Frontberichte 14/2020: Amazon, Borbet

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Presseschau: Betriebsratsbehinderung und Union Busting in Deutschland

Infrogmation of New Orleans, ProtectedByPinkertonsSignNOLA, CC BY-SA 3.0
  • Amazon / International: Spionage gegen Beschäftigte
  • Borbet / Solingen: Weiter beinhartes Union Busting

Amazon: Mit Spionen gegen die eigenen Beschäftigten

Amazon Boss Jeff Bezos ist einer der größten Gewinner der Corona-Pandemie. Allein zwischen Juni und September 2020 hat Amazon mit 82,3 Milliarden Euro rund 37% mehr Umsatz als im Vorjahreszeitraum gemacht. Gleichzeitig stellte das Unternehmen mehr als 300.000 zusätzliche Arbeiterinnen und Arbeiter ein, um den Kundenansturm bewältigen zu können. Mittlerweile arbeiten weltweit mehr als 1,1 Millionen Menschen für Bezos.

Sein Vermögen und den Erfolg von Amazon haben seine Angestellten mit viel Blut, Schweiß und unter massiver Ausbeutung geschaffen. Um weiter traumhafte Gewinne einzufahren setzt Bezos auf brutalstes Union Busting mit militärischen Methoden. Seit Jahren ruft die Aktion ./. Arbeitsunrecht deshalb dazu auf nicht bei Amazon einzukaufen (11 Gründe nicht bei Amazon zu bestellen).

Spionage und Überwachung rund um die Uhr

Die Überwachung der Mitarbeiter gehört seit vielen Jahren zu einer der erfolgreichsten Methoden von Amazon, die Ausbeutung und Disziplinierung der eigenen Mitarbeiter zu perfektionieren. Immer wieder schaffen es Betriebsräte und Gewerkschaften in Deutschland den weiteren Ausbau zu einer totalen Überwachung der Mitarbeiter zumindest einzugrenzen. Zuletzt untersagte die niedersächsische Landesbeauftragte für Datenschutz, Barbara Thiel, Amazon die minutengenaue Quantitäts- und Qualitätsleistungsdaten ihrer Beschäftigten zu erheben und diese zu nutzen.

Doch Amazon geht längst viel weiter. Mit dem Amazon Global Security Operations Center hat der Konzern sich seinen eigenen betriebsinternen Geheimdienst aufgebaut. Der auf der einen Seite (offiziell) die eigenen Daten, Lagerhäuser und weitere Infrastruktur schützt, jedoch auch darüber hinaus für die Bespitzelung der eigenen Mitarbeiter zuständig zu sein scheint. Dazu setzt der Konzern nicht nur eigene Ermittlungsgruppen in seinen Standorten ein, sondern erstellt auch sogenannte Heatmaps in denen er Standortdaten, Leistungsmerkmale und die Loyalität der Mitarbeiter erfasst. So will Amazon Unruheherde frühzeitig erkennen und ausschalten. 


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Wie nun aus internen Dokumenten des Global Security Operations Center hervorgeht, aus denen das Magazin Vice zitiert, geht Amazon dabei jedoch noch weiter als bisher bekannt. So soll der Konzern unter anderem die Social Media Profile seiner Mitarbeiter und die von sozialen Bewegungen wie „Fridays for Future“, „Extinction Rebellion“ und Greenpeace systematisch analysiert und auch private Chatgruppen infiltriert haben. Die oben benannten Bewegungen werden ebenso wie die Gewerkschaft Verdi als „bedrohlich“ eingestuft. 

Weitere Berichte zeigen unter anderem das Amazon sogenannte  „Spitzenrisikobewertungen“ anfertigt. Die Berichte fertigt Amazon wohl speziell für die Zeit des Weihnachtsgeschäfts und rund um den „Black Friday“ an. Hierzu werden unter anderem Listen mit Daten, Uhrzeiten und der Anzahl der Teilnehmer an möglichen Protesten, die besonders in dieser Phase anfallen, erstellt.

Bei dieser Herangehensweise scheint es nur konsequent zu sein, wenn Amazon noch einen Schritt weiter geht und den berüchtigsten privaten Union Buster beauftragt seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu überwachen um gewerkschaftliche Organisierung zu unterbinden und schon im Ansatz zu zerschlagen. 

Pinkerton: Union Busting mit blutiger Tradition

Die Pinkerton Consulting & Investigations Inc. blickt auf eine 170 Jahre lange und blutige Tradition zurück. Gerade auf dem Feld des Union Bustings war Pinkerton im 19. Jahrhundert für ihre Brutalität und Skrupellosigkeit in den USA bekannt. Bei ihren Streikbruchaktionen gingen sie auch über Leichen der Arbeiter. Seit der Übernahme im Jahr 1999 gehört Pinkerton zum schwedischen Sicherheitskonzern Securitas AB

Laut den Informationen von Vice soll Pinkerton für Amazon unter anderem Agenten in ein Lagerhaus des Konzerns im polnischen Wroclaw eingeschleust haben, um dort die Beschäftigten zu überwachen. 

