Frontberichte 40. KW 2013

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Arbeitsunrecht & Union Busting in Deutschland | Presseschau vom 30. 09. – 06. 10. 2013

Landbäckerei Ihle/ Friedberg: Bußgeld wegen Spionage | Betriebsrat für Preis nominiert + + Amazon/ Koblenz: Drohung mit Verlagerung nur Panikmache? + + Volkswagen / Chattanooga / USA: Rednecks fürchten Mitbestimmung und Gewerkschaften + + Siemens/Deutschland : Stellenstreichungen längst bekannt | Gezielte Panikmache? + +

Dieses leckere Brot stammt nicht von der so genannten "Landbäckei" Ihle
Dieses leckere Brot stammt nicht aus der so genannten „Landbäckei“ Ihle (Foto: Silar | Lizenz: CC 3.0)

#01

Großbäckerei Ihle: Staatsanwaltschaft erlässt Bußgelder wegen Spionage | Betroffener Betriebsrat für Preis nominiert

Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat laut Augsburger Allgemeine Bußgeldbescheide gegen den Geschäftsführer der Ihle Bäckerei (Augsburg), Alexander Ihle, und die Leiterin der Personalabteilung erlassen. Sie folgt damit einer Strafanzeige der Gewerkschaft NGG, die bereits vor 16 Monaten erfolgte. Der Fall war recht spektakulär: Im Auftrag des Managements wurde Spionage-Software auf dem Rechner des Betriebsrats installiert, um dem Betriebsratsvorsitzenden eine angebliche Manipulation seines Arbeitszeitkontos nachzuweisen. Der Gewerkschafter wurde durch so gewonnene bzw. konstruierte Indizien zunächst gekündigt. Mittlerweile ist der Streit beigelegt und die fristlose Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden zurückgenommen. Außerdem wurden neue Betriebsvereinbahrungen getroffen.


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Weiteres Ärgernis für die aggressiven Ihle-Manager: Der kriminalisierte Betriebsrat wurde für den jährlich verliehenen deutschen Betriebsräte-Preis nominiert (hier die Begründung und Würdigung).

#02

Amazon: Drohung mit Verlagerung nur Angstmache?

Wie wir bereits an dieser Stelle erwähnten (siehe Frontberichte September 2013), soll Amazon eine Verlagerung zahlreicher Standorte nach Osteuropa planen, um Lohn zu drücken und Tarifverträgen in Deutschland vorzubeugen. Der Koblenzer Amazon-Betriebsratsvorsitzende hält diese Pläne für reine Gerüchte, wie Lars Wienand in der Rhein-Zeitung schreibt. In Koblenz werde ausgebaut. Auch die Gewerkschaft ver.di hat die Meldung als reine Angsmache bezeichnet.

Hintergrund dieser möglichen PR-Finte könnten Streikvorbereitungen sein. Laut focus denkt ver.di laut darüber nach, ob amazon im Weihnachstverkauf mit Streiks unter Druck gesetzt werden könnte. Die Angst vor möglichem Arbeitsplatzverlust könnte die Kampfbereitschaft der Belegschaft untergraben. Andererseits: Der Ruf von amazon ist derzeit komplett ramponiert. Welche PR-Firma würde dem Online-Versand allen Ernstes dazu raten, durch weiteres Sozialdumping per Verlagerung nach Polen und Tschechien auf sich aufmerksam zu machen? Wir sind gespannt wie es weiter geht.

#03

VW in den Südstaaten | Rednecks haben Horror vor Gewerkschften und Mitbestimmung

IG Metall und VW-Betriebsrat machen Druck auf Volkswagen, auch in den gewerkschaftsfeindlichen Südstaaten der USA endlich Gewerkschaften und Mitbestimmung zuzulassen. VW hat offenbar offizielle Kontakte zur Gewerkschaft UAW  (United Automobile Workers, C.I.O.) aufgenommen. Das bringt Politiker und Geschäftsleute in Tennessee Rage. Zudem treten professionelle Union Buster und anti-gewerkschaftliche Lobby-Organisationen auf den Plan (siehe Magazin Mitbestimmung 5/2013). Landrat Tim Boyd aus Hamiliton County meint etwa eine Gewerkschaft bei VW in Chattanooga sei „ein Krebsgeschwür für das wirtschaftliche Wachstum„. In solche Tonlagen wagen sich in Deutschland nicht mal notorische Union Busting-Hetzer wie Prof. Volker Rieble (ZAAR) vor.

