Flink: Union Busting und die Grenzen der Meinungsfreiheit

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Präzedenzfall vor LAG Berlin: Vertragsverhältnis wegen kritischer Berichte über professionelle Betriebsratsbehinderung aufgelöst

► Betriebsratsinitiator klagt auf Wiedereinstellung
► Grenzen der Kritik: Die Firma als rechtliche Sonderzone? Wo endet die Meinungsfreiheit für Beschäftigte und Betriebsräte?
► Verhandlung Landesarbeitsgericht Berlin am Dienstag, 19.12.2023, 10.30 Uhr, Raum 341, Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin
► Verein ruft zu Solidarität auf und bittet um Spenden für den Fonds Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt!

Der Pressesprecher der Aktion gegen Arbeitsunrecht, Elmar Wigand, hat 2022/23 in Berlin-Rummelsburg als Rider für den Lieferdienst Flink Supermarktware ausgeliefert. Er war an einer versuchten Betriebsratsgründung in Berlin am 5. September 2022 beteiligt, die von Flink und der Union Busting-Kanzlei Pusch Wahlig systematisch sabotiert und am Ende erfolgreich verhindert wurde.

Wigand erhielt drei Kündigungen, die in der ersten Instanz vom Arbeitsgericht Berlin für nichtig erklärt wurden . Das Gericht entfernte ihn dennoch aus dem Job. Denn nach 9 § Kündigungsschutzgesetz sei eine „den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit“ nicht zu erwarten.

Wir halten das für einen klassischen Fall von Arbeitsunrecht und sind in Berufung gegangen.

Grundlage für die Entscheidung des Arbeitsgerichts dem Kündigungswunsch von Flink zu entsprechen waren Veröffentlichungen von Elmar Wigand auf unserer Vereinswebseite arbeitsunrecht in deutschland und in der Radio-Sendung arbeitsunrecht FM, in denen sich Elmar kritisch mit den Union Busting-Methoden von Flink und der beratenden Kanzlei Pusch Wahlig auseinander gesetzt hatte. Scharf im Ton zwar, doch dem Sachverhalt angemessen und nie beleidigend.


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Bis auf Elmar Wigand, der für seine Wiedereinstellung und das Recht auf Meinungsfreiheit streitet, sind alle Betriebsratsinitiatoren bei Flink inzwischen zermürbt und entnervt ausgeschieden. Hier haben die Methoden von Flink und Pusch Wahlig gewirkt. Doch wir bleiben am Ball.

Präzedenz-Fall: Meinungsfreiheit am Arbeitsplatz + Missbrauch des §9 Kündigungsschutzgesetz

Es geht um nicht weniger als den systematischen Missbrauch des Kündigungsschutzgesetzes und die Grenzen der Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt. Demokratie darf nicht vor den Werkstoren enden!

Müssen Lohnabhängige und ihre Interessensvertreter schmutzige Methoden und gezielte Provokationen tatsächlich klaglos erdulden? Berechtigte Kritik an schmutzigen, rechtsnihilistischen und teils illegalen Unternehmensmethoden muss auch für Beschäftigte möglich sein. Die Wirtschaft ist keine exterritoriale Zone außerhalb des Grundgesetzes.

In harten Fällen wie systematischer Betriebsratsbehinderung bei Flink muss ein Unternehmen auch scharfe Kritik hinnehmen, insbesondere wenn das Management diese Kritik durch Missachtung von Arbeitnehmerrechten (Koalitionsfreiheit, Betriebsverfassungsgesetz) und willkürliche Kündigungsversuche provoziert hat.

Flink wurde in erster Instanz von der hauseigenen Justitiarin Sarah Erne vertreten, die in einem begleitenden Medienprozess durch eine eidesstattliche Falschaussage aufgefallen ist.

  • Wann? Dienstag, 19. Dezember 2023, um 10:30 Uhr in

  • Wo? Raum 341, Landesarbeitsgericht Berlin, Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin.

Diskreditierung als Union Busting-Methode

Die toxischen Schriftsätze von Flink und ihren beratenden Anwälten enthalten Unterstellungen, Konstruktionen und versuchen die Betriebsratsgründer als blindwütige Radikale zu zeichnen, die die Firma, wenn nicht gleich die ganze Online-Lieferbranche in den Abgrund stoßen wollen. Dabei handelt es sich tatsächlich lediglich um Angestellte, die daran gehindert werden ihre Rechte wahrzunehmen.

