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Telepolis: 2.000 Tesla-Arbeiter & Angehörige demonstrieren für Elon Musk. Echte Solidarität oder gesteuerte PR?

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Online-Magazin berichtet über Union Busting im Tesla-Werk Grünheide bei Berlin.

Nach einem Brandanschlag auf die Stromversorgung des Tesla-Werks im brandenburgischen Grünheide, der in der Nacht des 5. März 2024 die Produktion für mehrere Tage still legte, haben am 8. März 2024 Mitarbeitende aus Solidarität mit dem US-Konzern demonstriert. Mehr als 2.000 Mitarbeiter und Familienangehörige seien dem Aufruf des Betriebsrates gefolgt, teilte Tesla-Werksleiter André Thierig mit.

Das wirkt zunächst viel und enttäuschend. Man kann es aber auch anders sehen. gemessen an der Gesamtzahl von 12.000 beschäftigten, sind das nur etwa 15% der Belegschaft, wenn wir Familienangehörige abziehen. Der Druck auf die Belegschaft dürfte enorm gewesen sein.

Claudia Wangerin zitiert die Aktion gegen Arbeitsunrecht in ihrer Darstellung von Betriebsratsbehinderung und Union Busting bei Tesla:

„Das inzwischen gekündigte Betriebsratsmitglied Gunnar H. hatte zunächst auf der unternehmensnahen Gigavoice-Liste kandidiert und habe als Nachrücker an fast allen Sitzungen teilgenommen, weil meistens jemand fehlte.

Nachdem seine Mitgliedschaft in der IG Metall bekannt geworden sei, habe das Management ihn zunehmend unter Druck gesetzt, berichtete der gemeinnützige Verein „Aktion gegen Arbeitsunrecht“ vergangene Woche.“

„Laut ND-Bericht erhielt Gunnar H. [ein BR-Mitglied, das in der IG Metall organisiert war | Anm. der Red.] sechs Abmahnungen auf einmal. Eine Zeit lang konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Fabrik. Nachdem er für eine Betriebsratssitzung wieder ins Werk gekommen sei, habe er die außerordentliche Kündigung erhalten.

Dass er sich, derart unter Druck gesetzt, im Dezember 2023 für einen Vergleich inklusive Schweigeklausel entschieden hatte, wertet die „Aktion gegen Arbeitsunrecht“ als „Sieg auf ganzer Linie für die Union Buster und ein verheerendes Signal an die gewerkschaftlich aktiven Kolleginnen und Kollegen bei Tesla.“


Quelle

Clauda Wangerin: Tesla-Mitarbeiter demonstrieren nach Anschlag – echter Zusammenhalt oder PR-Stunt?, telepolis, 10.3.2024, https://www.telepolis.de/features/Tesla-Mitarbeiter-demonstrieren-nach-Anschlag-echter-Zusammenhalt-oder-PR-Stunt-9650732.html


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Union Busting News 4/24: Lidl, Vivantes, Tesla, Schwarzarbeit am Bau, NGG und Schweizer Renten

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Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.

  • Lidl / Union Busting im Lager Herne
  • Vivantes / Betriebsrat verteidigt Compliance-Abteilung gegen Geschäftsführung
  • Tesla / Betriebsrat stimmt Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes zu
  • Schweizer Renten / Abstimmung für 13. Rente und gegen späteren Renteneintritt
  • Razzien Baugewerbe /  Kettenbetrug aufgedeckt
  • Protest bei NGG / Lieken-Beschäftigte überreichen Kündigungen
  • Pflichtarbeit / 80 Cent Stundenlohn für Geflüchtet im Saale-Orla-Kreis
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Union Busting im Lidl Lager Herne

Herne, Nordrhein-Westfalen: Schon drei mal versuchte das Lidl-Management dem Betriebsratsvorsitzenden im Lager Herne zu kündigen. Bislang scheiterte jeder der Kündigungsversuche. Das berichtet Webseite Workwatch. 1 Im Hintergrund geht es unter anderem um eine bessere Eingruppierung der Angestellten, transparente Verteilung von Überstunden, beschäftigtenfreundliche Schichteinteilungen und den Umzug in ein neues Verteil-Lager. Der Betriebsrat fordert, dass hierbei die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt werden.

39 Lidl-Lager versorgen in Deutschland mehr als 3000 Lidl-Filialen. Nur in 4 der 39 Lidl-Lagern gibt es einen Betriebsrat. In den 3000 Filialen dagegen soll es laut dem Bericht keinen einzigen Betriebsrat geben. Insgesamt arbeiten in Deutschland rund 100.000 Menschen in diesen demokratiefreien Zonen von Lidl.

