Stell Dich dem Kampf! Strategien, Vorträge und Diskussionen

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Union Busting-Opfer Ernestine C. und Annette S. im TV-Beitrag. RA Stefan Schneider referiert zum Verfahren gegen Helmut Naujoks und die Geschäftsführung der Schacht GmbH.

2. juristisch-politische Fachkonferenz der Aktion gegen Arbeitsunrecht. Eine Nachlese

Werner Rügemer liest dem System in seiner Eröffnungsrede die Leviten: „Der neoliberale Kapitalismus hat sich weiter beschleunigt, ist noch aggressiver geworden, komplizenhaft geschützt von sogenannten Verantwortlichen in den Bundesregierungen und in der Europäischen Union, ob sie christlich oder sozialdemokratisch oder liberal oder auch grün lackiert sind.“

Rund 50 Personen hörten am 26. + 27. Oktober in Köln interessante Vorträge und Podiumsdiskussionen zu den Themen Union Busting, Arbeitsunrecht, Widerstand (Programm + Referent*innen). Sie beratschlagten zukünftige Aktionen gegen die traurige Lage im Einzelhandel und das System Tönnies.

Resultate:

  • Der Aktionstag Einzelhandel #FREITAG13 am 13. Dezember 2019 wird sich erstmals nicht auf ein einziges Unternehmen fokussieren, sondern Horror-Jobs im Einzelhandel beleuchten. Der Zeitpunkt ist günstig: Die Vorweihnachtszeit bringt mit Abstand den meisten Umsatz für die Konzerne. Der Stress für Verkäufer, Kassierer und Regaleinräumer*innen ist unvergleichlich hoch. Entsprechend wirkungsvoll sind kreative Interventionen.
  • Die aktion ./. arbeitsunrecht prüft strafrechtliche Schritte gegen RA Naujoks
  • Vormerken: Wir bereiten einen umfassenden Kongress zum Thema Belegschaftsübernahme / Workers Buy-out im Mai 2020 in Berlin vor.
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Jetzt übernehmen wir! Belegschaftskontrollle durch Workers Buy-out

Ein Schwerpunkt der Konferenz war die Möglichkeit einer Betriebsübernahme durch die Belegschaft. Raphael Kamps, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender des Wombats Hostel Berlin, forderte eine solche Möglichkeit auch für Deutschland. In den USA ist die Debatte bereits in Gang – angefeuert aus dem Umfeld des demokratischen Sozialisten Bernie Sanders und des Magazins Jacobin. In Deutschland wird die aktion ./. arbeitsunrecht versuchen, die Forderung nach Enteignung von Wohnungsspekulationskonzernen entsprechend auf Betriebe zu erweitern.

Immerhin gab es bereits am 2.7.2013 eine Entschließung des EU-Parlaments, dass Genossenschaften und Kooperativen in Europa zu fördern seien, weil Genossenschaften wichtige Beiträge zur Überwindung von Wirtschaftskrisen leisten könnten. Leider ist das EU-Parlament bekanntermaßen ein zahnloser Tiger. Alle Macht liegt bei der EU-Kommission, die sich auch in diesem Fall nicht um Beschlüsse des Parlaments zu scheren scheint.

Zum Beispiel Italien: Das Marcora-Gesetz

Mit Gigi Malabarba war ein prominentes Aushängeschild der italienischen Kooperativen-Bewegung zu Gast. In seinem Vortrag beleuchtete er die Vor- und Nachteile sowie Schwachpunkte des Legge Marcora (Marcora-Gesetz), das es seit 1985 italienischen Belegschaften ermöglicht, ihren Betrieb zu übernehmen, wenn der Betreiber in den Sack haut oder bankrott geht.


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Seine Ausführungen ergänzte die fachkundige Attac-Aktivistin Giuliana Giorgi, die sich in der AG Solidarische Ökonomie seit Jahren für selbstverwaltete Kooperativen stark macht.

