Vor dem EU-Gerichtshof (EuGH) sollen Schadensersatzforderungen gegen Fluglinien und „Verursacher“ von Flugausfällen durchgesetzt werden
Unter dem Deckmantel des Verbraucherschutzes drohen weit reichende gewerkschaftsfeindliche Maßnahmen im Transportwesen. Wie Spiegel-online am 19. April 2012 berichtet, könnten Passagiere in Zukunft für ausgefallene Flüge auf Schadensersatz bis zu 600,- Euro klagen:
Dafür plädierte der Generalanwalt Yves Bot am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in seinen am Donnerstag veröffentlichten Schlussanträgen. Airlines müssten demnach bis zu 600 Euro an Betroffene zahlen und sollen dafür dann die Streikverantwortlichen haftbar machen können.
Der EuGH folgt zumeist den Schlussanträgen seiner Generalanwälte. Anlass der bevorstehenden Grundsatzentscheidung war ein Streik des Bodenpersonals am spanischen Flughafen Barcelona im Juli 2006: Die Fluglinie Finnair musste deshalb mehrere Flüge umorganisieren, mit dem vom Kläger gebuchten Flug wurden andere Reisende befördert. Er selbst kam in einer Sondermaschine mit zehnstündiger Verspätung an seinem Reiseziel an und fordert deshalb eine Ausgleichszahlung in Höhe 400 Euro wegen Nichtbeförderung.
Was zunächst wie eine kundenfreundliche Maßnahme aussieht, könnte sich bald als gefährliche Waffe gegen Arbeitskämpfe von Gewerkschaften im Flugverkehr oder auch im Bahnbereich entpuppen:
Bot vertritt die Auffassung, dass Fluggesellschaften von den „Verantwortlichen“ eines Streiks Schadenersatz für geleistete Ausgleichszahlungen einfordern können. Dies sei aber nur der Fall, wenn die Airline für den Streik des Flughafenpersonals nicht verantwortlich ist.
Ob mit dem Begriff „Verantwortliche“ Gewerkschaften oder Flughafenbetreiber gemeint sind, ergibt sich einem Gerichtssprecher zufolge aus den Anträgen nicht. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet.
(Hervorhebungen von arbeitsunrecht.de)
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Derzeit beobachten wir, dass die Arbeitgeberseite auf verschiedenen Ebenen Lobbyismus betreibt, um Streiks im Transportbereich gerichtlich bzw. gesetzlich zu verhindern. So plädierte der „Wirtschaftsweise“ Wolfgang Franz am 12. April in der Wirtschaftswoche für ein umfassendes Streikverbot, Ryanair machte am 4. April in dieser Richtung mobil. Die Carl-Friedrich von Weizsäcker-Stifung warb Mitte März 2012 für ein umfassendes Streikverbot gleich in mehreren wichtigen Industriezweigen, die als „Daseinsvorsorge“ zusammengefasst wurden.