DPolG: Innenminister begünstigen gelbe Polizei-Gewerkschaft

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Gezielte Förderung der DPolG und ihres rechten Scharfmachers Rainer Wendt

DPolG-Boss Rainer Wendt bei Plasberg
Die Sendung „hart aber fair“ des WDR-Journalisten Frank Plasberg ist immer ein sicherer Hafen für rechte Positionen und Scharfmacher wie den Polizei-Lautsprecher Rainer Wendt. (Foto: wikicommons)

Das NRW-Innenministerium zahlte dem Vorsitzenden der Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt einen Teilzeit-Beamtensold als Hauptkommissar in Höhe von 3348,68 Euro brutto im Monat, obwohl Wendt seit Jahren ausschließlich Gewerkschaftstätigkeiten ausführte, durch Talkshows tingelte und in Aufsichtsräten von Privat-Unternehmen saß.

Fraglich ist, was das strategische Ziel dieser breit angelegten Förderung der DPolG durch mehrere Bundesländer war. Einerseits ging es sicherlich um gewerkschaftliche Kern-Themen: den Abbau von Arbeitnehmerrechten im öffentlichen Dienst. Hier kann eine Konkurrenz zum DGB für die Innenminister der Länder nützlich erscheinen.

Anderseits sind starke politische Motive erkennbar: Eine Diskurs-Verschiebung in Richtung der stark rechts aufgeladenen Stichworte „innere Sicherheit“, „Ausländerkriminalität“, „starker Staat“, „Abbau von Grundrechten“, „Parallelgesellschaften“.

So konnte ein Polizeigewerkschafter ins Rampenlicht geschoben werden, der nur eine Minderheit der gewerkschaftlich organisierten Polizist*innen vertrat. Dafür aber umso mehr die Klappe aufriss. Wann haben Sie dagegen zuletzt Arnold Plickert, den geschäftsführenden Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GDP) im TV gesehen?


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Obwohl der Fall große Aufmerksamkeit und intensive Berichterstattung erfuhr, ist unklar, wie viele Freistellungen von Polizeigewerkschaftern die einzelnen Bundesländer derzeit konkret bezahlen. 

Rainer Wendt: Pseudo-Polizist, Absahner und Lügner

66 Jahre DPolG in Berln
Per Staatsfinanzierung blieb der DPolG genug Geld, um Neumitgliedern 150,- Euro Prämie zu zahlen (screenshot PDF vom 28.03.2017).

Wendt befeuerte den Skandal um seine Person, indem er öffentlich log. Nach und nach kam heraus, dass er keineswegs von seiner Gewerkschaft bezahlt wurde. Von der DPolG kamen nur bescheidene 520,- Euro im Monat. Neben dem Land NRW zählten auch Unternehmen zu seinen Finanziers.

So latzte die Kölner Axa Versicherung laut Zeit vom 8.3.2017 50.000,- € im Jahr für Wendts Anwesenheit bei Aufsichtsratssitzungen. Der Pseudo-Polizist soll laut FAZ vom 9.3.2017 in einem Dutzend Aufsichtsräten und Ausschüssen sitzen und dort weitere 22.000,- € erzielen. Insgesamt kommt er laut Angaben seines Anwalts auf 124.145,29 Euro brutto pro Jahr (Spiegel.de, 8.3.2017).

Die Finanzierung des DPolG-Frontmanns aus Steuergeldern soll bereits in der Amtszeit des NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) (2005-2010) und seines Innenministers Ingo Wolf (FDP) durch mündliche Absprachen in Gang gesetzt worden sein (FAZ 09.03.2017). Wolf mutete den Beamten einiges zu. Er nahm weitreichende Umstrukturierungen der NRW-Polizei vor, um Verwaltungsstellen abzubauen und mehr Polizisten in den täglichen Einsatz auf der Straße zu bekommen. Bereits 2003 – noch unter SPD-Regiment – mehrte sich die Unruhe unter Polizisten, weil die Landesregierung die Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 41 Stunden plante, sowie das Pensionsalter von 60 auf 62 Jahre anheben und Weihnachts- und Urlaubsgeld kürzen wollte (Kölnische Rundschau, 12.11.03).

Was für den Bedarf nach politischer Schützenhilfe durch die DPolG spricht: NRW-Innenminister Ingo Wolf legte im Jahr 2005, als die Förderung der DePolGe begann, seinen Entwurf für ein neues NRW-Verfassungsschutzgesetz vor. Es sollte die Befugnisse des Verfassungsschutzes auf Computer-Spionage ausweiten. Das Bundesverfassungsgericht kassierte das Gesetz 2008, weil es mit dem Grundeingesetz nicht vereinbar sei (BAG von 27.2.2008, Az. 1 BvR 370/07). Als Aufhänger für Wolfs Spionage-Vorstoß diente der missglückte Anschlag auf Kölner Nahverkehrszüge vom 31. Juli 2006 durch eine islamistische Terror-Zelle.

