Betriebsrat-Bashing: Vier krasse Fälle

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Systematische Verhinderung von Betriebsrats-Gründungen | Kündigung von Betriebsratsmitgliedern

Autodienst West Ganske GmbH / Frankfurt: Geschäftsführer Manfred Ganske wegen Verhinderung einer Betriebsratsgründung angezeigt + + Großmetzgerei Ponnath / Freiburg: Langjähriges Betriebsratsmitglied gefeuert  + + Fensterbaufirma Vornbäumen / Bünde: Betriebsratsverhinderung übelster Sorte + + Enercon GZO / Ostfriesland: Einschüchterung von Mitarbeitern im Vorfeld von Betriebsratswahl ++

Aggressive Unternehmer-Anwälte bekämpfen Betriebsräte

Bereit für einen tiefen Fall? Der Kranverleiher Manfred Ganske riskiert lieber eine Gefängnis als einen Betriebsrat (Quelle wikicommons, privat)
Bereit für einen tiefen Fall? Der Kranverleiher Manfred Ganske riskiert lieber eine Gefängnisstrafe als einen Betriebsrat (Quelle wikicommons, privat)

Zwischen März und Mai 2014 finden Betriebsratswahlen in Deutschland statt – turnusgemäß alle vier Jahre. Etablierte Betriebsräte haben oft erheblichen Gegenwind, auch durch teils illegale Methoden zu befürchten. Noch schwerer haben es in der Regel Neugründungen von Betriebsratsgremien.

Wir dokumentieren im Folgenden vier Fälle, die zeigen, wie schamlos Anwälte Unternehmer mittlerweile dahingehend beraten, Betriebsratsgründungen möglichst schon im Ansatz zu verhindern. Sie nehmen schon die Bereitschaft, überhaupt einen Betriebsrat wählen zu wollen, zum Anlass für z.T. konstruierte und substanzlose Abmahnungen und Kündigungen.

Eine genaue Untersuchung des Phänomens Betriebsrat-Bashing in Deutschland findet sich in der Studie „Union-Busting in Deutschland“ (Otto-Brenner-Stiftung, Arbeitsheft 77), von Werner Rügemer und Elmar Wigand, die am 13. Mai 2014 erscheint (hier kostenlos zu bestellen).


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Geschäftsführer Ganske (ADW) riskiert Haftstrafe wegen BR-Verhinderung


Der Kranverleih Autodienst West (ADW) Ganske GmbH aus Bergen-Enkheim bei Frankfurt a.M. streitet sich in gleich neun verschiedenen Verfahren mit Teilen seiner Belegschaft und wird das Frankfurter Arbeitsgericht in den kommenden Monaten ausgiebig beschäftigen. Geschäftsführer Manfred Ganske verweigert die Anerkennung einer im Februar 2014 durchgeführten Betriebsratswahl und überzog gleich mehrere Personen, die in die Betriebsratsgründung involviert waren, mit Abmahnungen und Kündigungen. Auch der Ehefrau eines Initiators der Betriebsratswahl, die im selben Betrieb tätig war, wurde in einer Art „Sippenhaft“ mit der Begründung gekündigt, dass sie sensible Daten an ihren Ehemann hätte weitergeben können. Sechs Betroffene reichten Kündigungsschutzklagen ein (Frankfurter Neue Presse, 15.4.2014). Der Anwalt der Firma, der seinen Mandanten scheinbar bedenkenlos in Richtung Betriebsratsverhinderung und unsubstantiierte Kündigung von Mitarbeitern berät, heißt – nomen non es omen – Klaus Höflich. Er vertritt die extravagante Rechtsauffassung, die Mitarbeiter hätten lediglich auf die Schnelle einen Betriebsrat gegründet, um vom besonderen Kündigungsschutz zu profitieren (!!). Tatsächlich ist der Betriebsrat gegründet worden, um unter anderem gegen massive Arbeitszeitverletzungen vorzugehen. So beschreibt einer der Gekündigten, der zuvor 26 Jahre bei ADW beschäftigt war, Schikanen und desaströses Chef-Gebahren:

„Ich erinnere mich da an einen Tag im Herbst: Nach 14 Stunden Arbeit haben wir uns erlaubt, eine halbe Stunde Pause zu machen“, erzählt der Gekündigte. Das sei vom Unternehmen nicht akzeptiert worden. „Wir wurden sofort abgemahnt.“ Daraufhin habe man beschlossen, einen Betriebsrat zu gründen.

