Missbrauch von Teilzeitverträgen | ver.di-Liste ausgeschlossen | Gewerkschafter mit Kündigungen und Abmahnungen überzogen
Am UPS-Standort Langenhagen bei Hannover arbeiten rund 750 Personen. Davon sind etwa 600 in der Hauptumschlagsbasis (HUB) beschäftigt, wo sie Pakete sortieren und Zustellfahrzeuge be- und entladen. Hier arbeiten fast alle in Teilzeit, Vollzeitverträge gibt es fast nur für das Führungspersonal.
Die meisten Beschäftigten sollen laut Auskunft von Gewerkschaftern Verträge haben, in denen oft nur 3,5 Arbeitsstunden pro Tag vereinbart sind. Weil so wenige Arbeitsstunden keine Grundlage für einen Lebensunterhalt darstellen, sind die Beschäftigten dringend auf bezahlte Überstunden angewiesen, so dass tatsächlich regelmäßig 6 -7 Stunden gearbeitet werden. Über eine vergleichbare Beschäftigungspolitik berichteten wir bereits im Mai 2013 vom UPS Standort in Ditzingen/Stuttgart (siehe hier).
Dieses Vorgehen bietet UPS sowohl finanzielle Vorteile als auch hervorragende Möglichkeiten, Druck auszuüben. Bei der Berechnung des Urlaubsgelds und der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zählen nur die im Vertrag vereinbarten Stunden. Krankenrückkehrer müssen ein erniedrigendes „Krankenrückführungsgespräch“ über sich ergehen lassen.
Überstunden dürfen erst nach einer „Bewährungszeit“ wieder anfallen. Der Entzug dringend benötigter Überstunden als Strafe für gewerkschaftliche Aktivitäten und aufmüpfiges Verhalten dürfte genau so wirksam sein, wie die Drohung einen befristeten Vertrag ohne Anschlussvertrag auslaufen zu lassen (NDR 02.05.14). Der NDR berichtete am 13.05.14 sogar von Mitarbeitern, die dazu angehalten wurden, bei Krankheit Urlaub zu nehmen.
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Das Teilzeit-System hat bei UPS Methode: Von rund 15.000 Beschäftigten in ganz Deutschland sollen schätzungsweise 11.000 in Teilzeit beschäftigt sein. Die Befristungsquote soll bei UPS bei ca. 25 – 30% liegen, berichten Gewerkschafter. Dagegen ging der Betriebsrat in Ditzingen bei Stuttgart vor. Die ver.di-Gewerkschafter konnten vor dem Landesarbeitsgericht Baden Württemberg durchsetzen, dass neue oder frei gewordene Stellen zunächst der bestehenden Belegschaft angeboten werden mussten, damit diese ihre Arbeitszeit aufstocken oder anpassen können. Doch der Weg bis zu diesem Gerichtsurteil war gespickt mit allen klassischen Schikanen des Union Busting, wie eine umfangreiche Sammlung von Artikeln zum UPS Standort Ditzingen auf labournet.de zeigt.
Offizeller Betriebsrat glänzt durch Untätigkeit
An dem Erfolg ihrer schwäbischen Kollegen wollten sich 40 Niedersachsen ein Beispiel nehmen und gründeten die Liste „Frischer Wind“. Schließlich hatte der offiziell bestehende Betriebsrat in Langenhagen in den letzten Jahren keine einzige Betriebsversammlung abgehalten – trotz der gesetzlichen Verpflichtung jährlich vier Betriebsversammlungen einzuberufen. Auch einen gewerkschaftlichen Aushangkasten oder eine Schwarzes Brett suchte man vergebens. Kein Wunder also, dass der allgemeine Eindruck entstand, der bestehende Betriebsrat verstehe sich eher als Teil der Geschäftsleitung denn als unabhängige Arbeitnehmervertretung (siehe HAZ 23.03.2014). Ein Eindruck, der sich durch das weitere Verhalten der Betriebsratsmitglieder weiter verfestigen sollte…
ver.di-Liste „Frischer Wind“ kaltgestellt | Ungültig gewählt
Als die Kolleginnen und Kollegen von „Frischer Wind“ am 10. Februar 2014 eine eigene Vorschlagsliste mit 40 Kandidaten und 80 Unterstützerunterschriften zur Betriebsratswahl einreichen wollten, erklärte der Betriebsratsvorsitzende und zugleich Wahlvorstandsvorsitzende Ralf Hecker, die Frist für die Einreichung einer Liste sei bereits am 27. Januar 2014 abgelaufen, da der Wahlaushang bereits seit 13.01.2014 ausgehangen hätte. Es liegen jedoch mehrere eidesstattliche Erklärungen vor, dass der Wahlaushang, trotz täglicher Kontrollgänge überhaupt erst am 28. 01. 2014 zum ersten Mal gesehen wurde. Er fand sich, so erklärt Christoph Feldmann von ver.di, zudem keineswegs an einer exponierten Stelle, sondern in einem abgelegenen Bereich des Betriebs.