Scherz Bergmann und Höcker kontern

Der Rechtsanwalt Sven Tamer Forst (Schön & Reinecke) gab eine Einführung in das Medienrecht. Kanzleien wie Schertz Bergmann und der Kölner Rechtsaußen Ralf Höcker versuchen mittlerweile routinemäßig, Gewerkschafter, Bürgerrechtler und Aktivisten einzuschüchtern. Daher ist es nötig, sich hier auszukennen und nicht in Schockstarre zu verfallen. Der Vortrag ist hier als pdf zu finden: Medienrecht für Nichtjuristen.

Naujoks zahlt Schmerzensgeld

Rechtsanwalt Stefan Schneider aus Bad Nauheim berichtete über einen großen Erfolg, den er für eine Betriebsratsvorsitzende und ihre Stellvertreterin vor der Arbeitsgericht Gießen erringen konnte: Erstmals musste der verhasste Betriebsratsfresser Helmut Naujoks in diesem Jahr Schmerzensgeld zahlen. Er hatte in Absprache mit der Geschäftsführerin Carolin Reifschneider (Bad Nauheimer Alten- und Pflegeheim Schacht GmbH, 250 Beschäftigte) einen Detektiv eingeschleust, der gezielt Gründe für eine Kündigung der BR-Vorsitzenden und ihrer Stellvertreterin erzeugen sollte. Der Fall konnte nur deshalb vor Gericht verhandelt werden, weil der eingesetzte Provokateur der Detektei Meng als Zeuge zur Verfügung stand. Offenbar plagten ihn Gewissensbisse. Ein seltener Glücksfall: Immerhin mussten Helmut Naujoks und das Unternehmen zusammen 20.000,- Euro Schmerzensgeld zahlen. Das Urteil ist rechtskräftig, das Geld überwiesen.

Die Aktion gegen Arbeitsunrecht prüft, ob sie ein Verfahren wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs gegen den UnRechtsanwalt Helmut Naujoks anschließen soll.

Einzelhandel: Was hat uns bloß so ruiniert?

Die traurige Lage im Einzelhandel und Möglichkeiten des Widerstands erörterten der Organizer und Gewerkschaftsaktivist Anton Kobel, Danny Albrecht von Real und Uli K., Betriebsratsvorsitzender bei Aldi-Nord.

Anton musste als – mittlerweile pensionierter – Einzelhandelssekretär der Gewerkschaften HBV und Verdi den Niedergang des Fachbereichs hautnah miterleben. Obwohl die Zahl der Beschäftigten im Einzelhandel von 2,7 Millionen auf 3,1 Millionen stieg, ist die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder hier kontinuierlich gesunken. Das hat nach seiner Überzeugung vor allem mit der Ausweitung von Teilzeitarbeit, Leiharbeit, flexibilisierter Arbeitszeit und zersplitterten Arbeitsplänen zu tun. Die Beschäftigten können so nicht wie bisher am gesellschaftlichen Leben teilnehmen – dazu gehören auch politische Veranstaltungen und Gewerkschaftstreffen. Sie müssen im Alltag überleben und ihre Familien trotz großer Unsicherheiten sowohl bezüglich der Arbeitszeiten als auch des zu erwartenden Monatslohns zusammenhalten. Die Löhne sind so niedrig, dass auch der gewerkschaftliche Betreuungsapparat, der sich üblicherweise aus 1%-Mitgliedsbeiträgen vom Lohn finanziert, entsprechend abgeschmolzen und überlastet ist.

Organisierung der Kaufhäuser beginnt 1972

Die These, dass der Einzelhandel eine traditionelle Hochburg der Gewerkschaftsbewegung sei, bestätigte Anton Kobels Vortrag nicht. Der große Schub zur Organisierung der Branche kam erst mit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes durch die SPD / FDP-Regierung im Jahr 1972. Sie machte den Weg frei für die gewerkschaftliche Erschließung von Kauf- und Warenhäusern in den Innenstädten. Hier hatte die HBV – später Verdi – ihre Hochburgen. Von Kaufhaus-Ketten wie Hertie, Horten, Kaufhof und anderen ist inzwischen allein Karstadt übrig geblieben – mit ungewisser Zukunft. Zu bedenken ist außerdem: Die Kaufhäuser waren zu ihrer Zeit selbst aggressive Zerstörer. Ihr Aufkommen stürzte zahlreiche inhabergeführte Geschäfte auf ähnliche Weise in den Ruin wie es heute Amazon tut.