Kein Wunder also, dass es in einer aktuellen Stellenausschreibung des ADW für einen Kraftzeug-Kranführer heißt: „Sie sind im täglichen Einsatz belastbar und bringen die Bereitschaft zu flexiblen Arbeitszeiten mit.“

Miese Methoden: Kontaktverbot, Bespitzelung und systematische Schikanen

Besonders fies: Die Stelle einer ebenfalls gekündigten Betriebsratskandidatin wurde schon ausgeschrieben, bevor sie die Kündigung erhielt. Den Kolleginnen und Kollegen wurde verboten, mit der Frau zu sprechen. Die Geschäftsführung ließ Betriebsratsmitglieder und -kandidaten auf Schritt und Tritt verfolgen und fotografieren, um Verfehlungen festzuhalten. Methoden, die darauf setzen, nicht mehr das Gremium Betriebsrat, sondern einzelne Mitarbeiter durch permanente Angriffe und gleichzeitige Isolation von den Kollegen_innen zu zermürben.  Gegenüber der Frankfurter Rundschau sagen die Initiatoren der Betriebsratswahl, in der Firma ADW herrsche ein Klima der Angst.

Geschäftsführer angezeigt

Die Gewerkschaft ver.di hat gegen den Geschäftsführer Manfred Ganske Strafanzeige nach § 119 des Betriebsverfassungsgesetzes erstattet. Dieser besagt: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Wahl des Betriebsrats behindert oder durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen beeinflusst.“

Auf der Hessische Rundfunk berichtete bereits über den Fall: Frankfurt: Schwere Vorwürfe gegen Kranverleiher (youtube-video 2:30 min.).

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Ponnath / Freiburg: Großmetzgerei heuert Arbeitsrechts-Hardliner an

Seit 15 Jahren arbeitete Laurence L. in Freiburg für die Metzgerei Ponnath. Als ein neuer Vorgesetzter kam, hatte sie den Eindruck, nicht mehr erwünscht zu sein. Dies wurde ihr in einem Gespräch auch so von ihm bestätigt. Seit dem 26.03.2014 ist das beliebte Betriebsratsmitglied freigestellt. Gleichzeitig wurde ihr mitgeteilt, dass ihre angebliche „Eigenkündigung“ angenommen werde. Davon will Laurence L., die mit 92 Stimmen bei der Betriebsratswahl das beste Ergebnis einfuhr, jedoch nichts wissen. Laut der Badischen Zeitung vom 15.4.2014 äußert sich der Anwalt der Firma Ponnath Paul-Stefan Freiling (Kanzlei Freiling und Partner, Frankfurt), mit der Tätigkeit im Betriebsrat habe die Freistellung nichts zu tun, sie habe das Recht, ihrer Betriebsratstätigkeit weiterhin nachzugehen.

Schauen wir uns diesen bemerkenswerten Vertreter der Anwaltszunft kurz genauer an: Auf der Seite Radaris gibt er für sich folgende Organisationen an: Bundeswehr, Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen, Deutscher Anwaltsverein, CDU, katholische Kirche, American Chamber of Commerce. Beim Blick auf dieses ideologische Gemisch dürfte klar sein, dass RA Freiling kein besonderer Freund von Betriebsräten und Gewerkschaften ist. So stellte er schon 2010 beim Arbeitsgericht Wuppertal einen Antrag auf  Auflösung des gesamten Betriebsrats eines Alten- und Pflgeheims in Radevormwald. Der abenteuerliche Grund: „Wir sehen es als Pflichtverletzung an, dass der Betriebsrat die Öffentlichkeit eingeschaltet hat, obwohl wir in aller Ruhe eine Mediation anstrebten.“ (Quelle: rp-online, 26.4.2010). Weiter war er bei der Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden der Distributions GmbH -44 aktiv, einem „Systempartner“ der trans-o-flex Schnell-Lieferdienst GmbH (Quelle: Labournet, 18.12.2012).

RA Paul-Stefan Freiling: Burschenschaftler mit Verbindungen zum ZAAR und zum Heimatschutz der Bundeswehr?

Im Fall Distributions GmbH -44 arbeitete Paul-Stefan Freiling mit dem einschlägigen Arbeitsrechts-Hardliner Prof. Dr. Volker Rieble vom arbeitgeberfinanzierten Institut ZAAR, München zusammen. (Unser Autor Werner Rügemer hat zu diesem besonderen Scharfmacher einen ausführlichen Artikel auf arbeitsunrecht.de veröffentlicht.)

Herauskaufen per Abfindung? Nicht mit Laurence L.

Ein erster Gütetermin scheiterte. Richterin Ingebjörg Darsow-Faller meint: „Eine knackige Abfindung stünde allerdings im Raum, denn 15 Jahre Festanstellung, ein Monatsgehalt von 3800 Euro brutto und die Stellung als unkündbare Betriebsrätin treiben den Preis weit über den schon einmal angebotenen Betrag von 40.000 Euro.“

Allerdings scheint der Abkauf von demokratischen Rechten am Arbeitsplatz nicht die Sache von Laurence L. zu sein. Sie würde auch für das Doppelte nicht gehen, gibt sie zu Protokoll. Interessant hierbei zu wissen: ein anderes Betriebsratsmitglied und gleichzeitig Vorsitzenden des Wahlausschusses hat die Geschäftsleitung bereits im Vorfeld der Wahl mit einer hohen Abfindung aus dem Amt gekauft. Wir wünschen Frau L., dass sie standhaft bleibt – gegen schikanöse Chefs und skrupellose Anwälte – und weiterhin mit Entschlossenheit für ihre Kollegen_innen bei Ponnath eintritt!

