Unsere klammheimlichen Trump-Fans

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Massive Arbeiter-Proteste zwingen den designierten US-Arbeitsminister Andrew Puzder zur Aufgabe. Doch seine asozialen Praktiken als Fast Food-Unternehmer waren in der EU kein Gegenstand der Kritik

Wenn dieser sympathische Hamburger reden könnte, hätte er auch in Deutschland gute Chancen gewählt zu werden. Er müsste nur die richtigen Dinge versprechen und die falschen Leute beschuldigen.

von Werner Rügemer

Wie heftig kritisieren Politiker und Unternehmer diesseits und jenseits des Atlantiks den neuen bösen US-Präsidenten Trump, wenn er Bürgern muslimischer Staaten die Einreise verbieten will! Bei dem vielen begründeten Gemaule über Trump wird aber eines verdrängt:

Trump und seine Leute stehen für eine neue, noch asozialere Unternehmer-Generation

Sie kümmert sich wenig bis gar nicht um Arbeitsrechte, weder national noch international. Das unterscheidet Trumps Clique bei genauerer Betrachtung bislang kaum von Regierungen in Deutschland und in der EU, die vergleichbare Zumutungen und Härten selbst organisieren oder hinnehmen.

Trump hatte als seinen Arbeitsminister den Fast Food-Unternehmer Andrew Puzder benannt. Doch zahlreiche Gruppen wie Jobs with Justice und Equal Rights Advocates sowie der Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO haben wochenlang die Praktiken Puzders an die Öffentlichkeit gebracht. Seine Anhörungs-Termine vor dem US-Senat mussten fünf Mal verschoben werden, weil Trumps Kandidat mit seinen schriftlichen Antworten nicht nach kam. Jetzt hat er auf das Amt verzichtet.


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Wahlversprechen: Jobs und bessere Löhne?

„Ich stehe bereit, an der Mauer (gegen Mexiko) mitzuarbeiten.“ Verpeilte, verwirrte und in die Irre geleitete US-Malocher im Präsidentschafts-Wahlkampf 2016

Trump hatte mit der Benennung Puzders klar gemacht, was von den Wahlversprechen, mehr Jobs zu schaffen und die Löhne zu erhöhen zu halten ist – nämlich gar nichts. Puzder hat seit dem Jahr 2000 mithilfe wechselnder Private Equity-Investoren die Fast Food-Kette CKE zusammengekauft und auf Profit getrimmt.

Er hat routinemäßig Arbeitsgesetze verletzt: Beschäftigten wie Managern hat er Überstunden nicht bezahlt, hat Arbeitspausen verweigert. Mitten in vereinbarten Schichten wurden Beschäftigte nach Hause geschickt, wenn zu wenig Kunden da waren. Puzder musste Millionen an Bußgeldern bezahlen, machte aber weiter. Er setzte darauf, dass die entmachtete Arbeitsaufsicht nicht allen Rechtsverletzungen aufdecken kann.

95 Prozent der 3.750 CKE-Restaurants sind nach dem Franchise-System an Subunternehmer verpachtet. Mit anderen Unternehmen, die nach dem Franchise-System arbeiten – Systemgastronomie, Transportlogistik, Supermärkte – hat Puzder mit der Lobbyorganisation Job Creators Network verhindert, dass der gesetzliche Mindestlohn von 7,25 Dollar (mit Ausnahmen runter bis 2,13 Dollar) erhöht wurde. Er will den Mindestlohn überhaupt abschaffen, wie er immer wieder betont hat.

Doppelmoral: Puzder und seine illegale Haushaltshilfe

Nach Puzders Benennung wurde bekannt: Er beschäftigte in seinem Privathaushalt jahrelang eine illegale Migrantin. Er redete sich heraus: „Meine Frau und ich haben das nicht gewusst. Wir haben sofort die Steuern nachgezahlt und ihr angeboten, ihr bei der Legalisierung zu helfen.“ Aber die Migrantin hat diese „Hilfe“ abgelehnt – aus Angst vor Abschiebung.

Trump hatte angekündigt, dass er illegale Migranten abschieben will, mehr noch als das unter seinem Vorgänger Obama praktiziert wurde. Aber die US-Franchise-Industrie beschäftigt routinemäßig Illegale. Sie lassen sich noch rechtloser und billiger beschäftigen – durch die drohende Abschiebung sind sie erpressbar. 


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„Die Besten der Schlechtesten“ optimal ausbeuten

Puzder sucht als Unternehmer gezielt Unqualifizierte, um sie möglichst niedrig zu bezahlen: „Wir stellen die Besten der Schlechtesten ein.“ (the best of the worst) Beschäftigte, und seien sie noch so schlecht bezahlt und rechtlos, sind für den CKE-Chef immer noch lästig. Sie sind ein notwendiges Übel, das er irgendwann ganz los haben will.

Er setzt auf Automation und Roboter: „Maschinen sind immer höflich, verkaufen ohne Pause, nehmen nie Urlaub und kommen nie zu spät, und es kann nie zu Fällen von Diskriminierung wegen Alter, Geschlecht oder Rassismus kommen.“1

Der Staat subventioniert asoziales Lohn-Dumping

Puzser Nicht unser Arbeitsminister
Andy Puzder, Trumps Kandidat als Arbeitsminister, ist der Geschäftsführer von Hardee’s / Carl’s Jr. Fast 60% seiner Restaurants, die vom Arbeitsministerium untersucht wurden, verletzten Arbeitszeit- und Lohngesetze.

Puzders Unternehmerpraxis zeigt die typische Demagogie, der Trump politischen Rückhalt geben wollte, die aber auch unter Obama üblich war: Man kritisiert die Eingriffe des Staates und greift gleichzeitig möglichst viel Staatsknete ab, in Gestalt von Lohnsubventionen.

