Union Busting-News 6/23: Recht auf gleiche Bezahlung, Yorck Kinos, St. Elisabeth-Heim, Smava

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Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.

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BAG stellt Recht auf gleiche Bezahlung fest – Lohn ist keine Frage des Verhandlungsgeschicks

Erfurt: Am 16. Februar 2023 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass Unternehmen vom Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nicht abweichen dürfen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hatte die Klage unterstützt. 1

Die Klägerin hatte zwischen 2017 und 2021 bei der Photon Meissener Technologies GmbH gearbeitet. Der Frau erhielt in der Einarbeitungszeit 3.500 Euro monatlich. Doch bald kam ihr der Verdacht, dass ein Kollege, der die gleiche Arbeit wie sie im Vertrieb erledigte, deutlich mehr verdiente. Der Unterschied beim Grundgehalt in der Probezeit betrug sogar 1.000 Euro monatlich, später waren es immer noch etwa 500 Euro. Bei gleichen Verantwortlichkeiten und Befugnissen.


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Schlechte Gehaltsverhandlung darf keine Schlechterstellung begründen

Die Betriebsleitung begründete den Gehaltsunterschied damit, dass die Frau bei ihrer Einstellung schlechter verhandelt habe als der höher bezahlte Mann.

Das Gericht gab der ehemaligen Beschäftigten des sächsischen Metallunternehmens recht. Sie erhält nun knapp 15.000 Euro entgangenen Lohn und eine Entschädigung in Höhe von 2.000 Euro.

Betriebe können auf Lohnforderungen von Beschäftigten oder Bewerbern eingehen. Doch müssen sie laut diesem Urteil gleichermaßen qualifizierten und erfahrenen Kolleginnen und Kollegen dann aber auch den Lohn erhöhen.

Die Meldung zeigt, wie wichtig es ist, sich über die Gehälter zu unterhalten und wie erfolgreich es sein kann gleichen Lohn für gleiche Arbeit einzufordern. Das Urteil dürfte Tausende von Beschäftigten betreffen – wenn sie denn bloß wüssten, dass sie schlechter verhandelt haben als ihre Kolleginnen und Kollegen.

Die Konsequenz muss lauten: Redet über Eure Arbeitsverhältnisse, redet über Eure Löhne. Eine Klausel im Arbeitsvertrag, die Beschäftigten verbietet über ihr Gehalt zu reden, ist unwirksam. So urteilte das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern schon 2009. Denn der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, seine Beschäftigten nicht unangemessen zu benachteiligen (§ 307 Bürgerliches Gesetzbuch).

Yorck-Kinos Berlin gegen Streikende – Union Busting in Reinform

Berlin: Die Yorck Kino GmbH, die laut wikipedia in der Hauptstadt 14 Kinos und zwei Freiluftkinos betreibt, kämpft mit harten Bandagen gegen Streikende und Gewerkschaftsmitglieder. 2

In 11 Kinos streikt die Belegschaft für höhere Löhne. Mitglieder der Geschäftsführung und einzelne Theaterleiter fotografierten während der vergangenen Warnstreiks Streikende und Gewerkschafterinnen. Diese Einschüchterungsversuche sind inakzeptabel und ein Angriff auf das Streikrecht und die Meinungsfreiheit.

Verdi informiert auch darüber, dass die Yorck Kino GmbH illegal über 45 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befristet beschäftigt. Obwohl die Kino-Kette verpflichtet ist, sich an den Tarifvertrag mit einer Befristungsquote von maximal 10 Prozent zu halten. Diese illegalen Befristungen laufen nun aus.

Die Yorck Kino GmbH hat Anfang 2023 acht aktiven Gewerkschafter/innen, davon 3 Mitglieder der ver.di-Verhandlungsgruppe im Betrieb mitgeteilt, dass ihre illegal befristeten Verträge nicht mehr verlängert werden. Parallel dazu versucht der Arbeitgeber, neue Beschäftigte in den Kinos einzustellen, obwohl der Betriebsrat allen externen Neueinstellungen widerspricht.

Die Aktion gegen Arbeitsunrecht sendet solidarische Grüße und wünscht den Beschäftigten und Betriebsratsmitgliedern, dass sie dem illegalen Treiben der Geschäftsführung unter Heinrich-Georg Kloster und Dr. Christian Bräuer gemeinsam mit der Gewerkschaft verdi ein Ende setzen können. Auf Wikipedia findet ihr die Liste der 14 Berliner Kinos, die von der Yorck GmbH betrieben werden, darunter z.B. das Kino International.

Macht was draus: Unternehmerkriminalität ist kein Kavaliersdelikt.

St.Elisabeth-Heim: Allein im Dienst mit 50 Bewohnern

Nürnberg: Schon seit 2022 kämpfen die Kolleginnen und Kollegen des privat betriebenen St.Elisabeth-Heimes gegen krasse Unterbesetzung, Mobbing und fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte und städtische Stellen. Darüber berichtet die Initiative Solidarischer ArbeiterInnen ISA 3

Das Heim gehört zur ALWO-Unternehmensgruppe. Schichten, in denen zwei oder manchmal nur eine einzige Kollegin bis zu 50 (!) Bewohner*innen versorgen müssen, sollen keine Seltenheit darstellen. Der Krankenstand, so heißt es im Bericht, sei enorm und gekündigt werde am laufenden Band.

