Spielzeughersteller Geobra Brandstätter kämpft mit Wittig Ünalp gegen unabhängigen Betriebsrat und Tarifvertrag | IG BCE als Schurkenlösung?
Zur lang geübten Routine von Gewerkschaften gehört es, Konflikte am Arbeitsplatz zwar anzunehmen, diese aber auf regionaler Ebene zu belassen und Solidarisierungseffekte durch begrenzte Öffentlichkeit einzuhegen. So ist der Fall Playmobil zwar in Franken sehr bekannt, bundesweit aber bislang kein großes Thema.
Playmobil war für das Onlinevoting der Kampagne „Jetzt schlägt’s 13!“ zum Schwarzen Freitag am 13. Mai 2016 nominiert (siehe hier), landete aber mangels Mobilisierung in der Belegschaft und der IG Metall abgeschlagen auf dem letzten Platz. Dabei hat es der Fall in sich.
Tariffreie Zone
Der Konzern Geobra Brandstätter produziert seit 1974 – neben Plastikgießkannen – die niedlichen Playmobil-Figuren. Stammsitz ist Zirndorf bei Fürth, daneben gibt es weitere Fabriken in Franken, aber auch auf Malta, in Tschechien und Spanien. In Franken gibt es seit langem Ärger.
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Das patriarchal geführte Familienunternehmen wehrte sich bislang gegen einen Tarifvertrag für die 2.400 Beschäftigten in Deutschland sowie gegen die Wahl unabhängiger Betriebsräte. Die Geschäftsleitung setzte dagegen auf einen gewerkschaftsfeindlichen Mix aus Mobbing, juristischen Maßregelungen und psychologischer Einschüchterung.
Springt die IG BCE schon wieder ein?
Vielleicht registriert die Firmenleitung allmählich, welch hoher Imageschaden droht. Plötzlich scheint ein Tarifvertrag möglich – allerdings mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und nicht mit dem bisherigen Verhandlungspartner IG Metall. Geobra Brandstätter plant, ab 1. Mai 2016 dem Verband der Kunststoff verarbeitenden Industrie in Bayern e. V. (KVI) beizutreten (IG Metall Bayern, 19.4.2016). Beschäftigte sichteten bereits Sekretäre der Gewerkschaft auf dem Werksgelände.
Dagegen überzog die Playmobil-Geschäftsführung den Ersten Bevollmächtigten der IG Metall Westmittelfranken, Reiner Gehring, mit einer Klage. Er soll sich am 22. Dezember 2015 ohne Genehmigung auf dem Firmengelände aufgehalten und Aushänge fotografiert haben. Das Manöver ist absurd, Gehring beteuert, an diesem Tage weder im Werk noch überhaupt vor Ort gewesen zu sein.
Die Anbiederung der IG BCE als Dumping-Tarifpartner in einer konfliktgeladenen Situation hat Tradition. Ähnliches geschah unlängst beim Kunststoffwerk Bossel in Sprockhövel (arbeitsunrecht.de, 2.3.2016). Dort war die Gewerkschaft zur Stelle, um einen ver.di-Tarif zu unterbieten. Gegen die IG Metall ging man in ähnlicher Form 2010 beim Windanlagenhersteller BARD Emden Energy vor (soz Nr. 09/2010). Doch das war vor dem erweiterten Kooperationsabkommen, das die beiden Industriegewerkschaften im vergangenen Jahr verkündeten (junge Welt, 17.4.2016). Sollte die IG BCE bei Geobra Brandstätter ins Geschäft kommen, wäre das ein Affront, wenn nicht ein Bruch des Bündnisses.
Gelber Betriebsrat gerät unter Druck
Manchmal gibt es Schlimmeres als ein Unternehmen ohne Betriebsrat. Bereits 1978 beschrieb der Soziologe Hermann Kotthoff den Typus »Betriebsrat als Organ der Geschäftsleitung«. Ist ein solcher installiert, stehen die Beschäftigten einer Art Doppelherrschaft aus Management und Pseudovertretern ihrer Interessen gegenüber. Bei Playmobil übernahm Gerlinde Breitsprecher lange Jahre die Rolle der managementhörigen Interessensvertreterin. Ihre Ära drohte 2014 zu enden, als IG Metall-Mitglieder eine eigene Liste aufstellten und gute Chancen hatten, die scheinbar stabilen Machtverhältnisse durcheinander zu wirbeln. Doch die Metall-Liste wurde von der Wahl ausgeschlossen. Das ähnelte Vorkommnissen bei UPS in Hannover-Langenhagen (arbeitsunrecht.de, 21.11.2014). Eine Wahlanfechtung durch die IG Metall ging erfolgreich durch alle Instanzen und wurde im Februar vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG) bestätigt (br.de, 17.2.2106). Seither ist Playmobil betriebsratsfrei, Neuwahlen stehen an.
