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Schweizer Electronic: Seit 20 Jahren ohne Tarif

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Zoff im Schwarzwald: Automobil-Zulieferer mit schmutzigen Methoden gegen Tarifverträge und gewerkschaftliche Organisierung

Schweizer Electronic - Willst Du mit mir streiken gehen?Der patriarchal geführte Familienbetrieb Schweizer Electronic AG ist nach Informationen der IG Metall seit 20 Jahren ohne Tarifvertrag. Um diesen Zustand zu beenden, bahnt sich eine Streikbewegung beim Halbleiter-Hersteller an, der im Landkreis Rottweil (Baden-Württemberg) ansässig ist und 780 Personen beschäftigt.

Ende September 2016 trat die Belegschaft erstmals in Warnstreik.

Da die Vorstandsvorsitzende Maren Schweizer Gespräche mit der IG Metall bislang kategorisch ablehnt und ihre Beschäftigten mit dem Gespenst der „Fremdbestimmung“ zu verschrecken sucht, wird der Konflikt vermutlich mit härteren Bandagen ausgefochten werden müssen.

Abmahnungen und Lohnkürzung als Vergeltung für Streikvorbereitung

Die Geschäftsleitung goss zusätzliches Öl ins Feuer, indem sie vor dem Warnstreik vier Betriebsratsmitglieder mit Abmahnungen maßregelte sowie Lohnabzug und Kündigungen androhte. Die Industriegewerkschaft schreibt dazu: „Vier IG Metall-Vertrauensleute informierten Führungskräfte über ein Merkblatt zum Verhalten von Vorgesetzten im Falle eines Warnstreiks. Dies veranlasste den Vorstand den Kollegen nicht nur eine Abmahnung zu verpassen, sondern ihnen die erforderliche Zeit für die Gespräche vom Lohn abzuziehen.“ (Chaostage bei der Schweizer Electronic, IG Metall Freudenstadt, 4.10.2016)


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Nun organisiert die Gewerkschaft Solidarität gegen solche durchsichtigen Vergeltungsmaßnahmen. Die Kollegen bitten darum, die Resolution „Demokratie endet nicht am Werkstor“ als Word-Dokument herunter zu laden und Unterschriften zu sammeln.

Aktive Mittagspausen als Auftakt

Im Betrieb brodelt es bereits seit April 2016 offen erkennbar (NRWZ, 18.4.2016). Damals begann die Belegschaft mit Unterstützung der IG Metall durch aktive Mittagspausen erste Duftmarken zu setzen und einen Kampf um die Rückkehr zum Tarifvertrag einzuleiten. Zu mehreren Kundgebungen um 12 Uhr mittags auf dem Firmengelände kamen auch zahlreiche Beschäftigte anderer Firmen, um Solidarität zu bekunden. (siehe youtube-Video)

Hintergrund: Tarifflucht führte zu 20% Lohneinbußen

Schweizer verließ 1997 den Arbeitgeberverband und damit den Metall-Tarifvertrag. Seitdem sorgen willkürliche Lohnunterschiede im Betrieb für Verbitterung. Zudem liegen die Löhne bei Schweizer schätzungsweise 20% unter dem Flächentarif.

Das bedeutet auch, dass Schweizer bares Geld zu verlieren hat und einen Teil seiner Kriegskasse in Honorare für Union Busting-Spezialisten stecken kann.

Die Schweizer Electronic AG ist in Sulgen (Schwarzwald) beheimatet, einem Stadtteil mit 6.881 Einwohnern. Sie stellt elektronische Halbleiter und Leiterplatten her – unter anderem für Smartphones und Flugzeugtechnik. Wichtigster Markt ist der Automobilbau.

Schweizer vermeldete zuletzt einen Jahresumsatz von 115,6 Millionen Euro (plus 4,8 Prozent) und ein Ergebnis von 5,5 Millionen Euro (2014: 5,6). An Dividende schüttete Schweizer 0,65 Cent pro Aktie aus. (Schwarzwälder Bote, 6.5.2016)

Mehr Informationen: Schweizer-Soli-Blog der IG Metall Freudenberg http://igm-se.de/


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