Der seit 2022 in Herne eingesetzte Geschäftsführer Abdelaziz Bouchkhachakh hatte laut workwatch vor seinem Einsatz in Herne in einem Lidl-Lager in Kamp-Lintfort gearbeitet. Der zunächst existierende Betriebsrat in Lager Kamp-Lintfort wurde allerdings aufgelöst. Danach wechselte Bouchkhachakh nach Herne.

Unser Beobachtung nach ist es im Union Busting durchaus üblich, dass besonders willige Demokratiegegner an verschiedenen Standorten eingesetzt werden, um gegen aktive Betriebsräte und Betriebsratsmitglieder vorzugehen.

Vivantes: Betriebsrat verteidigt Compliance-Abteilung gegen Geschäftsführung

Berlin: Der Vivantes -Betriebsrat verschickte Mitte Februar 2024 ein Schreiben an alle 18.000 Beschäftigten des Klinikbetreibers. Darin berichtet der Betriebsrat, dass ihm mehrere Beschwerden aus dem Compliance-Team vorliegen. Mitarbeitende der Compliance-Abteilung werden demnach von der Geschäftsführung bei ihrer Arbeit behindert. Darüber berichtet der rbb. 2

Die Compliance-Abteilung soll Missstände aufklären, bei denen Unternehmensregeln nicht eingehalten wurden. Solche Vorgänge könnte es bei Vivantes durchaus geben. Dabei geht es unter anderem um die Vergabe von Bauaufträgen. Es steht aber auch im Raum, dass Dienstpläne nachträglich manipuliert wurden, um mehr Personal vorzutäuschen, als tatsächlich auf den Stationen gearbeitet hat. Damit könnten beispielsweise Stationsschließungen verhindert worden sein.

Statt bei der Aufklärung zu unterstützen, sollen die Vivantes-Geschäftsführung und ein Ressortleiter gegenüber Mitarbeitenden der Compliance-Abteilung beleidigend aufgetreten sein. An- und Nachfragen würden sogar gänzlich ignoriert. Die Geschäftsführung verbaue dem Compliance-Team zunehmend die Arbeitsgrundlagen. Sogar von „verbalen Angriffen auf die Kolleginnen und Kollegen der Compliance-Abteilung“ ist die Rede.

Dazu der Betriebsrat in dem Rundschreiben: „Wir fragen uns auch, ob eine unabhängige und funktionierende Compliance überhaupt gewollt ist“. Der Betriebsrat befürchtet, dass die Compliance-Abteilung nur auf dem Papier bestehen soll.

Eine kürzlich in der Probezeit gekündigte Mitarbeiterin der Compliance-Abteilung hat indes beim Betriebsrat eine Beschwerde gegen ihre Kündigung eingereicht. In einer mündlichen Begründung der Kündigung hieß zunächst, dass ihr Lebenslauf nicht zur Neuausrichtung der Abteilung passe. Später lautete die schriftliche Begründung, sie habe die Erwartungen nicht erfüllt. Von ihren Vorgesetzten in der Compliance-Abteilung hatte sie allerdings positive Rückmeldungen erhalten.

Ihre Kündigung sei ein schlechtes Signal an alle Hinweisgeber*innen im Unternehmen, sagt die Gekündigte.

Tesla: Betriebsrat stimmte Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes zu

Grünheide, Brandenburg: Der unternehmensnahe Betriebsrat im Tesla-Werk in Grünheide stimmte der Kündigung des Betriebsratsmitgliedes Gunnar zu. Darüber berichtet die Tageszeitung neues deutschland.3

Eigentlich ist das ein ungeheuerlicher Vorgang, denn aktive und selbstbewusste Betriebsräte stimmen selbstverständlich niemals einer Kündigung zu. Bei Tesla liegt der Fall anders. Denn Führungskräfte initiierten im Februar 2022 im Brandenburger Werk eine Betriebsratswahl. Da hatte der produzierende Anteil der Belegschaft die Arbeit noch gar nicht aufgenommen. Es gewann erwartungsgemäß eine unternehmensnahe Liste, auf der auch der gekündigte Gunnar kandidiert hatte.

Nachdem seine Mitgliedschaft in der IG Metall bekannt wurde, setzte das Management Gunnar zunehmend unter Druck. Ein IG-Metall-Funktionär schildert im »nd« die Kultur im Betriebsrat als sehr hierarchisch und intransparent den Mitgliedern gegenüber. Wichtige Dokumente habe der Betriebsrat nicht Allen zugänglich gemacht.