Nach einer Studie des Center for Labor Research der Universität Berkeley subventioniert der Staat Niedriglöhne in den USA mit 152 Milliarden Dollar jährlich. Auf die Beschäftigten der Fast Food-Industrie entfallen davon 7 Milliarden. Auf Puzders etwa 75.000 CKE-Beschäftigte in den USA entfallen, so die Schätzung des National Employment Law Project, pro Jahr 247 Millionen Dollar an Staatssubventionen: für Essensmarken, Zuzahlung für die Krankenversicherung, Steuergutschriften und ähnliches.2

Trump repräsentiert nicht die Kapitalfraktion der Wall Street und der großen, weltweit aktiven US-Konzerne. Er gehört zu den Milliardärs-Clans der zweiten und dritten Generation, auch der neuerlichen Investoren, die vor, mit und nach der Finanzkrise, neben den Banken, einflussreicher geworden sind: Hedgefonds, Private Equity Fonds, Silicon Valley-Aufsteiger und Internet-Konzerne.

Wer steckt dahinter? Zum Beispiel Amazon und Uber

So gehört zur Trump’schen Unternehmer-Generation zum Beispiel Amazon. Mit zahlreichen Zeitarbeitsfirmen wird Arbeit auf Abruf organisiert. Die Beschäftigten werden unter hohen Stress gesetzt und minutiös überwacht. Amazon baut mit Schein-Selbständigen ein eigenes System der Auslieferung auf. In ländlichen Gegenden werden kleine Städte erpresst, um die Ansiedlung neuer Filialen zu subventionieren. Gewerkschaften werden rausgehalten.

Bilanz in den USA Ende 2015: 146.000 neue Arbeitsplätze, die im Durchschnitt mit 15 Prozent weniger vergütet werden als die 295.000 bisherigen Arbeitsplätze, die vernichtet wurden. Die Hungerlöhner von Amazon und CKE undsoweiter verhungern nur deshalb nicht, weil der Staat sie jährlich mit tausenden Dollars für Essensmarken und weitere Hilfen subventioniert. So geht das in den USA, so geht das auch in Deutschland und sonstwo.

Uber: Streikverbot für Taxifahrer

Der Silicon-Valley-Aufsteiger Travis Kalanick gehörte nach Trumps Wahlsieg zum Vorbereitungsteam für die neue Regierung. Kalanick hat Uber begründet. Das nach einem Jahrzehnt schon größte Taxi-Unternehmen der Welt besitzt kein einziges Taxi und hat keinen einzigen Taxifahrer angestellt.

In den USA und in der EU und weltweit fahren unlizenzierte und unversicherte Scheinselbständige für Uber. Gegen Trumps Einreiseverbot wollten auch New Yorker Uber-Taxifahrer streiken. Kalanick verbot das. Aber Nutzer ließen über den Uber-Chef einen shitstorm hereinbrechen und drohten mit Boykott – da zog sich der Opportunist aus dem Trump-Team zurück.

Für Puzders Verzicht gab allerdings nicht der heftige und landesweite Gewerkschaftsprotest den Ausschlag. Angezählt war er im Senat, als herausgekommen war, dass er eine illegale Haushaltshilfe beschäftigt hatte.

Die Misshandlung seiner Ex-Frau schafft den medialen Durchbruch

Aber erst eine andere Personalie führte zum K.O.: Seine erste Frau hatte vor 30 Jahren die Scheidung eingereicht mit der Begründung, Puzder habe sie mehrfach misshandelt. Das hatte sie später in einer TV-Sendung wiederholt. Die Sendung wurde ausgegraben und im Senat vorgespielt. Die Scheidungsakten sollten beigezogen werden. Da zogen schließlich auch mehrere republikanische Senatorinnen und Senatoren ihre Unterstützung für den Kandidaten zurück. Und auch nur über diese Rücktrittsgründe haben z.B. die ARD-Tagesschau und ZDF heute berichtet.

Statt zu jammern, sich organisieren!

Massive Arbeiter-Proteste brachten den Burger-Brat-Bonzen Andrew Puzder zu Fall.

In den USA konnte die Kampagne Fight for 15 in den letzten Jahren erreichen, dass für 20 Millionen Beschäftigte der Systemgastronomie die Löhne wesentlich erhöht wurden, für 11 Millionen auf 15 Dollar – gegen die Puzder-Lobby und ohne Hilfe der Obama-Regierung. Keine deutsche oder französische oder italienische oder spanische undsoweiter Regierung und keine Europäische Kommission gehen gegen die Rechtsbrüche und die Niedriglöhnerei von Amazon, Uber & Co in Europa vor.

In den USA oder in der EU und in Deutschland: die Regierungen, ihre Parteien und ihre Wahlkämpfer, die Arbeitsplätze und höhere Löhne versprechen, sind entweder demagogisch oder hilflos.

Es müssen sich diejenigen selbst organisieren, um die es geht.


Fußnoten

1 Überzeugter Amerikaner, Handelsblatt, 21.12.2016

2 National Employment Law Project: How the Public Subsidizes Putder’s Fast-Food Operations, NELP Data Brief January 2017


Links

  • We Stopped Andrew Puzder from Becoming the Next Labor Secretary, Jobs with Justice, 16.12.2016
  • 9 Reasons Why Trump’s Secretary of Labor Pick Andy Puzder is No Friend of Working People, AFL-CIO, 19.12.2016
  • Puzder’s nomination is a direct threat to workers’ rights, Equal rights advocates, 12.12.2016

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