PutzfrauenPower: Zingsheim knickt ein

0
4833

Erfolgreiche Proteste der aktion./.arbeitsunrecht. Hotel-Reinigungs-Unternehmer zahlt 6.000,- € an Putzfrau. Kampf gegen Lohnraub geht weiter

So sehen Siegerinnen aus: Simone N. hat sich nicht verunsichern lassen bis Karly Zingsheim alle ihre Forderungen anerkannt hat. (Foto: Jessica Reisner)

Die Kampagne PutzfrauenPower hat einen ersten beeindruckenden Sieg erzielt. Der Hotel-Reinigungs-Baron Karly Zingsheim räumte im Januar 2017 seine vollumfängliche Niederlage gegen Simone N. ein. Seine Firma Zingsheim Hotel-Service GmbH (ZHS) erklärte sich nach monatelangem Gerichts-Hick-Hack und öffentlichen Protesten bereit, sämtliche Forderungen des brasilianischen Zimmermädchens zu erfüllen.

Simone N. bekommt für neun Monate Arbeit über 6.000,- Euro an geraubtem Lohn ausgezahlt. Sie hatte zwischen Februar und Oktober 2015 im Düsseldorfer Nobel-Hotel InterConti unter extremem Arbeitsdruck Zimmer gereinigt.

Zingsheim unterläuft in Düsseldorf wie an anderen Standorten in Deutschland offenbar systematisch den branchenüblichen Mindestlohn, indem das Management Zeit-Vorgaben für zu reinigende Zimmer macht, die nicht einzuhalten sind und anfallende Überstunden nicht korrekt bezahlt. Wer in der regulären Arbeitszeit nicht fertig wird, ist selbst schuld und darf nachsitzen.

Betrug in großem Stil

Laut übereinstimmenden Zeugenaussagen im Arbeitsgericht Düsseldorf waren im InterConti unkorrekt ausgefüllte, frisierte bis gefälschte Stundenzettel üblich, die oftmals von den Putzkräften blanko unterschrieben und von Vorgesetzten mit Phantasie-Angaben befüllt wurden. So dürfte ZHS in den vergangenen Jahren mehrere hunderttausend Euro an Lohn abgezweigt und als Profit verbucht haben.


Aus erster Hand informiert sein? Profis lesen Emails.
Jetzt den kostenlosen Email-Newsletter der aktion ./. arbeitsunrecht ► bestellen

Der ZHS-Boss Karly Zingsheim, ein passionierter Pony-Züchter aus Blankenheim in der Voreifel, ist an ca. 30 Standorten in Deutschland für diverse Hotels in Frankfurt, Trier, Dresden, Dortmund, Düsseldorf, Tübingen, Mönchengladbach aktiv und wird von Hotel-Ketten wie Maritim, RadissonBlu, Holiday Inn Express, Dorint und Penta beauftragt.

Er dürfte nach vorsichtigen Schätzungen zwischen 300 bis 500 Beschäftigte kommandieren, so dass über die Jahre grob geschätzt ein Millionenbetrag an geraubtem Lohn und nicht gezahlten Steuern und Sozialabgaben zusammen kommen kann.

Der erste uns bekannte Fall nach der oben beschriebenen Methode datiert auf das Jahr 2012. Wie lange das System Zingsheim schon währt, ist im Detail unbekannt.

Der Erfolg ist in diesem Fall vor allem auf drei Faktoren zurück zu führen:

  • Beharrliches wie geschicktes Organizing von Simone N. Sie knüpfte Kontakte und sammelte Informationen unter ehemaligen InterConti- und ZHS-Putzkräften, die als Zeugen auftraten, Informationen weiter gaben und sich an Protesten beteiligten. Simone ermutigte ihre Kolleginnen und Kollegen, ebenfalls zu klagen und begleitete sie zu Anwälten und Prozessen, ferner stellte sie Kontakte zur Presse her. So entstand ein Netzwerk, dass sich langsam ausbreitet und auch über ihren eigenen Fall hinaus aktiv bleiben wird.
  • Öffentlichkeitsarbeit, Prozessbegleitung und bunte Proteste der aktion./.arbeitsunrecht, koordiniert von Jessica Reisner, in Zusammenarbeit mit Simone, der IG BAU und der rumänischen Bildungsreferentin des Verein Arbeit und Leben, Catalina Guia.
  • Kompetente Rechtsvertretung durch den Mönchengladbacher Arbeitsrechtler Thomas Mössinger

Das Beispiel zeigt: Widerstand ist möglich und zahlt sich am Ende manchmal sogar in barer Münze aus. Simone, ihr Mann und ihre kleine Tochter freuen sich jetzt auf eine Reise zu den Großeltern nach Brasilien, die sie dank des gewonnenen Kampfes nun guten Gewissens buchen können.