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Wildwest in Bünde: Fensterbaufirma feuert Betriebsratsgründer

Fensterbau hat bei Vornbäumen in Bünde  nicht unbedingt mit etwas Durchblick zu tun (Quelle Wikicommons, User Tsca)
Fensterbau hat bei Vornbäumen in Bünde nicht unbedingt mit etwas Durchblick zu tun (Quelle Wikicommons, User Tsca)

Auch bei der Fensterbaufirma Vornbäumen in Bünde bei Bielefeld ist Firmen-Boss Fritz Vornbäumen offenbar schlecht beraten und möchte die Gründung eines Betriebsrats schon im Ansatz verhindern, berichtet die Neue Westfälische. Von drei Personen, die den Wahlvorstand übernommen haben, ist einer zurückgetreten, den anderen beiden wurde gekündigt.

Anstatt Unrechtsbewusstsein an den Tag zu legen, oder sich zumindest bedeckt zu halten, beklagt der neue Geschäftsführer Jörg Thurow, dass durch einen Betriebsrat Kosten durch ein Büro für das Gremium und eventuell auch für höhere Löhne entstehen würden: „Der Wettbewerb ist hart genug und wir sind froh, dass wir die Arbeitsplätze erhalten können.“

Lohn weit unter Tarif | Unternehmenshörige Angestellte mobilisiert

Die beiden Gekündigten arbeiten – laut Presse – seit 1,5 Jahren für 10,- Euro Stundenlohn in die Firma. Das liegt 40% unter dem Tarif  und ist ein Grund mehr, sich arbeitgeberunabhängig zu organisieren. Offenbar ist es der Geschäftsführung jedoch gelungen, einen Teil der Belegschaft schon vor der Wahl gegen die Idee einer Arbeitervertretung aufzubringen. Der Angestellte Maik Laskowski findet seinen Chef und dessen Lohndumping sogar so super, dass er gleich öffentlich bekennt, keinen Betriebsrat zu brauchen.

Peter Kleint, von der IG-Metall, der die Betriebsratswahl begleitet, vermutet, dass die Mitarbeiter Angst vor Benachteiligungen ihres Arbeitgebers haben. Leider ist tatsächlich immer wieder zu beobachten, dass sich die Belegschaft mit Drohungen und durch einfach Belohnungsmechanismen wie die Aussicht auf Beförderung oder auch nur den Erhalt des Arbeitsplatzes gegen ihre Kollegen_innen aufhetzen lassen. (Einen besonders krassen Fall dieser Art dokumentierten wir bei der AWO-Tochter Omnicare.) Ansonsten scheint der Fall Vornbäumen in die Risiko-Situation patriachale Geschäftsführung zu gehören, die unser Autor Elmar Wigand bereits in der Neues Deutschland-Reihe Wildwest in der Provinz über Familienbetriebe in ländlichem Umfeld beschrieb.

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Schmutziges Spiel bei Enercon-Tochter in Ostfriesland

Auch in der Windindustrie an der Waterkant werden Arbeiter offenbar entgegen eindeutiger Gesetzeslage eingeschüchtert, ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen. Die IG-Metall berichtet im Fall der Enercon-Tochter Gusszentrum Ostfriesland (GZO), sie habe: „eine Reihe von Anrufen von GZO-Beschäftigten erhalten, die von massiven Einschüchterungsversuchen durch den Arbeitgeber berichten. Sie sollen gedrängt worden sein, Kandidaten der Geschäftsführung in den Wahlvorstand zu wählen. Einigen soll der Besuch der Wahlversammlung untersagt worden sein. Zudem sei mit der Streichung des Weihnachtsgeldes gedroht worden.“

Auf der Seite  wird ein Beschäftigter zitiert: „Willkür, Demütigung durch Vorgesetzte stehen leider an der Tagesordnung“. Für Enercon-Beschäftigte hat die IG Metall eine kostenlose Hotline eingerichtet: tel.: 0800 4464636.

Bei der Enercon GmbH, Deutschlands größtem Windkraftanlagen-Hersteller mit Sitz in Aurich, arbeiten insgesamt rund 13.000 Beschäftigte. Die IG Metall bemüht sich seit einigen Jahren mit Erfolg, die Beschäftigten der Branche zu organisieren. (Mehr dazu: Heiner Dribbusch: Nachhaltig erneuern. Aufbau gewerkschaftlicher Interessenvertretung im Windanlagenbau (Aufsatz hier als pdf), im Buch: Delef Wetzel (Hg.): Organizing, Hamburg 2013.)


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