Tobias Pusch: Der Wolf im Märchenwald

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Angebliche Whistleblowerin vom Hasso Plattner-Institut mit Peanuts abgefunden.

Kleiner Trost: Arbeitsgerichtstermin bringt weiteres Anschauungsmaterial zur Methode Pusch Wahlig.

Von Harvard nach Potsdam. Tobias Pusch ist tritt im Ernstfall auch in unteren Instanzen höchstpersönlich auf.
Von Harvard nach Potsdam. Tobias Pusch LL.M. tritt im Ernstfall auch in unteren Instanzen höchstpersönlich auf.

Die Klage einer auf Verdacht gekündigten Buchhalterin des Hasso Plattner Instituts endete am 11. Juli 2024 vor dem Arbeitsgerichts Potsdam mit einem Vergleich (Az. Ka4 Ca 10122/24).

Anna B. hatte auf Wiedereinstellung geklagt und die Vorwürfe, eine Whistleblowerin zu sein, von sich gewiesen. Sie erhält nun ein gutes Zeugnis und einen unverdächtigen Kündigungstermin zum Monatsende. (Wenn ein Arbeitsverhältnis z.B. am 13. Mai endet, ist das für Unternehmer ein Zeichen, dass mit der Beschäftigten etwas nicht stimmt.) Sie bekommt 10.000,- EUR Abfindung und man einigte sich auf die Sprachregelung, eine Schuld von ihrer Seite sei nicht nachweisbar.

Anna B. war vom HPI-Management beschuldigt worden, interne Informationen über eine professionelle Betriebsratsbehinderung an die Presse weiter geleitet zu haben. Eine Veröffentlichung von Anette Dowideit im Tagesspiegel und auf der Correctiv-Webseite schlug hohe Wellen, da hier die Methodik einer professionellen Betriebsratsverhinderung mittels brisanter Dokumente (Abrechnungen und vertrauliche Rechtsgutachten) beleuchtet wurde.

Die geleakten Dateien, die der Aktion gegen Arbeitsunrecht vorliegen, belegen hohe Geldzahlungen an die Union Busting Kanzlei Pusch Wahlig; zudem holte das HPI kontroverse Rechtsgutachten ein, aus denen hervor geht, dass ein künstlich geschaffener Pseudo-Betriebsrat jenseits des Betriebsverfassungsgesetzes, wie er nun unter dem Namen „Institutsrat“ installiert wird, aus verschiedenen Gründen rechtlich höchst problematisch, wenn nicht in der Grauzone zur organisierten Kriminalität liegt.


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Bestrafe Eine, erziehe Hunderte

Unserer Einschätzung nach musste Anna B. als Sündenbock herhalten. Das HPI-Management statuierte ein Exempel, das alle anderen Betriebsratssympathisanten unter den HPI-Angestellten einschüchtern soll. Die von Tobias Pusch vorgetragenen Indizien, dass sie und niemand anderes brisante Informationen über Union Busting am HPI nach außen getragen haben sollte, waren äußerst dürftig.

Der geschlossene Vergleich stellt sowohl von einem demokratischen Standpunkt eine Niederlage dar; er ist auch finanziell kein Erfolg, insbesondere wenn wir einerseits die gesteigerte Aufmerksamkeit des Falles in Betracht ziehen und andererseits die Nerven, die er Anna B. gekostet haben dürfte. Allein dafür, dass sie nach eigenen Angaben ohne Beistand ein 40minütiges Kreuzverhör des Managements über sich ergehen lassen musste, hätte sie ein saftiges Schmerzensgeld verdient gehabt.

Gespielte Empörung wegen Peanuts

Ihre Forderung nach 40.000,- EUR quittierten Tobias Pusch und die auf eine dickfellige Art unflexibel wirkende HPI-Justiziarin Ina Haarhoff mit theatralischer Empörung. Wir halten 100.000,- EUR für angemessen. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Tobias Puschs Kanzlei 180.000,- für die Installation eines Pseudo-Betriebsrats abgesahnt hatte – genau das geht aus den fraglichen Dokumenten hervor, deren mutmaßliche Weitergabe mit Kündigung geahndet wurde – dann erscheint die gespielte Empörung dieser beiden Fertigmacher grotesk und abgeschmackt. 10.000,- Euro sind für diese Figuren nur Peanuts. Das HPI schwimmt als Retorten-Uni des SAP-Milliardärs Hasso Plattner vermutlich im Geld.