Nach einem Bericht im Berliner Tagesspiegel möchte man fast Mitleid mit US-Senator Bob Corker aus Tennessee bekommen. Er hatte sich seinerzeit dafür eingesetzt, dass VW ein Werk in Chattanooga eröffnet. Doch nun droht ihm der totale Horror: im neuen VW-Werk soll es gewerkschaftliche Mitbestimmung geben! Dabei ist seiner bizarren Meinung nach die Gewerkschaft United Automobile Workers Schuld am Niedergang von General Motors, Ford und Chrysler. Während der Verhandlungen um die Ansiedlung des Werks habe Bob Corker deutsche Spitzenmanager bei sich zu Hause empfangen. Damals sei ihm signalisiert worden, dass VW keinerlei Absicht hege, sich mit der UAW, einer Schwester-Gewerkschaft der IG Metall, einzulassen. Jetzt müsse er sich um das Wohlergehen seiner Heimatstadt sorgen: Der Investitionsstandort Chattanooga würde leiden, sollte es der UAW gelingen, dort Fuß zu fassen.  Sollte es so kommen, „würde ich das Gefühl nicht los, meine Heimat im Stich gelassen zu haben, weil ich mich so dafür eingesetzt habe, VW nach Chattanooga zu holen“, sagte Corker.

Auch BMW und Mercedes in den Südstaaten der USA

Das VW-Werk in Chattanooga / Tennessee wurde 2011 eröffnet und beschäftigt bei voller Auslastung 2.230 Arbeiter_innen, hinzu kommen ca. 10.000 Arbeitsplätze in der Zuliefer-Industrie.

Vorreiter von Ansiedlungen deutscher Autobauer in den ländlichen gewerkschaftsfreien Niedriglohnparadiesen der US-Südstaaaten war BMW. Die Bayern expandierten 1992 nach Spartanburg, South Carolina, wo derzeit die Modelle X3 und X6 weltweit exklusiv – also auch für den europäischen Markt produziert werden (siehe wikipedia). Mercedes-Benz folgte 1996 nach Tuscaloosa, Alabama. Ab 2014 soll die C-Klasse aus Sindelfingen abgezogen und dort produziert werden (siehe Bericht Die Welt). Nicht nur wegen des niedrigen Dollars.

Von Gewerkschaften und Mitbestimmung ist bei BMW in Spartanburg und Mercedes in Tuscaloosa in den USA keine Rede. Im Gegenteil. (siehe auch: „Billiglohn in Dixieland“ von Thomas Konicz)

#04

Panikmache auch bei Siemens?

Anfang Oktober 2013 rauschte folgende erschreckend klingende Meldung durch den Blätterwald: Siemens wolle 15.000 Stellen streichen, 5.000 davon in Deutschland (siehe z.B. N24). Kurz darauf meldeten sich Gewerkschafter und Betriebsräte zu Wort. Die Zahlen bezögen sich auf ein schon seit Monaten bekanntes Programm, das seit 2012 laufe. Die IG Metall hatte schon im Dezember von dem Sparpogramm berichtet, bereits die Hälfte der anvisierten 5.000 Stellen sind offenbar bereits mehr oder weniger „sozialverträglich“ mit Hilfe von Altersteilzeit, Abfindungen und Versetzungen eingespart.
Diese Korrektur der Panik-Meldungen war in den Medien allerdings kaum wahrnehmbar.

Die Meldung reift zu einer regelrechten Ente heran, wenn man folgende Verlautbarungen des Siemens-Pressesprechers dagegen hält: „Das ist kein neues Programm“. Außerdem werde die Zahl der Siemens-Beschäftigten in Deutschland unverändert bei etwa 119.000 bleiben, weil andererseits neue Stellen aufgebaut würden. Auch weltweit bleibe es bei etwa 368.000 Arbeitsplätzen. (Quelle: Heise online)

Ob die offenbar bewusst geschürte Angst vor Arbeitsplatzabbau durch solche Meldungen wohl mit der Bundestagswahl zusammenhängt und Versuchen, einen flächendeckenden gesetlichen Mindestlohn durch zu setzen entgegen wirken soll?


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