Interconti: Lohnraub an Putzfrauen in Düsseldorf

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Hotel-Subunternehmer Zingsheim prellt Reinigungskräfte seit Jahren systematisch um Lohn

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Zwei Afro-Amerikaner putzen 1914 im US-Capitol. Hundert Jahre später ist die Gebäudereinigung wieder verstärkt von rassistischer Ausbeutung geprägt. In Deutschland trifft das besonders Frauen aus Osteuropa, Südamerika und Afrika.

Während die SPD den Mindestlohn als großen Erfolg ihrer Regierungsbeteiligung feiert und Arbeitsministerin Andrea Nahles sich dafür nach Kräften auf die Schulter klopfen lässt, sieht die Realität vieler Beschäftigter im Niedriglohn-Sektor nach Einführung des Mindestlohns genauso trübe aus wie zuvor. Denn Unternehmer nutzen Schlupflöcher und Trickserein im Vertrauen auf milde Richter und untätige Staatsanwälte. So zum Beispiel im Reinigungsgewerbe.

Immerhin ermöglicht es das Mindestlohngesetz aber, dass die Putzfrau Silermone N. aus Düsseldorf mehrere tausend Euro an geraubtem Lohn aus dem Jahr 2015 zurück fordern kann.

Achtung: TERMIN VERSCHOBEN!

Arbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf (google maps)
NEU: Freitag, 8. Juli 2016, 12:00 Uhr, Saal 107
Dos Santos ./. Zingsheim GmbH (ZHS) | Geschäfts-Nr: 4 Ca 7179/15


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Der Prozess gegen Lohnraub durch die Firma ZHS Zingsheim Hotelservice GmbH und deren Auftraggeber, hier das Interconti Düsseldorf, illustriert, wie Lohnraub und Beutelschneiderei im Putzgewerbe-Sektor konkret funktionieren.

Pressevertreter und Prozessbeobachter erwartet ein aufschlussreicher Blick hinter die Kulissen der deutschen Arbeitswelt und ihrer Arbeitsgerichte. Es geht um nicht weniger als die systematische Ausbeutung von Einwanderern durch Sub-Unternehmer, mit der sich die Unternehmer um Geschäftsführer Karl Zingsheim über die Jahre mutmaßlich um mehrere hunderttausend Euro bereichert haben dürften.

Wie Personal-Chefs Lohn im Putzsektor rauben

Das zweifelhafte Geschäftsmodell der Reinigungs-Sub-Unternehmer-Branche geht ungefähr so (Nähreres werden wir anhand des Beispiels Zingsheim / Interconti im Prozess erfahren):

  • Im Arbeitsvertrag steht eine Klausel, nach der Lohnforderungen nur drei Monate rückwirkend geltend gemacht werden können.
  • Mit diversen Tricks enthalten die Personalchefs den Beschäftigten den allgemein verbindliche Branchen-Tariflohn vor, der im Reinigungsgewerbe nach Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) vorgeschrieben ist. (Er lag im Jahr 2015 bei mindestens 9,55 €, heute sind es 9,80 € | WSI-Tarif-Archiv)
  • So ist es in der Branche üblich, eine Soll-Vorgabe an zu putzenden Zimmern oder Fluren zu machen, die in der regulären Arbeitszeit mit dem vorgegebenen Personalschlüssel nicht zu schaffen ist.
  • Vorgesetzte üben Druck aus, Überstunden zu machen, um das Soll zu erfüllen. Die Überstunden werden nicht oder nur unvollständig erfasst bzw. nicht bezahlt. Oder sie sollen „abgefeiert“ werden.
  • Urlaubsgeld und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wird eingespart, weil die Leistungen an Teilzeitverträgen gemessen werden, obwohl die Leute de facto in Vollzeit arbeiten.
  • Wer den einbehaltenen Lohn einfordert, oder sich weigert Überstunden zu machen, wird gefeuert.
  • In vielen Unternehmen sind willkürliche Lohnabzüge durch Vorgesetzte – etwa für verschwundenes Reinigungsmaterial etc. – üblich.

Da in Verträgen der Firma Zingsheim die oben erwähnte Klausel steht, nach der ausstehender Lohn nur drei Monate rückwirkend geltend gemacht werden kann, da die Probezeit dieser Beschäftigungsverhältnisse aber zumeist sechs Monate beträgt, kann die Firma Zingsheim somit pro Person ganz legal den Überstunden-Lohn von mindestens drei Monaten prellen. Die Zingsheim GmbH betreibt dieses Modell, wie Presseberichte dokumentieren, seit mindestens 2012.

Dass eine Lohn-Verfallsfrist von drei Monaten bei einer Probezeit von sechs Monaten rechtlich überhaupt möglich ist, stellt einen Skandal dar. Wir halten das für sittenwidrig. Dass diese Praxis höchstrichterlich bestätigt ist, macht die Sache nicht besser. Hier führt die Rechtssprechung zur eingebauten Amnestie für systematischen Lohnraub, ermuntert Unternehmer wie Zingsheim also zu schwerwiegenden Regelverstößen.