Der Name Ingo Wolf ist zudem eng mit der Duisburger Love-Parade-Katastrophe vom 24.7.2010 verbunden.1

Mönchengladbach als sicherer Zufluchtsort für arbeitsscheuen DPolG-Boss

Der Duisburger Polizeipräsident Rolf Cebin, den Innenminister-Wolf kurz vor der Love-Parade in Duisburg in Ruhestand beförderte, war 2006 auch die letzte Person in verantwortlicher Position gewesen, die forderte, dass Rainer Wendt für seine Bezüge gefälligst auch als Hauptkommissar arbeiten sollte. Der DPoLG-Boss wurde daraufhin vom Innenministerium nach Mönchengladbach verschoben. Von dort aus konnte er ungestört seinen rechtspopulistischen Neigungen in Talkshows, Zeitschriften und Blogs nachgehen.

Freistellungen auch in Hessen, Rheinland-Pfalz und Hamburg

Neben Rainer Wendt wurden noch weitere DPolG-Funktionäre auf Staatskosten finanziell ausgehalten, darunter der NRW-Vorsitzende Erich Rettinghaus und der rheinland-pfälzische DPolG Landes-Vorsitzende Benno Langenberger (FAZ, 9.3.2017). Hessen soll vier Gewerkschaftsfunktionäre bezahlt haben (junge welt 14.03.2017), darunter allerdings auch den GDP-Mann Jörg Bruchmüller (Frankfurter Neue Presse 07.03.2017). Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter André Schulz erhielt seine Bezüge zu 50 Prozent von der Hansestadt Hamburg.

Innenminister Jäger wusste mal wieder von nichts. Angeblich

Eigentlicher Platzhirsch unter den Polizeigewerkschaften ist die zum DGB gehörende Gewerkschaft der Polizei (GDP) mit rund 175.000 Mitgliedern. Laut statistischem Bundesamt gab es im Jahr 2015 in Deutschland 310.000 Polizisten und Polizistinnen. (Übrigens hat Bayern laut Statista mehr Polizei als das bevölkerungsreichste Bundesland NRW). Wenn wir einen geschätzten Rentneranteil von 15% unter den GDP-Mitgliedern berücksichtigen, so hat die DGB-Gewerkschaft bundesweit einen Organisierungsgrad von 49,2%. Bei Personalratswahlen schneiden die Kandidaten der GDP entsprechend gut ab (siehe z.B. das Ergebnis der Personalratswahlen NRW 2016). Entsprechend der Sitzverteilung in den Personalräten erfolgen die Freistellungen, bei denen Vertreter von DPolG und BDK regelmäßig leer ausgehen.

Die DPolG, die Teil des Deutschen Beamtenbundes ist, gibt immerhin 94.000 Mitglieder an – eine erschreckend hohe Zahl, die auch dadurch zustande kam, dass die DPolG in NRW offenbar 80.000,- Euro zur Verfügung hatte, um Überläufer und Neueintritte mit einer Prämie von 150,- Euro zu begrüßen (WAZ März 2017).

Während der Amtszeit von Jürgen Rüttgers (CDU) und Info Wolf (FDP) muss auf politischer Ebene die Entscheidung gefallen sein, gezielt eine Hardliner-Truppe rechts von der GDP aufzubauen. Nachdem die CDU in NRW abgewählt wurde, lief das Arrangement unter Innenminister Ralf Jäger (SPD) weiter.

Jäger gab an, er habe davon keine Kenntnis gehabt, was andererseits die Frage aufwirft, wie weit der Polizei-Apparat sich bereits verselbständigt hat und wie groß die Macht der Politik über den Sicherheitsapparat eigentlich noch ist. Man sollte annehmen, dass die SPD den DGB-Gewerkschaften tatkräftig dabei helfen würde, heranwachsende Konkurrenz klein zu halten anstatt rechte Konkurrenzgewerkschaften zu finanzieren. Schließlich war die SPD der Motor hinter dem Tarifeinheitsgesetz vom 10. Juli 2015.


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Erich Rettinghaus, NRW-Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), und sein Stellvertreter Wolfgang Orscheschek traten kurz vor Bekanntwerden der Affäre um ihre Bezahlung aus dem Vorstand der DPolG zurück. Die bezahlten Freistellungen sind weg und damit ist vorerst auch das Geschäftsmodell der DPolG geplatzt (WAZ März 2017).

Staatlich bezahlter Hetzer

Das NRW-Innenministerium hat nicht nur den Aufbau einer gelben Gewerkschaft als aggressive Konkurrenz zur wesentlich größeren Gewerkschaft der Polizei (GDP) gezielt finanziert. Mit Rainer Wendt entstand eine Medien-Figur, die gezielt Ängste und Ressentiments in der Bevölkerung schürte, den Untergang des Abendlandes an die Wand malte und große inhaltliche Nähe zu Thilo Sarrazin und der AfD aufwies.