Ein bisschen Geld schafft keine Gerechtigkeit

Vicente M. hat ebenfalls noch eine Rechnung mit dem InterConti Düsseldof offen: aktion ./. arbeitsunrecht wird dabei sein und hofft auf Unterstützer_innen (Foto: Jessica Reisner)

Dennoch ist das Ergebnis nicht zu verwechseln mit der Herstellung von Gerechtigkeit und demokratischen Verhältnissen in der Hotel-Reinigung. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der gerichtsnotorische Zingsheim die 6.000,- Euro aus der Porto-Kasse zahlt, um in Ruhe genauso weiter zu machen wie bisher. Und auch das InterConti wird wahrscheinlich weiter auf billige Sub-Unternehmen setzen, wenn das Nobel-Hotel nicht durch öffentlichen Druck und gewerkschaftliche Aktionen gezwungen wird, faire Arbeitsbedingungen zu garantieren.

Die 11. Kammer des Düsseldorfer Arbeitsgerichts unter der Vorsitzenden Richterin Anja Keil stellte sich im Verlauf des Verfahrens eher als Hemmschuh heraus. Ob deren Urteil am Ende positiv ausgefallen wäre, schien nach dem letzten Verhandlungstag mehr als fraglich.

Die Richterin verspielte die Chance, hier ein kriminelles System anhand von Zeugenaussagen aufzudecken und durchleuchten. Stattdessen lief sie Gefahr, den offensichtlich abgesprochenen Zeugen-Aussagen eines ganzen Aufgebots von Günstlingen aus der Zingsheim-Belegschaft auf den Leim zu gehen, die von dem Putz-Baron und seinem dubiosen Sub-Unternehmer MACOC im Gerichtsflur gebrieft wurden.

Der Staat schaut weg – obwohl er selbst betrogen wird

Besonders empörend ist bis zum heutigen Tag das komplette Versagen von Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung, die trotz verschiedener, sehr konkreter Hinweise von Betroffenen bislang nicht gegen Karly Zingsheim vorgegangen sind. Schließlich geht es hier nicht nur um einen massiven, systematischen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz, sondern daraus folgend auch um die Hinterziehung von Lohnsteuern und Sozialabgaben.

Wenn der deutsche Staat sich schon nicht um die Herstellung von Recht und Gesetz in der Arbeitswelt schert, so sollte er doch wenigstens seine finanziellen Interessen im Blick haben.

Das von Zingsheim praktizierte System ließe sich zunächst einmal ganz einfach recherchieren, indem man sämtliche Arbeitsgerichtsprozesse mit Beteiligung von ZHS und dessen Sub-Unternehmen MACOC in NRW und andern Bundesländern sammelt und auswertet.

Dann müssten die Schlüssellisten der betoffenen Hotels mit den mutmaßlich gefälschen Stundenzetteln von Zingsheim und Lohnabrechnungen verglichen werden. Hier prophezeien wir große Differenzen. Durch demonstrative Untätigkeit und Nicht-Wissen-Wollen ermutigen Behörden und Gerichte zum Rechtnihilismus oder leisten gar aktive Beihilfe.

Gefeuert wegen Solidarität: InterConti-Putz-Mann Vicente unterstützen!

Der nächste Fall läuft bereits: Simones Kollege Vicente M. hat ab November 2015 im InterConti geputzt. Vicente, der doppelter Staatsbürger von Brasilien und Spanien ist, kam nach dem Zusammenbruch der spanischen Wirtschaft nach Deutschland, fand aber in seinem gelernten Beruf als Elektriker keine Arbeit.

Vicente wurde mit fadenscheinigen Begründungen gefeuert. Möglicherweise, weil er sich mit Simone solidarisierte. Er fordert nun über 4.500,- Euro an geraubtem Lohn zurück und klagt gegen seine formell fehlerhafte Kündigung.

Hier spielt die zermürbende Langsamkeit der Arbeitsgerichte einmal nicht dem Unternehmen in die Karten. Wenn Vicentes Kündigung sich als fehlerhaft herausstellt, wovon wir dringend ausgehen, muss der Sub-Unternehmer MACOC für jeden verstrichenen Monat rund 1.600,- Euro blechen. Bis zum nächsten Termin – voraussichtlich am 9. März 2017, Arbeitsgericht Düsseldorf – wären das zehn Monate.

Die aktion./.arbeitsunrecht ruft für den nächsten Prozess-Termin zur Solidarität mit Vicente auf. Es sind Proteste gegen das Interconti Düsseldorf geplant.


Schön, dass Sie da sind!

Der Verein aktion ./. arbeitsunrecht e.V. stellt alle Inhalte kostenfrei und ohne Werbung zur Verfügung. Wir sind unabhängig von Stiftungen, Parteien, Gewerkschaften und staatlicher Förderung. Helfen Sie uns dabei, sorgenfrei über die Runden zu kommen!
Damit wir auch in Zukunft unbequeme Nachrichten verbreiten können: Bitte spenden Sie! !
Vorheriger ArtikelBDDK: Wegen Betriebsratswahl komplette Belegschaft gekündigt
Nächster ArtikelFrontberichte 1/2017