Marseille-Kliniken: Naujoks und Wallisch verlieren vor LAG Hamm

1
2320

Jetzt droht Demontage des Betriebsrats durch finanzielle Austrocknung | Eine Kritik der üblichen Abfindungs-Routine

Laut eines Berichts der regierungsnahen NGO Work-watch / fair im Betrieb (1) scheiterte das Management der Marseille-Kliniken vor dem LAG Hamm auf recht spektakuläre Weise mit haltlosen Kündigungsversuchen gegen zwei engagierte Betriebsratsvorsitzende aus Bochum und Herne. Das ist erstmal eine gute Nachricht.

Doch leider droht die Zermürbungsstrategie, die das Marseille-Management mit Hilfe des berüchtigten Union Busters Helmut Naujoks in Gang setzte, (2) doch noch zum Erfolg zu kommen. Denn Betroffene drohen durch vorenthaltenen Lohn finanziell auszutrocknen. Nun stehen Abfindungen im Raum.

Das erfordert kritische Anmerkungen zur „gütlichen Beilegung“ von Konflikten durch Geldzahlungen. Es stellt sich außerdem die Frage:

Warum zahlt ver.di keine Gemaßregelten-Unterstützung?

Work-watch / Fair im Betrieb schreibt zum Konflikt:


No SLAPP! Stop Union Busting! Fachkonferenz für Demokratie & Meinungsfreiheit im Betrieb | 9. Nov. 2024 | Köln | ► Mehr erfahren Jetzt anmelden!


Das Management engagierte den berüchtigten Düsseldorfer Anwalt Helmut Naujoks und seitdem herrscht in zwei Altenheimen Krieg. Es folgten Abmahnungen, nächtliche Drohanrufe, Observationen, Kündigungen.

Doch Helene B., Betriebsratsvorsitzende des Bochumer Pflegeheims Barbaraneum, sowie Jörg K., Betriebsratsvorsitzender des Herner Pflegeheims Flora Marzina, und dessen Stellvertreter Juri S., gegen die sich die Angriffe bisher richteten, bewiesen Stehvermögen und ließen sich nicht einschüchtern.

Der Großteil ihrer Kollege-innen und die Gewerkschaft verdi steht hinter ihnen und so waren die Zuschauerbänke im Saal des Landesarbeitsgerichts bis auf den letzten Platz besetzt.

Doch es gibt erhebliche Schatten über diesem Etappen-Sieg. Wo die individuelle Zermürbung nicht greift, kann eine parallel durchgeführte strategische Umstrukturierung zum Ziel führen: 

Im Verfahren um die Kündigung der beiden Kollegen des Flora Marzina bahnt sich nämlich ein Vergleich an. Ihre Jobs waren outgesourct und die Hausmeister im Januar 2016 „betriebsbedingt“ gekündigt und freigestellt worden. Seitdem halten sie sich mit Arbeitslosengeld kanpp über Wasser. Obwohl dieser Coup vor Gericht nicht zog, hatte Naujoks von Anfang an unmissverständlich damit gedroht, notfalls vors Bundesarbeitsgericht zu ziehen. Das dauert und bedeutet für die beiden engagierten Kollegen Hartz 4. Deshalb ist die Entscheidung, einen Vergleich anzustreben, nachvollziehbar.

Warum Abfindungen keine Lösung sind

Hier müssen wir den Lobbyisten der fragwürdigen Kampagne „NRW. Land der fairen Arbeit„, die sich in erheblichem Umfang von der EU und dem SPD-geführten Arbeitsministerium NRW finanzieren lassen, widersprechen: Beim Kampf gegen Union Busting (Was ist das?) geht es darum, demokratische Verhältnisse in Betrieben durchzusetzen. Dafür ist es von entscheidender Bedeutung, kampferprobte Beschäftigte und Identifikationsfiguren der Belegschaft im Betrieb zu halten und zu stabilisieren.

Wenn Kollegen aufgrund von Maßregelungen der Unternehmerseite in finanzielle Nöte kommen (in diesem Fall Hartz IV-Bezug), muss ihre Gewerkschaft einspringen. Dafür gibt es in jeder DGB-Gewerkschaft gesonderte Kassen, eindeutige Regeln und klare Beschlusslagen. (In der ver.di-Satzung ist die Gemaßregelten-Unterstützung in §17 verankert.) (3)

Solche Unterstützungs-Kassen sind nicht weniger als der historische Ursprung und der absolute Kern einer jeden Gewerkschaft! 