Tobias Pusch gab als Grund für seinen Knauserigkeit an, das HPI würde keine Abfindung akzeptieren, die irgendwie nahe legen könnte, dass ein Fehlverhalten des Instituts vorliegen könnte, das somit abgegolten werden soll. Diese Art von symbolischem Geiz ist typisch für die Methode Pusch Wahlig. Sie könnte einen zweiten Grund haben: Das Geld, welches früher zur Befriedung von Konflikten budgetiert wurde, fließt heute in Form von Honoraren an Pusch Wahlig und Konsorten. Eine Umverteilung der besonderen Art zu Lasten der Beschäftigten.

Arbeitsunrecht in der Nussschale

Der Prozess endete zwar enttäuschend; er war dennoch aufschlussreich, weil er wie in einer Nussschale gleich zwei der größten Unrechtspraktiken im deutschen Arbeitsrecht zur Anschauung brachte: die Verdachtskündigung und die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach §9 Kündigungsschutzgesetz.

Die Verdachtskündigung bedeutet eine Umkehr des antiken Rechtsgrundsatzes „Im Zweifel für den Angeklagten“. Beschäftigte können auf Verdacht gekündigt werden, auch wenn ihnen eine Tat nicht nachgewiesen werden kann. Dieses Unrecht geht zurück auf Un-Rechtssprechung aus der Nazi-Zeit, die 1955 vom Bundesarbeitsgericht bestätigt wurde.1 Die Verdachtskündigung wird von aggressiven Arbeitgebern und skrupellosen Juristen als Freifahrtschein verstanden, angebliche Taten zu konstruieren. Dreistigkeit siegt.

Ähnliches gilt für die Idee im Kündigungsschutzgesetz, dass eine „den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht zu erwarten sei. Somit kann ein Arbeitsgericht ein Arbeitsverhältnis auf Antrag des Unternehmens auflösen. §9 KSchG ermöglicht es Arbeitgebern und ihren Union Bustern, ein Arbeitsverhältnis gründlich zu zerrütten und damit am Ende eine Kündigung zu erwirken. Auch das ist eine Einladung zur Aggression, die von skrupellosen Juristen gern angenommen wird. Mitunter reichen schon sanfte Kritik am Arbeitgeber oder pointierte Schriftsätze des Anwalts um Kündigungsversuche nach §9 KSchG zu begründen.

Vom weißen Elefanten und dem Kreide fressenden Wolf

Vorgetragen wurden diese perfiden arbeitsrechtlichen Grausamkeiten, die zum regulären Arsenal deutscher Unternehmer und ihrer Rausschmeißer gehören, von Tobias Pusch (Kanzlei Pusch Wahlig) höchstpersönlich.

So hat sich die Reise nach Potsdam am Ende doch gelohnt: Wir konnten persönliche Eindrücke und neue Erkenntnisse über diesen Hardcore-Anwalt und seine Methoden sammeln. Zudem haben wir nun – dank einer Drehgenehmigung aufgrund öffentlichen Interesses (durch nd,2 Potsdamer Neue Nachrichten3 & RBB) – erstmals Bild und Video-Material von diesem Wolf im Schafspelz in seinem natürlichen Habitat, dem Gerichtssaal.