Diejenigen, die bleiben, erfahren jedoch keinen Dank, sondern noch mehr Druck, Hetze und Verleumdungen.

Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes

Der Betriebsrat musste lange dafür streiten, damit die Kolleg*innen die durch das Tariftreuegesetz vorgeschriebene Lohnerhöhung erhalten. Aber nicht rückwirkend zum 01.09.2022, wie gesetzlich vorgeschrieben. Auch sollen nach dem Willen der Geschäftsleitung nicht alle Kolleg*innen von der Lohnerhöhung profitieren.

Der Betriebsrat, so heißt es, werde in seiner Arbeit massiv behindert und schikaniert. Die Betriebsratsmitglieder gehen neben ihrer ehrenamtlichen Betriebsrats-Tätigkeit noch Vollzeit in der Pflege, der Betreuung oder im Pflegeservice arbeiten. Sie müssen sich neben untragbaren Schichten auch noch mit Beschimpfungen und Attacken durch ihre Vorgesetzten herumärgern. Einem Betriebsrats-Kollegen wurde bereits gekündigt, andere wissen nicht, wie lange sie diese Zustände noch ertragen können.

Die Vertretungsberechtigten Geschäftsführerinnen der ALWO Unternehmensgruppe mit Sitz in Bad Harzburg sind Gina Fancello und Maria Fancello. Die beiden waren laut dem Firmenregister North Data auch schon Geschäftsführerinnen eines Autohandels.4 5

SMAVA – Führungskräfte kapern Wahlvorstand

Berlin: Am 20.02.2023 fand beim Kreditvermittler Smava die Wahl eines Wahlvorstands zur Gründung eines Betriebsrats statt. Teilnehmer*innen berichten von einer „sehr aufgeheizten Stimmung“. Vorgesetzte aus dem mittleren Management hätten die Initiatoren für den Betriebsrat gezielt attackiert. 6

Nach Kündigungen von vermutlich mehreren hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sind die verbliebenen rund 600 Smava-Beschäftigten auf die Idee gekommen, einen Betriebsrat zu gründen. Die mittlerweile vielfach beschriebene Methode die Versammlung zur Wahl des Wahlverstandes zu stören, wie es z.B. 2022 bei Aldi dokumentiert wurde, hat die Initiatoren dennoch eiskalt überrollt.

Oliver Hauser von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi erhebt gegenüber Smava den Vorwurf, dass sich eine kleine Gruppe abgestimmt und bei der Versammlung Stimmung gemacht habe. Darunter sollen sich mehrere Personen mit Führungsverantwortung befunden haben, so habe beispielsweise eine Managerin mit dem Titel „Head of Customer Success“ zu den Wortführerinnen gehört. Führungskräfte hätten sich gegenseitig beklatscht.

Zu den Argumenten der Störer zählte auch das Spielen mit dem Betriebsbegriff. Wer gehört eigentlich zum Betrieb, wer darf überhaupt mitwählen? Im konkreten Fall bemängelten ausgerechnet die Berliner Führungskräfte, dass auch die in Hamburg dazugekauften Firma Finanzcheck einen Betriebsrat bräuchte.

Letztlich stellte sich die „Head of Customer Success“-Managerin als Gegenkandidatin für den Wahlvorstand auf. Und wurde zusammen mit zwei Teamleitern tatsächlich gewählt.

Uns bleibt in so einem Fall nur festzustellen, dass Beschäftigte letztlich immer den Betriebsrat haben, den sie selbst wählen. Wer managementnahe Kandidaten wählt, wählt die Methoden und das Geschäftsgebaren des Managements und sollte sich über entsprechende Schlechtbehandlung nicht wundern.

In diesem Fall hätte man sich offensichtlich besser vorbereiten müssen. Die Belegschaft hätte darüber informiert sein können, dass das Stören von Wahlversammlungen derzeit bei Union Bustern voll im Trend liegt.

Wenn Ihr einen Betriebsrat gründen wollt. Setzt Euch bitte vorab mit uns in Verbindung.

Quellen


1GFF: Paukenschlag für Equal Pay – Bundesarbeitsgericht fällt Grundsatzurteil nach GFF-Verfahren: Gleiche Bezahlung ist keine Verhandlungssache, abgerufen 14.03.2023 https://freiheitsrechte.org/ueber-die-gff/presse/pressemitteilungen-der-gesellschaft-fur-freiheitsrechte/paukenschlag-fuer-equal-pay-bundesarbeitsgericht-faellt-grundsatzurteil-nach-gff-verfahren-gleiche-bezahlung-ist-keine-verhandlungssache

2Verdi. Yorck Kino GmbH greift Streikende und Gewerkschafter/innen an, PM abgerufen 13.03.2023 https://bb.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++8282c61e-be90-11ed-9527-001a4a160116

3ISA, Krasse Zustände im Pflegeheim St. Elisabeth – die Stadt sieht weg, abgerufen 13.03.2023 https://www.isa-nbg.de/krasse-zustaende-im-pflegeheim-st-elisabeth-die-stadt-sieht-weg

6Kaspar Tobias Schlenk: Konflikt um Betriebsratsgründung bei Smava, abgerufen 14.03.2023 https://financefwd.com/de/smava-betriebsrat/


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