Neupack übt Revanche

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Unternehmer-Familie Krüger lässt Betriebsratsvorsitzenden bespitzeln und kündigen

BerlinNeupackSoliaktionNach einem heftigem Arbeitskampf (wir berichteten am 19.8.2013) setzt das norddeutsche Plastik-Becher-Unternehmen Neupack auf professionelle Zermürbungstaktikten gegen einen bekannten Gewerkschafter der IG BCE. Dazu gehört der massive Einsatz von Detektiven, eine Verdachtskündigung und eine Kündigung wegen eines Interviews.

Die sattsam bekannten Methoden aus dem Giftschrank des Union Busting (Was ist das?) werden von Marc Müller (Kanzlei Taylor Wessing) vor Gericht vertreten.

Jetzt scheiterte eine Güteverhandlung. Unser Kollege Bertold Buntspecht berichtet vom laufenden Verfahren:

Tatbestände konstruiert um Gewerkschaft zu enthaupten

Vor dem Arbeitsgericht Hamburg fand am 16.09.2014 die Güteverhandlung in Sachen Murat G. (Betriebsratsvorsitzender) gegen die Fa. NEUPACK Verpackungen GmbH & Co. KG statt. NEUPACK hatte beantragt, das Gericht möge die (vom Betriebsrat in seiner Anhörung verweigerte) Zustimmung zur fristlosen Kündigung des BR-Vorsitzenden G. ersetzen, um diesem das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Hilfsweise möge das Gericht die Zustimmung des Betriebsrats zu einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist ersetzen. Murat G. wiederum hatte gegen die beiden außerordentlichen Kündigungen geklagt und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen vertraglichen Bedingungen verlangt.


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Wäre das Gericht den Anträgen der NEUPACK-Anwälte gefolgt, hätte Murat G. seinen Arbeitsplatz bereits verloren und die Kolleginnen und Kollegen bei NEUPACK stünden ohne ihren kämpferischen und solidarischen BR-Vorsitzenden da. Im Gütetermin wurde jedoch so vehement um die rechtliche Bewertung der Auseinandersetzungen gestritten, dass ein Einigungsversuch scheitern musste.

Konstruierte Kündigungsgründe nach bewährten Muster

NEUPACK warf Murat u.a. vor, er habe in einem Zeitungsinterview mit „EXPRESS – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit“ (Ausgabe 03-04/2014) falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt, nämlich namentlich benannte NEUPACK-Führungskräfte bezichtigt, ihn und auch seine ebenfalls bei NEUPACK beschäftigte Ehefrau im Betrieb geschlagen zu haben. Dieser Behauptung trat Murat G.‘s Anwalt entgegen und betonte, es sei dem Interviewer bei der Abfassung des Textes eine Namensverwechslung unterlaufen. Es habe die von ihm, G., behaupteten Übergriffe gegeben, jedoch seien in der Textfassung des Gesprächs die handelnden Personen vertauscht worden. Dies habe sein Mandant auch bereits klargestellt. Der Vorwurf der Tätlichkeiten gegenüber NEUPACK-Mitarbeiter(inn)en bleibe ungeachtet dessen bestehen. Es sei nach den Gewalttätigkeiten auch Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft erstattet worden. Da NEUPACK und die beschuldigten Mitarbeiter die Vorwürfe jedoch bestritten hätten und keine Zeugen vorhanden gewesen seien, die Murat G.‘s Angaben hätten bestätigen können, seien die beiden Ermittlungsverfahren eingestellt worden.

Bespitzelung des Betriebsratsvorsitzenden und seiner Angehörigen durch Detektive

Die zweite außerordentliche Kündigung, der der BR ebenfalls seine Zustimmung verweigert hatte, stützte sich auf die Behauptung, Murat G. habe sich krankschreiben lassen, obgleich er in Wahrheit arbeitsfähig gewesen sei. Er habe mithin unrechtmäßig Entgeltfortzahlung bezogen und schwere arbeitsvertragliche Verstöße begangen, indem er während des Zeitraums der von ihm mitgeteilten (und durch ärztliches Attest beglaubigten) Krankschreibung zu Hause Gartenarbeit verrichtet, sich auch beim Treppensteigen völlig beschwerdefrei fortbewegt und dabei auch Lasten getragen habe. Dies könnten zwei (noch vom Arbeitgeber zu benennende) Zeugen bestätigen, nachdem sie Murat G. dabei beobachtet hätten. Nach dem Vortrag des NEUPACK-Anwalts seien zusätzlich noch Privatdetektive damit beauftragt gewesen, Murat G. während der Zeit seiner Krankschreibung zu beobachten. Mit diesem Verhalten, so die NEUPACK-Anwälte, habe er seinen Arbeitgeber und die dort beschäftigten Kolleg(inn)en hintergangen, und im Unternehmen habe man deshalb kein Vertrauen mehr zu ihm.