Plumpe Propaganda: IG Metall als Totengräber
Gewerkschafter bei Geobra Brandstätter sehen sich einer Welle aus Stimmungsmache und Mobbing gegenüber, die an US-Verhältnisse erinnert. Während US-Union-Buster die amerikanische Automobilgewerkschaft UAW für den Niedergang der »Motor Town« Detroit verantwortlich machen (nachdenkseiten, 21.2.2014), versucht man in Franken, die Metallgewerkschaft mit dem Niedergang von Traditionsfirmen in Verbindung zu bringen. »Die IG Metall hat schon so einige Schiffe absaufen lassen. Trotz Tarifvertrag und einer Schatztruhe voller Mitgliedsbeiträge«, hieß es auf einem Flyer. Dazu war ein sinkendes Playmobil-Schiff zu sehen, auf dessen Segel die Logos von MAN, Grundig, Metz und AEG prangten. Das Machwerk soll an die Lohnabrechnung geheftet gewesen sein.
Drohung mit Betriebsverlagerung
Gerüchte einer drohenden Werksverlagerung machten die Runde. Um diesen durchsichtigen Psychotricks Glaubwürdigkeit zu verleihen, statuierte die Geschäftsleitung zuerst am Kantinenpersonal ein Exempel: fristlose Kündigung der gesamten Belegschaft. Dann folgte die demonstrative Demontage von Maschinen.
Obwohl solche Argumentationen – Gewerkschaften als Totengräber der Industrie – für alle, die halbwegs klar sind, als haltloser Schwachsinn zu erkennen sind, können sie in einer aufgeheizten Betriebsöffentlichkeit durchaus explosive Wirkung entfalten.
Union Buster: Wittig Ünalp
Die juristische Vertretung und Union Busting-Beratung erfolgt durch Wittig Ünalp. Die Kanzlei um die Rechtsanwälte Maximilian Wittig und Kagan Ünalp bietet unter anderem Seminare für erfolgreiche Kündigungen an – auch von Beschäftigten mit besonderem Kündigungsschutz. Ferner schulen sie in der Erkennung von angeblichen Drückebergern und so genannten Low-Performern (Wittig Ünalp: Die Top Ten der besten Kündigungsgründe).
Bundesweit bekannt wurde Wittig Ünalp, weil am 14. 9. 2015 rund 30 Antifaschisten und Gewerkschafter in Bremen gegen eines dieser Fertigmacher-Seminare protestierten (Union Busting Kanzlei geoutet, 16.9.2015).
Der Beitrag erschien in gekürzter Form unter dem Titel „Spielchen bei Playmobil“ in der Tageszeitung junge Welt vom 25. April 2016.
Mehr Infos:
- Schwarzer Freitag, 13. Mai 2016: Online-Voting
- Uwe Ritzer: Streit und Intrigen in der Playmobil-Welt, SZ.de vom 29.2.2016
- IG Metall gewinnt rechtliche Auseinandersetzung bei Playmobil, Pressmitteilung IG Metall, 17.2.2016 (pdf)
Omg *
Die IG BCE wird dem
Arbeitgeber schon zeigen wo es lang geht, wie man den undankbaren Arbeitnehmern das Maul stopft.
Die Belegschaft hat schon verloren…
In Sprockhövel hat die IG BCE gegen 3 der 7 Betriebsräte Ausschlussverfahren beim Arbeitsgericht eingeleitet.
Ungeheuerlich welche Firmenpraktiken Geobra an den Tag legt. Den Image-Schaden den Geobra tätigt; der alte Brandstätter würde sich im Grabe rumdrehen …
Kagan Ünalp liest sich aber doch schon wie ein Beispiel für perfekte Integration ins Ausbeuterparadies D. Ist der in der FDP? Oder ’n Kumpel vom Arbeiterschreck Siggi S. (Schlimme Partei Deutschlands)
Der modernisierte Kapitalismus will „Diversität“ ja erklärtermaßen nutzen. In Einzelfällen mag das gelingen. Andererseits fördern Eliten immer Ihresgleichen und die Anpassung an tradierte Muster.
Die Herkunft, Nationalität, Religion, sexuelle Orientierung eines Union Busters ist uns völlig egal. Und das nicht aus Gründen einer verklemmten „political correctness“.
Wir glauben tatsächlich, dass das Nachdenken über solche Kategorien der Verschiedenartigkeit wenig Erkenntnisgewinn bringt.
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