Gunnar hat sich im Dezember 2023 allerdings für einen Vergleich inklusive Schweigeklausel entschieden. Ein Sieg auf ganzer Linie für die Union Buster und ein verheerendes Signal an die gewerkschaftlich aktiven Kolleginnen und Kollegen bei Tesla.

Die Belegschaft könnte den unternehmensnahen Betriebsrat allerdings bald abwählen. Denn die nächste Betriebsratswahl bei Tesla steht unmittelbar bevor. Allerdings wollte der Wahlvorstand hier vielleicht tricksen. Nach dem Produktionsstopp bis einschließlich 11. Februar 2024 hätten Kandidatinnen und Kandidaten nur vier Tage Zeit gehabt, um einen Wahlvorschlag zu erstellen und Unterschriften zu sammeln. Die IG Metall konnte diesen Plan des Wahlvorstands am Arbeitsgericht Frankfurt Oder jedoch per einstweiliger Verfügung stoppen. 4 5

Der Grund für den Produktionsstopp im Februar 2024 waren Angriffe der jemenitischen Huthis auf Container-Schiffe im Roten Meer. Sie hatten damit einen Liefer-Engpass verursacht.

Aktuell gibt es seit dem Morgen des 05. März 2024 erneut einen Produktionsstopp bei Tesla in Grünheide. Grund ist ein Anschlag auf die Stromversorgung des Werks. Es liegt ein Bekennerschreiben der Vulkangruppe Tesla Abschalten! vor, das auf der Seite de.indymedia.org veröffentlicht wurde.5.1 Die Vulkangruppe bezieht sich in ihrem Schreiben ausdrücklich auch auf die schlechten Arbeitsbedingungen, Arbeitsunfälle und Behinderung der Betriebsratsarbeit im Tesla-Werk Grünheide. Der Produktionsstopp bei Tesla wird laut Geschäftsführung mehrere Tage dauern.6

Schweizer Renten jetzt mit Inflationsausgleich

Schweiz: Die Schweizerinnen und Schweizer stimmten Anfang März 2024 über gleich zwei Rentenfragen ab:

1. Sollten Rentnerinnen und Rentner eine 13. Rente erhalten?

2. Sollten Schweizer Lohnabhängige später Rente in gehen?

Die 13. Rente sollte inflationsbedingte Verluste ausgleichen. Über 58% der Schweizer Stimmberechtigten stimmten für die 13. Rente. In den französisch- und italienischsprachigen Regionen der Schweiz lag die Zustimmung sogar bei mehr als 70, zum Teil mehr als 80 Prozent. Darüber berichtet die Tagesschau.7

Die sogenannte AHV-Rente – die erste Säule der Altersversorgung in der Schweiz wird nach dem Wahlergebnis auf einen Schlag um 8,3 Prozent erhöht. Die AHV-Rente ist eine Art Grundrente für Alle von derzeit maximal 2.450 Franken. Alle in der Schweiz Erwerbstätigen zahlen hier ein. Anders als in Deutschland zahlen auch die Beamten in die Rentenkasse. Das ordentliche Renteneintrittsalter, wie es in der Schweiz heißt, liegt bei 65 Jahren.

Die Sensation liegt in folgendem Punkt: Bislang konnten die Schweizer Wirtschaftsverbände Abstimmungen zum Ausbau des Sozialstaates immer kontern. Mantramäßig hatten die Wirtschaftsverbände zu diesem Zweck das Kosten-Argument penetriert. Das positive Abstimmungsergebnis wird deshalb als Zeitenwende begriffen.

Schweizer Jungliberale hatten dagegen vorgeschlagen nicht die Rente, sondern das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Diesen Vorschlag schmetterten die Schweizerinnen und Schweizer mit 75 Prozent „Nein“-Stimmen ab.

Der Politikwissenschaftler Urs Bieri hat eine Vermutung, was die Abstimmung beeinflusst haben könnte: die Schweizerinnen und Schweizer erlebten 2023 , wie schnell die Schweiz der Skandalbank Credit Suisse mit milliardenschweren Garantien zur Seite stand. Uns würde das freuen. Denn auch in Deutschland sind Gelder ja durchaus vorhanden. Sie werden jedoch nicht ausreichend in Belange der Bevölkerung und soziale Absicherung investiert.