Auch Christy Hoffman, Generalsekretärin von UNI Global Union, kritisiert den Einsatz von Pinkerton scharf: „Es reicht nicht aus, dass Amazon seine marktbeherrschende Macht missbraucht und von der EU kartellrechtlich angeklagt wird; jetzt exportieren sie amerikanische Taktiken zur Zerschlagung von Gewerkschaften aus dem 19. Jahrhundert nach Europa.“

Auch ein Streik im vergangenen Februar 2020 am Leipziger Amazon Standort taucht in den Berichten von Pinkerton auf. Hier sollen dem Bericht zufolge 339 Mitarbeiter teilgenommen haben. Wichtig für Amazon: Darunter kein Führungspersonal. Untermauert werden die Berichte durch Fotos der Streikenden, sowie beteiligter Gewerkschafter und Journalisten die von vor Ort berichteten. 

Amazon betont in einer Stellungnahme das man sich stets an die geltenden Gesetze halte und man Pinkerton nur zur Sicherung von wertvoller Fracht einsetze.

Mit militärischen Methoden zu immer größeren Profiten

Zur Beherrschung seiner Marktmacht und Mitarbeiter setzt Amazon mehr und mehr auf militärisches Know-How. Laut einem Bericht der „Jungen Welt“ warb Amazon vor kurzem auf dem Onlineportal Indeed um einen „Operationsmanager für Führungskräfte mit militärischem Hintergrund“. Mit diesem wollte der Konzern scheinbar schwerere Geschütze für die Streikhochburg Graben bei Augsburg auffahren. 

Weiter hieß es in der Anzeige: „Die Einstellung von Personal aus dem Militär ist ein entscheidender Bestandteil unseres unternehmensweiten Businessplans“. Diese sollen helfen die Mitarbeiter zu höchster Einsatzbereitschaft und Bestleistungen zu motivieren.

Für den Pressesprecher von Amazon-Logistics, Thorsten Schwindhammer, ist die Beteiligung von militärischem Personal in den Führungsetagen der Standorte scheinbar vollkommen normal: „Auch unsere Standortleiter in Rheinberg oder Werne haben einen Bundeswehr-Hintergrund.“ Disziplin und Gehorsam scheinen bei Amazon zu den wichtigsten Einstellungskriterien zu gehören. 

Amazon.com Inc. ist in Amerika und Europa der marktbeherrschende Online-Händler. Amazon gehört zu den größten Gewinnern der Corona-Pandemie. Im  Jahr 2019 machte Amazon einen Umsatz von 280 Milliarden Dollar. In diesem Jahr dürfte der Umsatz um mindestens 40% ansteigen.

Quellen:

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Weiter beinhartes Union Busting bei Borbet

In den vergangenen zwei Jahren mussten wir immer wieder über die Situation beim Leichtmetall-Radhersteller Borbet GmbH in Solingen berichten (Frontberichte 01/2019, 12/2019, 06/2020, 08/2020). Seit mehr als zwei Jahren versucht die Geschäftsleitung unter Peter Wilhelm Borbet die Auflösung des Betriebsrats im Solinger Werk zu erreichen. Zur Durchsetzung dieser Maßnahme hat Borbet die Rechtsanwältin Britta Heilf der berüchtigten Union Busting-Kanzlei (Was ist das?) Schreiner + Partner angeheuert.

Doch Borbet geht es nicht allein um die Auflösung des Betriebsrats mit allen Mitteln, sondern auch um die Ausweitung des Einsatzes von Leiharbeitern, die Einführung eines neuen Schichtsystems und die Verhinderung eines einheitlichen Tarifvertrags für alle deutschen Borbet Standorte. 

Neuwahl des Betriebsrats

Nachdem das Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 23.06.2020 in zweiter Instanz die Auflösung des Solinger Betriebsrats wegen einem angeblichen schweren Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz bestätigte (Az.: 14 TaBV 75/19), fanden vom 27.-29.10.2020 Neuwahlen im Solinger Werk statt. Kurz vor der Wahl senkte die Geschäftsführung die Zahl der Mitarbeiter in Solingen auf knapp unter 700 Beschäftigte, damit der Betriebsrat nur noch aus 11 und nicht wie zuvor aus 13 gewählten Vertretern der Belegschaft besteht. 

Die IG Metall berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe ihrer Betriebszeitung „Unwucht“, von einer Wahlbeteiligung von mehr als 90%. Dabei konnten die der Geschäftsführung eher wohlgesonnenen Listen einen hauchdünnen Vorsprung vor der IG Metall Liste erzielen. Diese bilden nun mit nur wenigen Stimmen Vorsprung die neue Betriebsratsmehrheit. Der neu gewählte Betriebsrat muss sich nun erneut um die zahlreichen offenen Konflikte rund um die Arbeitsbedingungen bei Borbet kümmern. 