Das vorgestreckte Geld können sich die Betroffenen mit Hilfe der Gewerkschaft zudem vom Arbeitgeber zurück holen, was im vorliegenden Fall nicht einmal besonders schwer sein dürfte, da es sich offensichtlich um fadenscheinige Konstrukte handelt. 

Abkauf demokratischer Grundrechte?

Auf der anderen Seite sind Abfindungen, insbesondere wenn sie für gewählte Arbeitnehmervertreter höher ausfallen sollten als für einfache Beschäftigte, Wasser auf die Mühlen von linken wie neoliberalen oder rechten Stänkerern gegen „Betriebsratsfürsten“ und „Gewerkschaftsbonzen“. Nach dem Motto: Die reißen das Maul weit auf, wollen sich am Ende aber nur ihren Arsch vergolden lassen.

Eine solche Praxis führt bei den verbliebenen Beschäftigten im Betrieb zu dem Gefühl, im Stich gelassen und verraten worden zu sein. Häufig breiten sich Resignation und Zynismus, gepaart mit Neid und Missgunst aus.

Deshalb ist eine auf Abfindungen ausgerichtete Strategie in Union Busting-Fällen abzulehnen – auch wenn diese Art der Konfliktbeilegung zum eingeschliffenen Schema vieler Gewerkschaftssekretäre gehört, das aus den den goldenen Zeiten des rheinischen Kapitalismus tradiert wurde. Doch diese Zeiten sind lange vorbei.


Fußnoten

(1) Quelle: work-watch / Fair im Betrieb, 25.1.2017

(2) Statt des Hardcore-Juristen Helmut Naujoks trat im Gerichtssaal sein weniger bekannter Spann-Mann Peter Wallisch auf. Eine ähnliche Kooperation gab es bereits im Fall einer Betriebsratszerschlagung bei Götz-Brot in Würzburg (arbeitsunrecht.de, 6.6.2014).

(3) ver.di-Satzung § 17, 1.: Mitgliedern, die aufgrund gewerkschaftlicher Tätigkeit erwerbslos oder in ihrer wirtschaftlichen Existenz unmittelbar und vergleichbar bedroht werden, kann Unterstützung gewährt werden. (Anmerkung Elmar Wigand: Was hier allerdings stutzig macht, ist das Wörtchen „kann“, das statt „sollte“ oder „muss“ verwendet wird. Das Mitglied erwirbt also keine Rechte, sondern ist auf die Gnade der Gewerkschaft angewiesen.)


Schön, dass Sie da sind!

Der Verein aktion ./. arbeitsunrecht e.V. stellt alle Inhalte kostenfrei und ohne Werbung zur Verfügung. Wir sind unabhängig von Stiftungen, Parteien, Gewerkschaften und staatlicher Förderung. Helfen Sie uns dabei, sorgenfrei über die Runden zu kommen!
Damit wir auch in Zukunft unbequeme Nachrichten verbreiten können: Bitte spenden Sie! !
Vorheriger ArtikelFrontberichte 1/2017
Nächster ArtikelFraport: Gepäckfahrer verteidigt Meinungsfreiheit

1 Kommentar

  1. Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen,
    grundsätzlich freue ich mich sehr darüber, dass Ihr über diesen Konflikt berichtet. Schöner wäre es gewesen, wenn Ihr nicht aus der Vermutung und dem Artikel von work-watch/fair im Betrieb heraus eine Bewertung vorgenommen, sondern einmal mit mir als zuständige Gewerkschaftssekretärin von ver.di Kontakt aufgenommen hättet( bisher habe ich mit Torben Ackermann dazu immer gute Erfahrungen gemacht ).
    Ich kann Eurer Positionen nicht nur verstehen sondern stütze diese zum größten teil, allerdings muss ich Euch darauf hinweisen, dass der Kollege J.Sch. nicht von ver.di vertreten wurde und Leistungen aus unserer ver.di Satzung nur für Mitglieder der Gewerkschaft ver.di gezahlt werden können.

    Bitte versteht diese Mail als grundsätzliches Angebot gemeinsam gegen Union Busting zu kämpfen und uns nicht auch noch von einander zu entfernen.
    Viele Grüße,
    Agnes Westerheide ver.di Gewerkschaftssekretärin FB 3 Bochum-Herne

Kommentarfunktion ist geschlossen.