Start-ups verbrennen Milliarden an Risiko-Kapital. Firmen wie Flink stehen nicht wegen Betriebsräten und Gewerkschaften am Abgrund, sondern weil ihnen offenbar ein profitables Geschäftsmodell fehlt, zumal der Boom aus dem Corona-Lockdown vorbei ist und die Inflation den Konsum abbremst. Wer zudem Arbeitsrechte derart missachtet braucht sich nicht zu wundern, wenn Image und Beliebtheit bei Arbeitssuchenden und Kund*innen leiden.

Flink Expansion 4 GmbH: Absurde Unternehmensaufspaltungen werden zum Boomerang

Elmar Wigand war für eine „Flink Expandion 4 GmbH“ angestellt, die das Warenlager in der Rummelsburger Bucht betreibt. Als angeblich unabhängige Firma.  Die Kündigungsversuche des Flink-Managements basieren auf der Annahme, die Arbeitsbeziehungen zwischen Elmar Wigand und Flink seien zerrüttet. Das ist jedoch nicht der Fall. Sarah Erne und Boris Radke arbeiten für die Flink SE. Sie sind weder Kollegen noch Vorgesetzte von Elmar Wigand. Der Status des Flink-PR-Mannes Boris Radke ist bis heute unklar und wird von Flink auf Nachfrage nicht geklärt. Vermutlich ist Radke bloß ein Teilzeit-Pressesprecher auf Honorarbasis. 

Mit Kollegen und Vorgesetzten der Flink Expension 4 GmbH hatte Elmar Wigand nie ein Problem. Es ist ein Strukturelement aller Lieferdienste, dass das Fußvolk — Rider und Picker — von Management, Kundendienst und Programmierern strikt getrennt sind. Bei Flink sind es sogar verschiedene Firmen. Daher gehen die Kündigungsversuche von Flink auch strukturell  ins Leere.

SLAPP: Unternehmenskritik wird zum existentiellen Risiko

Der Verein Aktion gegen Arbeitsunrecht war im Zuge des Verfahrens SLAPP ausgesetzt (Strategic lawsuit against public participation, Strategische Prozessführung gegen öffentliche Beteiligung). Flink setzte die berüchtigte Medienkanzlei Schertz Bergmann auf Elmar Wigand und den Verein an. Deren Versuche konnten wir abwehren.

Zusätzlich setzte Union Busting-Anwalt Tobias Pusch, der die Betriebsratsbekämpfung bei Flink federführend betreibt, die einschlägige Kanzlei Irle Moser (vertritt u.a. Julian Reichelt gegen BILD) auf den Verein und seinen Pressesprecher an. Hier nutzte man einen Flüchtigkeitsfehler, um eine Unterlassungserklärung zu erwirken. Elmar Wigand hatte Tobias Pusch Zitate zugeordnet, die tatsächlich von Sarah Erne getätigt wurden. Die Flink-Justitiarin hatte den Betriebsratswahlinitiator Wigand in ihren Schriftsätzen unter anderem als „Feind der Gesellschaft“ bezeichnet. Auch hier der Versuch der Diskreditierung als Union Busting Methode.

Das Phänomen SLAPP, also missbräuchliche Klagen gegen Journalisten und Aktivist*innen, ist mittlerweile auch ein Thema für die EU.

Ein geplantes Gesetz soll strategische Klagen von Unternehmen eindämmen und Opfer besser schützen. Ins Fadenkreuz geraten immer wieder engagierte Beschäftigte, Gewerkschafter*innen und Betriebsräte.

Die Aktion gegen Arbeitsunrecht braucht dringend Geld, um Anwalts- und Prozesskosten zu bestreiten. Wir rufen Freunde und Unterstützer*innen auf:

Spendet für den Fonds Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt! https://arbeitsunrecht.de/meinungsfreiheit


Für Rückfragen: Elmar Wigand, Pressesprecher, 0176.588 656 23, presse@arbeitsunrecht.de

WER SIND WIR?

Die „Aktion gegen Arbeitsunrecht e.V. – Initiative für Demokratie in Wirtschaft & Betrieb“ ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für Arbeitsrechte als Menschenrechte einsetzt.

Wir unterstützen Betriebsräte, Gewerkschafter/innen und Beschäftigte und beleuchten die Schattenseiten der deutschen Wirtschaft.

Wir dokumentieren und analysieren Union Busting (d.h. die systematische und professionelle Bekämpfung arbeitgeber-unabhängiger Organisierung) und Fertigmacher-Methoden. Wir entwickeln Gegenstrategien und beraten Betroffene.

Zu unseren Mitgliedern gehören Lohnabhängige, Rechtsanwälte, Publizisten, soziale Aktivisten + Bürgerrechtler/innen.

Träger des taz.panter Preis 2017.




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