„Frischer Wind“ stellte bei Gericht einen Eilantrag auf eine einstweilige Verfügung, die jedoch abgelehnt wurde. Am 21. 03. 2014 fand die Betriebsratswahl bei UPS Langenhagen ohne die Liste „Frischer Wind“ statt. Die Wahl wird von ver.di und 9 Kandidaten angefochten. Das Arbeitsgericht Hannover hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem unter anderem festgestellt werden soll, ob es bei rund 70% Beschäftigten mit Migrationshintergrund wichtig sein könnte, den Wahlaushang in mehreren Sprachen zu verfassen. Die Kollegen von UPS Langenhagen gaben als Ausdruck ihres Unwillens über den Umgang mit der Liste „Frischer Wind“ 133 von insgesamt 368 Stimmen ungültig ab. (siehe auch work-watch vom 14.03.14)
Unsubstantiierte Abmahnungen und Kündigungen gegen Gewerkschafter
Bis dahin hagelte es für Fritz W., seit Februar 2014 Verdi-Vertrauensmann, schon konstruierte Abmahnungen, von denen zwei per Gerichtsentscheid wieder aus seiner Personalakte entfernt werden mussten. Am 28. 07. 2014 erfolgte eine „außerordentliche Änderungskündigung“ wegen angeblicher Schlechtleistung. Fritz W. sollte nach 18 Jahren bei UPS unterschreiben, dass er in Zukunft statt Auslieferwagen Container in Stand setzen würde. Eine körperlich schwerere Arbeit, die Fritz W. mit einem amtlich bestätigten Grad der Behinderung von 30%, schlichtweg unmöglich ist.
Fritz W. hat Kündigungsschutzklage eingereicht. Der Termin für die Verhandlung ist am 10. 12. 2014, um 11.00 Uhr im Gerichtstag Neuss, Hammer Landstr. 3, 41460 Neuss, Hafenkasino, Saal 001. Wir rufen dazu auf, Fritz W. solidarisch zu unterstützen!
Auch anderen Kollegen der Liste „Frischer Wind“ wurden schikanöse Abmahnungen zugestellt, wie wir von ver.di-Gewerkschaftern erfahren haben. Darunter Jason T., der aufgrund seiner Erkrankung an Multipler Sklerose einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist. Er ist seit 12 Jahren als Zusteller bei UPS beschäftigt und bittet seinen Arbeitgeber aufgrund seiner Erkrankung bereits seit zwei Jahren vergeblich um Zuteilung eines behindertengerechten Arbeitsplatzes.
Union Buster: Kanzleien Justem und Panhorst Driver-Polke
UPS lässt sich vor Gericht von der Kanzlei Justem in Person des Rechtsanwalts Thilo Manhold vertreten. Justem war für UPS auch am Standort Ditzingen/Stuttgart tätig. Für den gelben Betriebsrat in Langenhagen hat die Kanzlei Panhorst Driver-Polke das Mandat (Quelle: juve.de). Bevor Kerstin Panhorst und Oliver Driver-Polke sich selbständig machten, waren sie wie Thilo Manhold bei Justem aktiv; davor stand das aggressive Arbeitsrechts-Trio nach Informationen des Branchen-Portals juve.de bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Brot und Arbeit. Freshfields zählt mit rund 3500 Anwälten zu den mächtigsten Wirtschaftskanzlei der Welt und hatte ebenfalls Mandate von UPS.
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Die Union Busting Methoden bei UPS sind im Buch „Die Fertigmacher“ nachzulesen. In einer ausführlichen Fallstudie geht es dabei auch um das UPS-Drehkreuz für Europa am Köln-Bonner-Flughafen, wo etwa 2.500 Personen arbeiten. (Werner Rügemer / Elmar Wigand: Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung. papyrossa Verlag, Köln 2014. S. 185-191).