Rainer Wendt fiel immer wieder durch extreme Forderungen, verbale Kraftmeiereien und sehr rechte Positionen auf. Er drängt darauf, die Polizei zu einer Art Bürgerkriegsarmee mit Gummigeschossen aufzurüsten (SZ 13.12.2008) und wie in den USA mit Tasern auszustatten (DPolG). In Sachsen ließ sich die DPolG ihre Gewerkschaftsveranstaltungen von der Firma Taser sponsern (TAZ 05.04.2016). Wendt rechtfertigte selbst hanebüchene Polizeieinsätze wie z.B. den brutalen Wasserwerfer-Einsatz gegen Parkschützer und Stuttgart21-GegnerInnen im September 2010 (Polizeigewerkschaft mit Gerichtsurteil zu S21-Einsatz unzufrieden).

Rainer Wendt hat bewusst ein drastisch verzerrtes Bild der Sicherheitslage gezeichnet. In Talkshows hetzte er gegen angeblich kriminelle Ausländer, Linke und Fußballfans. Er veröffentlichte ein Buch mit dem Titel „Deutschland in Gefahr – Wie ein schwacher Staat unsere Sicherheit aufs Spiel setzt, in dem er eine angeblich drohende Apokalypse durch Migration in widerwärtigen Brauntönen ausmalt (Veriss in der Zeit vom 12.01.2017).  Rainer Wendt verteidigte die Polizei gegen Kritik an fragwürdigen Maßnahmen wie z.B. dem racial profiling in der Silvesternacht 2016/2017 in Köln.  Interviews gab er auch für die rechtsradikale Zeitschrift Junge Freiheit (15.11.2017, 3.7.2014), die ihn stets als Einen hofierte, der „Klartext redet“. Auch das rechtsextreme Welt-Verschwörungs-Magazin compact (Nov. 2015) nutzte er, um sich in Szene zu setzen.

Gelbe und wirtschaftsfriedliche Gewerkschaften

Die Idee, eine Belegschaft durch gezielte Förderung von unternehmer-freundlichen Gewerkschaften zu spalten, ist in Deutschland nicht unbekannt. Die Deutsche Bahn bevorzugte die Gewerkschaft Transnet (Vorläuferin der EVG) jahrelang systematisch gegenüber der konfliktfreudigen Gewerkschaft der Lokführer (GdL). Transnet-Betriebsräte erhielten Löhne bis zu 85%  über Tarifniveau, ihnen wurden überdurchschnittlich viele Freistellungen gewährt. Im Gegenzug befürwortete Transnet als vermutlich einzige Bahngewerkschaft der Welt die Privatisierung der Bahn samt geplantem Börsengang (siehe Das System Transnet, Elmar Wigand, 2009).

Auch Siemens und Aldi unterstützten mit der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) eine gelbe Gewerkschaft, die helfen sollte, den Organisierungsgrad von IG Metall und ver.di zu senken und die Streikfähigkeit der Belegschaften zu untergraben. (Detailliertere Texte hierzu verfassten Reinhold Schramm und Jörn Boewe.)

Fabrikation eines rechtspopulistischen Diskurses?

Die Förderung der DPolG durch das Land NRW begann 2006 in einer Phase, als AfD und Pegida noch in weiter Ferne waren. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gab von 1999 bis 2010 bundesweit den rechtspopulistischen Ton vor. Koch hetzte gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und entfachte mit seinem Spin-Doktor Dirk Metz (Lobbypedia) eine Kampagne gegen „mehrfach kriminelle Ausländer“ und „multikulturelle Verblendung“ (SZ, 17.5.2010). Jürgen Rüttgers schwamm als Wahlkämpfer zeitweilig in dessen Fahrwasser („Kinder statt Inder“). 

Da konnte ein Stichwortgeber aus dem Polizeiapparat, der als scheinbar unabhängiger Vertreter seiner Berufsgruppe in der Öffentlichkeit auftrat, sehr nützlich sein, um Glaubwürdigkeit herzustellen. Dumm nur, dass es sich um einen fremd finanzierten Lügner handelte. 


Fußnoten

1 Innenminister Ingo Wolf hatte den Duisburger Polizeipräsidenten Rolf Cebin, der sich aus Sicherheitsgründen für eine Absage der Duisburger Loveparade eingesetzt hatte, in den Ruhestand versetzt. Das geschah u.a. auf Druck des Duisburger CDU-Politikers Thomas Mahlberg.

Cebins Amtsnachfolger sah dann keine Bedenken mehr, die gegen eine Durchführung der Veranstaltung sprachen, und machte den Weg in die Katastrophe frei. (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Ingo_Wolf#Innenpolitik_und_Polizei vom 31.3.2017)


Interessante Quellen:


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