Simon & Focken in Hamm an. 

Streitpunkt Sonn- und Feiertagsarbeit

Seit längerem gibt es Auseinandersetzungen zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat über den Nachteilsausgleich für KollegInnen die Sonn- und Feiertags arbeiten gehen. Eskaliert ist die Situation dann, als der Betriebsrat dem Schichtplan für Fronleichnam (11.06.2020) nicht zustimmen wollte, ohne über einen konkreten Ausgleich für die eingesetzten Mitarbeiter zu verhandeln.

„Wichtig ist uns, dass wir bei der Zustimmung von Sonn- und Feiertagsarbeit besser zweimal hinschauen, bevor wir zustimmen und zuerst fragen, welchen Nachteilsausgleich es für die Kolleginnen geben kann, die dann ja Sonntags, oder am Feiertag arbeiten müssen, wenn wir dem zustimmen“, so ein Mitglied des fünfköpfigen Betriebsrates. 

Aufgrund der Nichtzustimmung des Betriebsrates zum Schichtplan wollte die Geschäftsführung diesen ohne Zustimmung durchdrücken. Dies verhinderte der Betriebsrat durch den Gang vor das Arbeitsgericht, welche die Feiertagsarbeit durch eine einstweilige Anordnung untersagt.

Nun will die Geschäftsführung von Simon & Focken scheinbar gleich den gesamten Betriebsrat loswerden. Alle Mitglieder bekamen Mitte Juni einen Anhörungsbogen zur außerordentlichen Kündigung. Da die Betriebsratsmitglieder ihren eigenen Kündigungen nicht zustimmen, bleibt der Geschäftsführung hier nur der Weg vor das Arbeitsgericht, um diese dort ersetzen zu lassen. 

Burkhard Rieck wirft dem Betriebsrat aufgrund der aktuellen Situation einen „Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit und firmenschädigen Verhalten“ vor. Neben den Entlassungen droht Rieck zudem, dass der Betriebsrat für etwaige entstehende wirtschaftliche Schäden durch seine Entscheidungen haften müsse.

Die Simon & Focken GmbH hat rund 1.300 Mitarbeiter an sieben Standorten und gehört zur Invitel GmbH. Am Hammer Standort von Simon & Focken arbeiten rund 75 Mitarbeiter. 

Quellen:

 


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