Erst 1978 gab es erste Warnstreiks im Einzelhandel. Die massivste Streikwelle erlebte die Branche 1989. Ein Schleifen der Ladenöffnungsbeschränkung durch die CDU/FDP-Regierung konnte die HBV weitgehend verhindern; die Beschäftigten mussten lediglich den Scheiß-Lange-Donnerstag (Schlado bis 20:30 Uhr) als Einfallstor akzeptieren. Der Erdrutsch passierte 1996 unter Helmut Kohl (CDU) und 2003 unter Gerhard Schröder (SPD).

Sorgenkinder: Real und ALDI-Nord

Danny Albrecht, Real-Beschäftigter und DGB-Kreisvorsitzender im Landkreis Dahme-Spreewald, berichtet von Protesten der unabhängigen Gruppe „Die Aktion“ bei Real und gewerkschaftlichen Widerstand. Er schlug vor, den Aktionstag #FREITAG13 am 13. Dezember 2019 auf den gesamten Einzelhandel auszuweiten. Statt ein Unternehmen heraus zu picken, sollten wir Ungerechtigkeiten thematisieren: Werkverträge, Leiharbeit, KapovaZ, Flex-Verträge.

Uli K. schilderte das heimliche Desaster, welches unlängst die Beschäftigten bei Aldi-Nord traf. Das Management setzte mit Hilfe der Union Busting-Kanzlei Schmidt Von der Osten & Huber für 34.000 Aldi-Beschäftigte neue Arbeitsverträge durch. Das Horror-Programm lautete: Arbeitszeiten zwischen 4.00 und 23.00 Uhr, 50-Stunden-Wochen, drohende Tarifflucht. Nur zwei Betriebsräte weigerten sich, die geforderten Regelungen mitzutragen: Bad Laasphe und Hamburg-Horst. Sie sehen sich massiver Union Busting-Maßnahmen ausgesetzt. Dazu gehören Hetz-Kampagnen, Diffamierung und Mobbing durch managementhörige Teile der Belegschaft. (arbeitsunrecht.de, 5.11.2019).

Podiumsdiskussion zum Tönnies-Konzern

Zu Gast auf dem Podium waren Camila Cirlini (Bündnis gegen die Tönnies-Erweiterungen, Gütersloh), Diana Harnisch (BUND, Weißenfels), Alina Iordan (aktion ./. arbeitsunrecht, Karlsruhe), Werner Rügemer (aktion ./. arbeitsunrecht, Köln). Sie beleuchteten die unterschiedlichen Facetten des kriminogenen Systems Tönnies. Dazu gehören neben der menschenverachtenden Ausbeutung von Werkvertragsarbeiter*innen durch Sub-Unternehmen vor allem massenhaftes Tierleid, massive Umwelt- sowie Klimaschäden, aber auch große Alltags-Belastungen für Anwohner*innen von Schlachthöfen. Ihre Interessen werden von Lokal- und Kreispolitikern allerdings allzu oft zugunsten der Geschäftsinteressen des Tönnies-Konzerns mit Füßen getreten. 

Die verschiedenen gesellschaftszersetzenden Aspekte der Tönnies Geschäftsmethoden können von einzelnen Gruppen nur bedingt effektiv und öffentlichkeitswirksam genug angegangen werden. Nach dem Vorbild des Aktionstags Schwarzer Freitag13 gegen Tönnies am 13.09.2019 wollen die Beteiligten auch zukünftig gemeinsam gegen den Konzern vorgehen. Dazu wird es 2020 Gelegenheit geben, wenn das Landgericht Berlin über die einstweilige Verfügung, die Tönnies mit Hilfe der Medienkanzlei Schertz Bergmann gegen die aktion./.arbeitsunrecht erwirkt hat, verhandelt. Geplant ist unter anderem ein Tönnies-Tribunal.

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