Razzien Baugewerbe: Kettenbetrug aufgedeckt

Deutschland: Bei Razzien gegen Schwarzarbeit in der Baubranche in mehreren Bundesländern kam es Ende Januar 2024 zu Festnahmen. Mehr als 800 Einsatzkräfte hatten zeitgleich 90 Wohn- und Geschäftsräume in Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen durchsucht. Darüber berichtet die Webseite der Tagesschau.8

Nach Angaben des Hauptzollamtes in Gießen wurde unter anderem in Mainz die Wohnung und die Baufirma eines 57-jährigen Mannes durchsucht. Bei der Razzia seien zahlreiche Beweismittel sichergestellt worden, darunter Computer und Mobiltelefone, 70.000 Euro Bargeld, mehrere Waffen sowie drei Fahrzeuge im Gesamtwert von rund 100.000 Euro. Die Beamten nahmen den Mann und neun weitere Personen fest. Im Fokus stehen außerdem 34 weitere Personen, gegen die ermittelt wird.

Die Tätergruppen sollen in ein Kettenbetrugsgeflecht aus mehreren Firmen miteinander verstrickt gewesen sein. Bei einem Kettenbetrug wird Schwarzgeld generiert. Das funktioniert über vorgetäuschte Zahlungen von Scheinrechnungen über nicht erbrachte Bauleistungen. Mit dem Schwarzgeld bezahlen die Kriminellen dann Schwarzarbeiter und erwirtschaften natürlich Gewinne. Der Schaden durch Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug soll in diesem Fall über 10,4 Millionen Euro betragen.

NGG: Protest von Lieken-Angestellten

Dortmund: Am Freitag, dem 1. März 2024 protestierten Beschäftigte des Brotherstellers Lieken vom Standort Lünen bei der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten. Darüber berichtet der WDR.9

Die Lieken Beschäftigten und nun teil ehemaligen Gewerkschaftsmitglieder üben scharfe Kritik an der NGG. Sie kritisieren die schlechte Erreichbarkeit von Gewerkschafts-Funktionären und den mangelnden Rückhalt. Die Solidarität empfinden sie als einseitig.

Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende wird wie folgt zitiert: Wir fühlen uns einfach nicht ernst genommen. Im Gegenteil: Wenn es der Gewerkschaft passt, dann sollen wir uns mit den Kollegen vor das Firmentor stellen und streiken. Im umgekehrten Fall, wenn wir mal was haben und Unterstützung bräuchten, kommt nichts. Oder aber, unsere Initiativen, Ideen oder Vorschläge werden torpediert.- Beim Protest überreichten die Lieken-Angestellten der NGG 55 Kündigungen.

Die NGG bestreitet die Vorwürfe und spricht von einem Machtkampf des Betriebsrats gegen die Gewerkschaft. Warum dem so sein sollte, bleibt jedoch unklar.

Pflichtarbeit für 80 Cent/Stunde

Saale-Orla-Kreis, Thüringen: Der neue Landrat des Saale-Orla-Kreises, Christian Herrgott von der CDU, will etwa 150 Geflüchtete zur Arbeit verpflichten. Die Maßnahme betrifft Menschen mit und ohne Arbeitserlaubnis, die in Sammelunterkünften untergebracht sind. Wer sich weigert die Arbeit aufzunehmen, muss mit finanziellen Sanktionen rechnen.10

4 Stunden täglich sollen die Geflüchteten für 80 Cent pro Stunde gemeinnützige Arbeit verrichten. Die Maßnahme bedeutet laut Herrgott einen hohen zusätzlichen Aufwand für die Kommunen und die Träger. Die Betroffenen müssen schließlich zu ihren Einsatzorten kommen und dort auch angeleitet werden. Die Thüringer Integrationsbeauftragte Mirjam Kruppa kritisiert, dass der Eindruck geschaffen werde, die Geflüchteten wollten nicht arbeiten und fordert eine grundsätzliche Abschaffung des Arbeitsverbotes. In den Gemeinschaftsunterkünften gäbe es auch jetzt schon viele Menschen, die sich freiwillig einbringen, sagte Kruppa MDR Thüringen. Womöglich gibt es auch Überschneidungen zu Arbeiten, die durch Unternehmen mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erledigt werden könnten.

Christian Herrgott ist nicht nur Landrat, sondern auch Generalsekretär der CDU in Thüringen.