Wo wir gerade im Reich der Märchen und Fabeltiere sind. Eigentlich war Tobias Pusch an jenem Donnerstag in Potsdam der weiße Elefant im Raum, über den niemand redete. Im Kern ging es um ihn und seine schmutzigen Methoden zur Verhinderung eines Betriebsrats am Hasso Platter Institut (zum Stundensatz von 420,- EUR), aber genau das blieb unerwähnt. Was möglicherweise auch ein Versäumnis der Klage war. Der Gesamtzusammenhang – eine erfolgreiche, professionell konzertierte Betriebsratszerschlagung am HPI – war von Anna B’s Anwalt Rojat Akay (Kanzlei Vieker & Chatziparaskewas) nicht eingeführt worden. So hingen Presse und interessierte Öffentlichkeit, immerhin rund 20 Prozessbeobachter*innen, einigermaßen in der Luft. Beweggründe und Interessen blieben im Dunkeln.

Ja, stehn wir im Wald hier?

Die Vorsitzende Richterin der 4. Kammer Sonja Müller-Land erläuterte mir nach dem Termin, dass sie generell nur das verhandeln dürfe, was zuvor schriftlich eingeführt wurde. Arbeitsgerichten sei es untersagt, selbständig zu recherchieren. Sogenannte „Amtsermittlung“ sei Arbeitsgerichten in Urteilsverfahren grundsätzlich untersagt, um ihre Neutralität zu gewährleisten….4  So kam es zu der absurden Situation, das hier der Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen wurde. Man verlief sich in Details, ohne den Gesamtzusammenhang und die Motive der Parteien zu berücksichtigen.

Tobias Pusch hat zusammnen mit der PR-Agentur Lutz Meyer & Company rund um das HPI und seinen „Institutsrat“ einen Märchenwald errichtet, in dem der Wolf auch mal ordentlich Kreide fressen kann, bevor er vor Gericht oder in „Townhall meetings“ vor der Belegschaft auftritt. Tobias Pusch gab sich diesmal leger, aufgeräumt und so charmant es ihm möglich war. Doch von diesem betont lockeren Auftreten – ob es nur gespielt ist oder Ausdruck genereller Gefühllosigkeit, sei dahin gestellt –, sollten sich Beschäftigte und Gewerkschafter*innen keineswegs täuschen lassen. Wie sagte schon ein gewisser Jesus von Nazareth nach Überlieferung von Matthäus (Kapitel 7, Vers 15 +15 ) in der Bergpredigt:

„Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen! Inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“

Einen längeren Bericht und weitere Erkenntnisse zur Methode Pusch Wahlig werden wir demnächst an dieser Stelle veröffentlichen.

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Wenn Sie selbst Opfer von Pusch Wahlig oder vergleichbarer Union Busting-Kanzleien sind, wenn auch bei Ihnen ein Pseudo-Gremium anstatt eines Betriebsrats installiert wurde oder werden soll, nehmen Sie bitte Kontakt auf!

Weitere Informationen


Quellen und Fußnoten

1 Entwicklung der Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Verdachtskündigung, Wikipedia, abgerufen am 16.7.29024, https://de.wikipedia.org/wiki/Verdachtsk%C3%BCndigung#Entwicklung_der_Rechtsprechung_zur_Zul%C3%A4ssigkeit_der_Verdachtsk%C3%BCndigung

2 Henri Kramer: Tagesspiegel Plus Klage nach Streit um Betriebsrat: Potsdamer Hasso-Plattner-Institut muss Abfindung zahlen, Potsdamer Neue Nachrichten, 11.7.2024, https://www.tagesspiegel.de/potsdam/landeshauptstadt/klage-nach-streit-um-betriebsrat-potsdamer-hasso-plattner-institut-muss-abfindung-zahlen-12005009.html

3 Marten Brehmer: Hasso-Plattner-Institut sucht nach Whistleblower, nd, 11.7.2024, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183653.arbeitsrecht-hasso-plattner-institut-sucht-nach-whistleblower.html

4 Die Arbeitsgerichte unterscheiden zwischen Urteilsverfahren (Kündigungsschutz u.a.) und Beschlussverfahren (Betriebsverfassung u.a.) . In letzteren sind sie zu eigenständigen Ermittlungen angehalten, in ersteren nicht. Siehe: https://www.bundesarbeitsgericht.de/die-arbeitsgerichtsbarkeit/


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