Die folgende Möglichkeit ist tatsächlich eine Errungenschaft des Mindestlohngesetzes: Es hebt diese absurde Rechtssprechungs-Praxis auf. Der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Thomas Mössinger, der Silermone N. vertritt, meint dazu: „Eine Unterschreitung des Mindestlohns ist gesetzeswidrig. Klauseln im Arbeitsvertrag, die eine solche Unterschreitung beinhalten, sind unwirksam!“

Nun kann Silermone N. zwar mit Aussicht auf Erfolg geraubtem Lohn und Urlaubsgeld zurück fordern. Um Karl Zingsheim und Konsorten das Handwerk zu legen, müssten aber über den Einzelfall hinaus Ermittlungen aufgenommen und Strafen verhängt werden.

Zingsheim notorisch auffällig

Die Firma ZHS Zingsheim Hotelservice GmbH aus Blankenheim findet bereits am 13. Juni 2012 auf arbeitsunrecht.de Erwähnung.  Damals klagte eine afrikanische Putzfrau, die im Hotel „Stadt Tübingen“ geputzt hatte, vor dem Arbeitsgericht Reutlingen auf Wiedereinstellung. Für einen Vollzeit-Job wurde sie nach Angaben des lokalen Tagblatt-Anzeigers mit einem Teilzeit-Gehalt abgespeist. Als sie versuchte, sich zu wehren, und sich weigerte unbezahlte Überstunden zu machen, folgten Mobbing, sechs Abmahungung und schließlich die Kündigung wegen Arbeitsverweigerung (Schwäbisches Tagblatt, 19.6.2012).

Sie wurde vom Arbeitsgericht unter Vorsitz von Wolfram Haid mit der lächerlichen Summe von 2.000,- Euro abgefunden, die unbezahlten Überstunden blieben unberücksichtigt. Da wäre mehr drin gewesen – die Prozessführung war wieder einmal kein besonderes Meisterstück der DGB Rechtsschutz GmbH, welche die Putzfrau als Gewerkschaftsmitglied vor Gericht vertrat. Und Zingsheim machte einfach so weiter. Es kostet ja nur Peanuts.

Am 16. Februar 2015 meldeten sich per Kommentarfunktion auf arbeitsunrecht.de fünf Zimmermädchen aus Trier, die ebenfalls juristisch gegen Zingsheim vorgingen. Sie meinten: „Der Firma muss mal das Handwerk gelegt werden.“ Ein ähnlicher Bericht aus einer anderen Region datiert auf den 3. Juni 2014.

Unternehmerkriminalität begreifen: Das Sub-Unternehmersystem

Wir arbeiten daran, dass diese Form der Unternehmerkriminalität endlich als das begriffen wird, was sie ist: sozialschädlich und ausbeuterisch. Zudem systematisch und planmäßig durchgeführt. Und das aus niederen Motiven: dem Willen zur persönlichen Bereicherung.

Um diese kriminelle Struktur in ihrer Gesamtheit zu begreifen, ist es außerdem wichtig, das verschachtelte Sub-Unternehmer-System zu betrachten, das in Deutschland mittlerweile in unzähligen Branchen zum Standard gehört und von Unternehmensberatern als Non-plus-ultra empfohlen wird. (Zu beobachten ist das Modell in so unterschiedlichen Gewerben wie der Auto-Produktion, der Shell-Raffinerie in Köln-Godorf, der WDR-Dokumentarfim-Produktion, dem Kölner U-Bahn-Bau…):  Die Auftraggeber verstecken sich hinter angeblicher Unkenntnis und Compliance-Vereinbarungen, die sie mit ihren Zulieferern getroffen haben. Andererseits zwingen dieselben Auftraggeber ihre Zuliferer und Sub-Unternehmer durch enge Margen, in ein immer brutaleres Rattenrennen um niedrigere Bezahlung und gesteigerte Ausbeutung.

Kontrolle und Strafen finden praktisch nicht statt

Zudem findet eine Überwachung der vertraglich zugesagten und gesetzlich garantierten Standards nicht statt. Weder von staatswegen, noch von Seiten der Generalunternehmer. Zu studieren am Einsturz des Kölner Stadtarchivs oder den diversen Lecks von Shell und anderen Chemie-Firmen in Köln-Godorf und Wesseling. Die kaskadierende Verantwortungslosigkeit des Subunternehmer-Systems setzt kriminelles Verhalten einerseits geradezu voraus – anders sind viele Ausschreibungen oft nicht zu gewinnen. Andererseits begünstigt es die Wirtschaftskriminalität am Arbeitsplatz durch Achtlosigkeit und Desinteresse an den Arbeitsverhältnissen ganz unten in der Verwertungskette. Zudem reden wir von Zonen, wo Betriebsräte und gewerkschaftliche Vertauenskörper – also die einzig effektiven Korrektive – weitgehend unbekannt sind.

Erschwerend hinzu kommt eine Arbeitsgerichtbarkeit, die das Ganze als Kavaliersdelikt durchwinkt, selbst hochgradig kriminelle Unternehmer mit lächerlichen Abfindungen durchkommen lässt, und deren Treiben in ganzen Branchen über Jahrzehnte laufen lässt.


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2 Kommentare

    • Hallo Herr Kakkar,

      gerne möchte mich persönlich mit ihnen treffen wegen Zingsheim ZHS. Ich habe schon von ihnen gehört! Bitte melden Sie sich bei mir! email: Ssantos84@web.de

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