Quellen

1 Workwatch: Verteilzentrum Herne: Lohnt sich Lidl?, Veröffentlichungsdatum nicht feststellbar https://www.work-watch.de/2024/01/verteilzentrum-herne-lohnt-sich-lidl/

2 Tobias Schmutzler: Betriebsrat bezweifelt Aufklärungswillen der Vivantes-Führung, 23.02.2024, https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/02/berlin-klinikkonzern-vivantes-compliance-vorwuerfe-betriebsrat.html

3 Christian Lelek: Grünheide: Tesla feuert Mitglied des Betriebsrats, neues deutschland, 04.03.2024, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1180281.union-busting-gruenheide-tesla-feuert-mitglied-des-betriebsrats.html

5 Sebastian Grüner: Wahlvorstand bei Tesla weist IG-Metall-Kritik zurück, golem, 10.02.2024, https://www.golem.de/news/betriebsratswahl-wahlvorstand-bei-tesla-weist-ig-metall-kritik-zurueck-2402-182063.html

5.1 AGUA DE PAU: Vulkangruppe Tesla abschalten! : Anschlag auf Stromversorgung, de.indymedia.org, 5.3.2024.

6 rbb: Tesla-Produktion steht tagelang still – Innenminister will Täter „jagen“, 05.03.2024, https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/03/brandenburg-oder-spree-erkner-strom-ausfall-tesla-trafo-station-brand.html

7 Kathrin Hondl: Ein klares „Ja“ zum Ausbau des Sozialstaates, Tagesschau, 03.03.2024, https://www.tagesschau.de/ausland/europa/schweiz-rentenerhoehung-100.html

8 Tagesschau: Razzia wegen Schwarzarbeit am Bau auch in RLP, 21.02.2024 https://www.tagesschau.de/inland/regional/rheinlandpfalz/swr-razzia-gegen-schwarzarbeit-am-bau-100.html

10 MDR Thüringen: 80 Cent pro Stunde: Landrat will Flüchtlinge zur Arbeit verpflichten, 27.02.2024 https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/saalfeld-rudolstadt/fluechtlinge-arbeit-landkreis-100.html

Beitragsbild von Aurelien Romain auf Unsplash


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Das Problem der DB ist ihr Management. Martin Seiler muss weg!

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Ein Kommentar zum Bahnstreik.

Ich unterstütze die GDL im Arbeitskampf gegen das DB-Management. Aus praktischen wie aus grundsätzlichen Überlegungen.

Foto Elmar Wigand, Pressesprecher der Aktion gegen Arbeitsunrecht.
Elmar Wigand ist Pressesprecher der Aktion gegen Arbeitsunrecht.

Die Kernforderung der GDL ist für alle Lohnabhängigen nachvollziehbar: Eine Reduzierung der Arbeitsbelastung für Schichtarbeiter*innen auf 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich. Dazu eine 5-Tage-Woche statt bisher 6-Tagen.

Was soll an der 35-Stunden-Woche schlecht sein?

Gibt es Schichtarbeiter*innen in Deutschland die dagegen wären? Bei der Feuerwehr? Bei den Berliner Bäderbetrieben, im Duisburger ThyssenKrupp-Stahlwerk, bei Daimler am Fließband, im Altenheim oder im Rettungswagen?

Solidarität mit der GDL! Das obern stehende Bild kann zur freien unkommerziellen Verwendung auf social media verwendet werden. Lizenz

Gibt es unter Arbeitsmedizinern oder Industriesoziologen dazu geteilte Meinungen?

Schichtarbeit ist eine enorme Belastung für Körper und Seele. Schichtarbeit zerstört das soziale Umfeld der Arbeiter*innen. Deshalb sollte Schichtarbeit die Ausnahme sein, nicht die Regel. Deshalb muss Schichtarbeit wesentlich höher bewertet werden als bisher üblich.

Es gibt einen unauflösbaren Interessengegensatz zwischen Arbeit und Kapital, der manchmal auch mit harten Bandagen ausgefochten werden muss. Wenn wir genau hingucken, existiert dieser Gegensatz im gegenwärtigen Konflikt um die 35-Stunden-Woche nicht einmal.

Der Bahn laufen die Leute weg

Es fehlt der Bahn an Fachkräften — also an Leuten, die echte Arbeit vollbringen und den Laden am Laufen halten — während das Top-Management vermutlich keine Nachwuchssorgen kennt. Wer will nicht gern für 216.000 Euro im Jahr am Konferenztisch Kaffee trinken und bei redundanten Power-Point-Präsentationen gemütlich wegdösen?

Auf der anderen Seite wissen die Lokführer und andere hart arbeitende Menschen bei der Bahn, was sie können und was sie wert sind. Sie wechseln zu Unternehmen, in denen sie besser behandelt werden. So wirbt der Regionalbahn-Betreiber National Express im Ruhrgebiet derzeit offensiv mit einem GDL-Tarif um Mitarbeiter.1

Job attraktiv machen, statt Beschäftigte auszupressen!