Kampf um einen Tarifvertrag für alle Borbet Beschäftigten

Das Solinger Werk war lange Zeit der einzige Standort der Firma Borbet, an dem es bisher einen Tarifvertrag gab. Zum 29. Juli 2020 hat die Geschäftsführung den seit dem Jahr 2003 geltenden Haustarifvertrag am Solinger Standort gekündigt.

Sie will damit das bisherige 4,5-Schichtsystem kippen und die Einführung eines neuen 5-Schichtsystems erreichen. Laut dem ehemaligen Solinger Betriebsrat würde die Einführung des neuen Schichtsystems massive finanzielle Einbußen für die Belegschaft bedeuten. Im Schnitt dürften die Kollegen mehrere hundert Euro weniger im Monat verdienen.

Die IG Metall hat diesen Angriff zum Anlass genommen nun für alle deutschen Standorte einen gemeinsamen Tarifvertrag zu fordern. Seit August 2020 versucht die IG Metall daher mit Borbet über einen Tarifvertrag zu verhandeln. Nach ersten Gesprächen und einem Wechsel der Verhandlungsführer auf Seiten von Borbet von Burkhard Plett zu Ralf von Hörsten im September 2020 scheint Borbet nun auf Zeit zu spielen. Da es bis zu einer von der IG Metall gesetzten Frist zum 01.12.2020 keine Terminvorschläge für neue Gespräche von Seiten der Geschäftsführung gab, rief die Gewerkschaft zu einem ersten Warnstreik in Solingen auf. 

An 9. und 10.12.2020 traten daraufhin fast alle Beschäftigten der jeweiligen Schichten für jeweils zwei Stunden in den Streik. Die IG Metall spricht von enormer Beteiligung an dem Warnstreik. Dabei tat Borbet und Werksleiter Kai Berger alles dafür um den Streik zu sabotieren. Den Arbeitern der verschiedenen Schichten sollen jeweils 100€ und später sogar 200€ Streikbrecherprämie angeboten worden sein, wenn sie sich nicht am Streik beteiligen würden.

Der Geschäftsführer der IG Metall Remscheid-Solingen Marko Röhrig berichtet zudem von Aktionen der Werks- und Personalleitung während des Streiks, die ihn zum Verlassen des Werksgeländes drängen sollten. Sie drohten ihn zudem mit einer Strafanzeige. Ohne Erfolg! Für zukünftige Streiks soll die Geschäftsführung bereits an anderen Borbet Standorten unter dem Deckmantel eines Corona bedingten angeblichen hohen Krankenstands, nach Kollegen suchen, welche dann als Streikbrecher fungieren können. 

Die IG Metall hat Borbet nun erneut eine Frist bis Januar 2021 gesetzt, um an den Verhandlungstisch zukommen. Sollte diese erneut ohne Reaktion verstreichen, will die Gewerkschaft zu weiteren Streiks in Solingen aufrufen.

Borbet muss Leiharbeiter fest anstellen

Auch beim Thema der Leiharbeit musste Borbet nun nach einer jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Betriebsrat eine erneute Schlappe einstecken. Nachdem bereits das Landesarbeitsgericht Düsseldorf geurteilt hatte, dass die Geschäftsführung die Leiharbeiter bei Borbet nur nach einer entsprechenden Betriebsvereinbarung zwischen Unternehmen und Betriebsrat hätte einstellen dürfen, hat das Bundesarbeitsgericht am 03.09.2020 die Beschwerde von Borbet gegen das Urteil zurückgewiesen (Aktenzeichen 12TaBV74/19). Damit musste Borbet ab diesem Tag alle Leiharbeiter in Solingen fest anstellen. Ein Sieg auf ganzer Linie für Betriebsrat und Beschäftigte!

Mittlerweile hat die Mehrheit des neu gewählten Betriebsrates jedoch der Neueinstellung weiterer Leiharbeiter mit Befristung bis zum 31.12.2020 zugestimmt. Die Geschäftsführung rechtfertigt dies mit der schwierigen Situation auf Grund der Corona-Pandemie. Es bleibt abzuwarten ob der Betriebsrat auch einer Verlängerung der Leiharbeit im kommenden Jahr zustimmen wird. 

Borbet ist ein inhabergeführtes Familienunternehmen mit Hauptsitz in Hallenberg-Hesborn im Sauerland. Im Standort Solingen arbeiten rund 700 Beschäftigte. Erst 2018 investierte Borbet 20 Millionen Euro in das Solinger Werk. Die Firma betreibt außerdem Werke in Medebach (Sauerland), Bad Landensalza (Thüringen), die Borbet Vertriebs GmbH in Niederneuching (Bayern), die Borbet Sachsen GmbH in Kodersdorf, Borbet Austria in Ranshofen, Borbet S.A. in Port Elisabeth (Südafrika), sowie ein Werk in Auburn (Alabama, USA), das unter Leitung von Borbet Austria betrieben wird.

Quellen:

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