Verdachtskündigung: Die Masche ist seit Jahren bekannt

Mit dem schwerwiegenden Vorwurf, ein BR-Vorsitzender habe das Vertrauen seines Arbeitgebers missbraucht, weshalb dem Arbeitgeber nicht länger zugemutet werden könne, ihn weiterhin in seinem Betrieb zu beschäftigen, werden regelmäßig sog. Verdachtskündigungen begründet. Diese stellen eine Besonderheit des deutschen Arbeitsrechts dar, denn üblicherweise muss sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht gerade ein derart schwerwiegender Vorwurf lückenlos dargelegt und bewiesen werden und darf sich nicht allein auf einen bloßen Verdacht stützen. Murat G.‘s Anwälte hielten dagegen, dass ihr Mandant sich ordnungsgemäß krank gemeldet und ein ärztliches Attest vorgelegt habe. Außerdem sei er bereit, seine behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht zu entbinden und, sofern das Gericht dies für geboten erachte, als Zeugen anhören zu lassen. Der Verdachtskündigung des Arbeitgebers mangele es in jeder Hinsicht an einem substantiierten Tatsachenvortrag. Der Arbeitgeber habe seinen Mitarbeiter über den gesamten Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit bespitzeln lassen und in die Observationsmaßnahmen auch dessen Familienangehörige einbezogen.

Die beiden von NEUPACK als Zeugen benannten Mitarbeiter könnten nach Einschätzung der Anwälte des BR-Vorsitzenden mit ihren ebenso flüchtigen Beobachtungen wie laienhaften Bewertungen des Gesundheitszustands ihres Kollegen keineswegs ein ärztliches Attest erschüttern. Die von ihnen und den Detektiven beobachtete Gartenarbeit stehe, was die körperlichen Belastungen angehe, in keinem Verhältnis zu jenen Belastungen, denen G. während seiner Arbeit als Maschinenführer ausgesetzt sei. Heftig kritisierten Murat G.‘ sA nwälte auch den Stil des Arbeitgebers, arbeitsrechtlich sanktionierbare Tatbestände zu konstruieren, um mit ihren seit Jahren andauernden Aktivitäten gegen ihren BR-Vorsitzenden „im Rahmen ihrer Strategie des Union Busting auch der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft das Haupt abzuschlagen“.

Der Kammertermin findet am 08.01.2015 um 09.00 Uhr statt.

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Hintergrund

Rund 200 Arbeiter produzieren in Hamburg-Stellingen und Rotenburg (Wümme) bei Neupack Plastikbecher für Marken wie Frischli, Heideblume, Humana, Milram.

Am 1. November 2012 traten die Neupack-Arbeiter in einen unbefristeten Erzwingungsstreik, um einen Haustarifvertrag zu erlangen. Vorangegangen waren monatelange Versuche der Belegschaftsvertreter, mit der Unternehmerfamilie Krüger in Verhandlungen zu kommen, um willkürliche Lohnunterschiede und eine Personalführung nach Gutsherrenart zu beenden. Die Gewerkschafter der IG BCE nannten zuvorderst folgende Punkte:

  • Viele KollegInnen haben seit zehn Jahren keine Lohnerhöhungen mehr erhalten.
  • Für die gleiche Arbeit gab es Lohn zwischen acht und 15 Euro.
  • Urlaub und Zuschläge wurden unterschiedlich und willkürlich gewährt.

Hinzu kamen skurrile Regelungen, „dass wenn man beispielsweise krank ist, pro Krankheitstag das Weihnachtsgeld gekürzt wird“, wie Rajko Pientka (Sekretär der IG BCE) gegenüber dem NDR erklärte.

Mehr Infos: Pressespiegel des Soli-Kreis Neupack


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