Ein kluges Management könnte von selbst auf die Idee kommen, die Arbeit so lange immer attraktiver zu machen, bis die Leute nicht flüchten oder krank werden, sondern richtig Bock auf den Job haben.

Doch DB-Personalvorstand Martin Seiler verfolgt offenbar eine andere Strategie: Wenn das Personal knapp ist, müssen die vorhandenen Leute einfach noch effizienter und intensiver ausgepresst werden wie die Zitronen. Bis sie irgendwann leer sind. Reha und Berufsunfähigkeit zahlen dann die Sozialkassen….

Das DB-Management ist aufgebläht, unfähig, überheblich.

Entrückt von der Realität kreist das Bahn-Management in einem selbst geschaffenen Paralleluniversum aus hunderten Tochterfirmen um sich selbst.

Business Insider enthüllte am 9. März 2023, dass sich der so genannte obere Führungskreis (OFK 1) vor einem Jahr mal eben einen ordentlichen Schluck aus der Pulle genehmigt hat. 14 Prozent mehr. 216.000 Euro Grundgehalt, statt bisher 190.000 Euro. Der OFK 1 der Deutschen Bahn hat 3.000 dieser Leute.2 In ihre Taschen wandern demnach 648 Millionen Euro pro Jahr! Minimum. Hinzu kommen gerne mal 30% Aufschlag durch Boni.

Und dann noch DB-Personalvostand Martin Seiler – ein ehemaliger Verdi-Gewerkschafter, der offensichtlich als Manager der Deutschen Post von McKinsey3 zum Gewerkschaftsfresser umgepolt wurde.

Seiler und seine Leute treffen auf einen GDL-Chef Weselsky, der sie mit saftigen Worten geißelt als „Nieten in Nadelstreifen“.

Vermutlich liegt hier das Problem: Der DB-Vorstand schaltet auf stur, weil er von der GDL öffentlich bloß gestellt wird. Dabei sagt Weselsky – wenn auch manchmal etwas unhöflich – nur die Wahrheit:

Das Problem der DB ist ihr Management. Martin Seiler muss weg!


Der Kommentar erschien in leicht gekürzter Form am 6. März 2024 in der Tageszeitung nd.


Quellen / Anmerkungen

1 „Profitiere von: leistungsgerechter Bezahlung auf Basis des GDL-Tarifvertrags für z.B. betriebliches Personal“ https://job.nationalexpress.de/de/jobs , abgerufen 5.3.2023

2 Jan C. Wehmeyer: Interne Unterlagen enthüllen: Deutsche Bahn erhöht Managern das Grundgehalt um bis zu 14 Prozent und stellt das Bonusprogramm um, Business Insider, 9.3.2023, https://www.businessinsider.de/wirtschaft/deutsche-bahn-top-manager-kriegen-deutlich-mehr-grundgehalt/

3 Die Deutsche Post AG / DHL ist ein Art Kolonie der mächtigsten Beratungsfirma der Welt McKinsey & Company . Die Vorstandsvorsitzenden Tobias Meyer, Frank Appel und der vorbestrafte Klaus Zumwinkel kamen von McKinsey. Ganze Etagen des oberen und mittleren Postmanagements sollen mit Mackies befüllt sein. McKinsey wird eine sektenartige Struktur und hoch aggressive Wirtschaftsphilosophie nachgesagt. ( Constantin Gillies: Kult statt Hierarchie: Business-Sekten boomen, Handelszeitung, 21.10.2025 ) Skandalöse Fälle, in die McKinsey involviert war, finden sich z.B. hier: https://de.wikipedia.org/wiki/McKinsey_%26_Company#Kritik


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Fußball und Demokratie? Passt das zusammen?

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Oder: Kein Betriebsrat bei Hertha BSC.

Ist der DFB Teil der Lösung oder das Problem? Was hat Fußball mit der Arbeitswelt zu tun?

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Grafik "so süß wie maschinenöl" von Roy Brick
so süß wie maschinenöl… ist eine Kolumne von von Elmar Wigand für arbeitsunrecht FM und die Graswurzelrevolution Nr. 487, März 2024.  (Grafik: Roy Brick)

„Es gibt keine Neutralität mehr auf der Welt. Du musst entweder Teil der Lösung sein, oder Du wirst Teil des Problems“, soll der Informationsminister der Black Panther Party, Eldridge Cleaver, Ende der 1960er gesagt haben.12

Der Deutsche Fußball Bund (DFB) ist eher Teil des Problems. Ab Mitte Januar 2024 rollte eine Welle von Demonstrationen und Großdemonstrationen durch Deutschland, die sich gegen Rechtsextremismus und für „die Demokratie“ einsetzten.3

Der DFB wollte als größter Fußballverband der Welt und staatstragende Säule nicht abseits stehen. Oder zumindest ein bisschen auf der richtigen Seite. Man schickte die Vizepräsidentin Célia Šašić vor, die als Afrodeutsche merkwürdigerweise für Vielfalt und Toleranz zuständig ist. Wer in ihrem Statement nach dem Wort „Demokratie“ sucht, wird die alte griechische Idee dort ebenso wenig finden, wie im Leitbild des Verbandes. Warum auch? Der 1900 im Kaiserreich gegründete DFB ist schließlich 18 Jahre älter als die deutsche Demokratie und kam auch ohne sie stets gut zu Rande.

Allerdings fördere der Fußball laut DFB „Teilhabe und Zugehörigkeit„. Menschen mit „familiärer Einwanderungsgeschichte“ seien eine Bereicherung von der alle „profitieren“ könnten. „Wo andere mit populistischen Gedanken spalten, bringt der Fußball zusammen.“ Verklemmter geht es kaum. Welche anderen? Die AfD bleibt unerwähnt, Rassismus ebenso. Dazu halbgares Geschwafel: „wo populistische Gedanken spalten…“

Häufiger Irrtum: Was ist eigentlich Pouplismus?

Populismus ist es, dem Wahlvolk falsche Versprechungen zu machen und vorzugaukeln, was es hören will, um nachher etwas anderes zu tun oder gar das Gegenteil. Helmut Kohls Versprechen von „blühenden Landschaften“ und der nachfolgende Kahlschlag der DDR durch die Treuhand war ein Musterbeispiele für Populismus — ebenso Gerhard Schröders „Agenda 2010“.

Nicht „populistische Gedanken“ sind das Problem, sondern der Widerspruch aus populistischen Reden und Taten. Der Populismus der Regierungsparteien hat der AfD den Boden bereitet. Die Faschisten Bernd Höcke und Martin Sellner sind Volksverhetzer aber eher keine Populisten. Denn sie meinen es bitter ernst. Auf der anderen Seite ist populäre Politik noch lange kein Populismus.

Was hat hat Fußball mit der Arbeitswelt zu tun?

Laut Verdi gibt es nur in sechs der 36 Vereine der 1. und 2. Bundesliga einen Betriebsrat. Den Anfang machte der glorreiche FC St. Pauli im Jahr 2002. Inzwischen gehören der VfL Wolfsburg, Schalke 04, HSV und BVB zur wirtschaftsdemokratischen Elite des deutschen Profifußballs; 2022 gesellte sich der VfB Stuttgart hinzu.4

Profi-Vereine sind mittelständische Unternehmen mit 50 bis zu 500 abhängig Beschäftigten. Doch ihre symbolische Bedeutung ist weitaus größer als ihre Jahresumsätze zwischen 12 Millionen (1. FC Magdeburg) und 626 Millionen (FC Bayern). Beim Fußballgucken und beim intensiven Austausch der Fans über die Geschicke ihres Vereins geschieht eine spielerische, exemplarische Verarbeitung der Arbeitswelt, des Betriebs und seines wirtschaftlichen Umfelds. Der Verein steht als Sinnbild für die Firma, die Mannschaft ist das Kollegium, die Tabelle ist der Aktienkurs, ein Abstieg ist der Bankrott…

Demokratie in Wirtschaft und Betrieb muss auch im deutschen Fußball erst noch erkämpft werden.

Im Januar 2024 scheiterte eine Betriebsratsgründung bei Hertha BSC. Die Wirtschaftskanzlei Heuking installierte stattdessen im Auftrag des Managements ein rechtlich unverbindliches alternatives Vertretungsorgan namens „Belegschaftsausschuss“. Man darf getrost davon ausgehen, dass die 300-köpfige Belegschaft der wirtschaftlich am Abgrund taumelnden Hertha, zuvor intensiv mit Zuckerbrot und Peitsche bearbeitet wurde.

Wer sich fragt, warum der Glaube an „die Demokratie“ in Deutschland schwindet, findet im Fußball viele Antworten. Ein undemokratischer Geist durchzieht alle Ebenen. Dass ein Mannschaftskapitän in Deutschland zumeist vom Trainer bestimmt wird, mag vielleicht noch angehen. Aber er könnte auch gewählt werden. Dass ein Mannschaftsrat nicht gewählt, sondern vom Trainer handverlesen wird, ist hingegen indiskutabel.

Dass Red Bull Leipzig als angeblicher Fußballverein nur 20 stimmberechtigte Mitglieder hat, ist absurd. Das sieht jeder. Aber auch die Auslagerung von Profi-Abteilungen in Aktiengesellschaften oder ähnliche Konstrukte dienen nur dazu den Profi-Betrieb demokratischer Kontrolle durch die Mitglieder zu entziehen. Auch hier ist Schalke 04 ein Bollwerk. Die Fans wehren sich seit Jahren erfolgreich gegen die Ausgliederung ihrer ersten Mannschaft aus dem Verein.

Im Januar und Februar brachten aktive Fans den Profi-Fußball gezielt zum Stillstand, indem sie Tennisbälle, Schokotaler und andere Ding aufs Feld warfen. Sie forderten, dass eine korrupte, intransparente Abstimmung wiederholt wurde. Die abgekartete Abstimmung am 11. Dezember 2023 machte die den Einstieg von aggressiven Finanzinvestoren in die Bundesligavermarktung möglich. Warum abgekartet? Der Hannover 96-Mäzen Martin Kind soll gegen das klare Mandat seines Vereins insgeheim für den Verkauf von Vermarktungsrechten an einen Investor gestimmt haben.

Die Sabotage der Fans zeigte Wirkung. Die Finanzhyäne Blackstone verabschiedete sich aus den Verhandlungen5 und der Präsident des VfB Stuttgart meinte: „Unser Verständnis von Demokratie – auch im Fußball – sollte sein: Die Mehrheit entscheidet.“ Claus Vogt forderte deshalb „im Sinne der Demokratie und im Sinne unseres Fußballs […] eine erneute, transparente Abstimmung aller 36 Vereine in der DFL.“6

Fußball und Demokratie in einem Atemzug? Es geht doch!

PS:

Nach Abgabe des Textes waren die Proteste der Fans tatsächlich erfolgreich. Die DFL beugte sich dem Druck der Massen und sagte den Einstieg von Investoren in die Rechtevermarktung Ende Februar 2024 auf absehbare Zeit ab (NDR, 22.2.2024).


Elmar Wigand ist Pressesprecher der aktion ./. arbeitsunrecht. Der Verein unterstützt aktive Betriebsräte, konfliktbereite Gewerkschafter*innen und solche, die es werden wollen. Mehr infos: https://arbeitsunrecht.de/ueber-uns/


Quellen / Anmerkungen

1 Die genaue Quelle des Zitats ist unklar. Siehe: Roz Payne Sixties Archive — Eldridge Cleaver Quotation: https://rozsixties.unl.edu/items/show/567 Cleaver trat der Black Panther Party of Self-Defence (BPP) 1966 bei. Er war Redakteur ihr Organisationszeitung und ein berühmter Essayist.

2 Dass Eldrigde Cleaver später selbst Teil des Problems wurde, zeigt wie unbarmherzig diese binäre Entweder-oder-Logik sich gegen ihre Urheber richten kann. Und wie vorsichtig wir mit solchen einfachen Wahrheiten und ihren Propheten sein sollten. Cleaver wurde nach einem Richtungsstreit mit Huey Newton 1975 aus der BPP ausgeschlossen, wechselte die Seiten, wurde wiedergeborener Christ, Anti-Kommunist und Republikaner. Ein trauriges Schicksal.

3 Auslöser war ein Treffen von Mitgliedern aus AfD, CDU, Werteunion und der Identitären Bewegung in Potsdam am 25. 11. 2023, bei dem offenbar massenhaftes Herausdrängen von Einwanderern nach einem Wahlsieg der AFD konkret geplant oder angedacht wurde. Die Rechercheplattform Correctiv veröffentlichte die Informationen Mitte Januar 2024 und löste damit ein politisches Erdbeben aus.

4 Fanny Schmolke: Raus aus dem Abseits, Verdi publik, 3.2.2022, https://publik.verdi.de/ausgabe-202201/raus-aus-dem-abseits/

5 Möglicher DFL-Partner springt ab: Fan-Proteste verzeichnen ersten Erfolg, sportschau.de, 14.2.2024, https://www.sportschau.de/regional/swr/swr-moeglicher-dfl-partner-springt-ab-fan-proteste-verzeichnen-ersten-erfolg-100.html

6 Hellmann korrigiert: „Weiß nicht, wie Kind abgestimmt hat“, sportschau.de, https://www.sportschau.de/fussball/bundesliga/dfl-investor-hellmann-kind-abstimmung-100.html


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