Frontberichte 11/2019: Verdi, Dennree, Krankenhaus Freudenstadt, GdP

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Guiseppe Verdi dirigiert 1880 in Paris die Oper Aida
Guiseppe Verdi dirigiert 1880 in Paris die Oper Aida. So ähnlich stellten sich Gewerkschaftsbosse früher ihre Rolle vor. Doch die Zeiten sind vorbei: Eine demokratische, moderne Gewerkschaft funktioniert nach anderen Gesetzen als ein Sinfonie-Orchester des 19. Jahrhunderts.

Presseschau: Betriebsratsbehinderung und Union Busting in Deutschland

  • Verdi / Berlin: Verdi nimmt Abmahnung gegen Gewerkschaftssekretär zurück
  • Dennree / Oberfranken: Bio-Großhändler behindert weiter Betriebsratsarbeit
  • Krankenhaus / Freudenstadt: Kaum Solidarität trotz Mobbing und Kündigung
  • GdP / Berlin: GdP unterliegt auch vor dem Landesarbeitsgericht

Rückzieher nach Solidaritätswelle mit Gewerkschaftssekretär

Die Verdi-Peronalabteilung ist Mitte August mit einer Abmahnung gegen den hauptamtlichen Gewerkschaftssekretär und Betriebsratsmitglied in der Verdi-Zentrale in Berlin Damiano Q. vorgegangen. Sein Vergehen? Er hatte auf seinem privaten Facebook-Profil einen kritischen Beitrag der linksgewerkschaftlichen Monatszeitung Express vom Frühjahr 2019 geteilt.

Der Artikel mit dem Titel „Weiter so, immer weiter? Verdi und die Krise im Handel“ kritisiert der Verfasser Anton Kobel die katastrophale Entwicklung des Verdi Fachbereichs 12 (Handel) unter der Leitung von Stefanie Nutzenberger. Im Mittelpunkt der Kritik steht ein dramatischer Mitgliederschwund, stark sinkende Tarifbindung und fehlende Konzepte diese Situation zu ändern.

Dass die Kritik an der Arbeit des Fachbereichs und insbesondere an ihrer Leiterin innerhalb der Gewerkschaft starken Widerhall finden, zeigt auch Nutzenbergers Wahlergebnis zum neuen Verdi Bundesvorstand am 24. September 2019. Nur 61,6 Prozent der Delegierten stimmten für sie. Mit Abstand das schlechteste Ergebnis aller gewählten Mitglieder (Ergebnisse Wahl des Bundesvorstandes).

Breite Solidarität – „Wir sind alle Damiano“

Innerhalb weniger Tage nach Bekanntwerden der Abmahnung gegen den Gewerkschaftssekretär gab es eine breite Welle der Solidarität. Eine Solidaritätserklärung, welche die sofortige Rücknahme der Abmahnung forderte, unterschrieben mehr als 550  GewerkschafterInnen, viele von ihnen sind selbst bei Verdi angestellt oder Betriebsräte im Handel (Unterschriftensammlung, labournet.de). Auch der Verdi-Betriebsrat stand fest hinter Damiano Q. 


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Mit so viel Aufmerksamkeit und massiver Solidarität hatte die Verdi Personalleitung wohl nicht gerechnet. Schließlich musste sie die Abmahnung am 19. September, kurz vor dem Verdi-Bundeskongress wieder zurücknehmen.

Die Mittel mit denen Verdi hier gegen unliebsame und kritische Meinungen vorgeht, stoßen besonders unangenehm auf, werden sie sonst doch vor allem von Unternehmen als Union Busting-Methode eingesetzt um engagierte Betriebsratsmitglieder kaltzustellen. Aber Meinungsfreiheit muss selbstverständlich auch in den Gewerkschaftsstrukturen gelten!

Damiano Q. selbst fasst die Situation wie folgt zusammen: „Es stimmt zuversichtlich, dass so viele Betriebsräte, Haupt- und Ehrenamtliche in und außerhalb von ver.di sich solidarisch für eine lebendige Debattenkultur einsetzen. (…) ERNEUERUNG GEHT VON UNTEN AUS!

Anton Kobel zu Gast bei 2. juristisch-politischer Fachkonferenz

Die aktion ./. arbeitsunrecht wird die anstehende Konferenz „Stell Dich dem Kampf! Arbeitsrechte verteidigen“ am 26./27. Oktober 2019 in Köln auch nutzen, um mit Anton Kobel (dem Verfasser des kritischen Express-Beitrags) und Beschäftigten über die Krise im Einzelhandel und Handlungsoptionen im Kampf gegen Tarifflucht, Lohmdumping und Auslagerung zu diskutieren. Programm und Anmeldung hier: www.arbeitsunrecht.de/konferenz

Quellen:

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Es stinkt! Bio-Großhändler Dennree behindert weiter Betriebsratsarbeit

Der Bio-Großhändler Dennree geht mit seinem Geschäftsführer und Dennree-Gründer Thomas Greim mit Schikanen gegen den erst im Mai 2019 gegründeten Betriebsrat im Zentrallager des Konzerns im oberfränkischen Töpen vor. Bereits vor der Wahl hatte die Gewerkschaft Verdi die Behinderung ihrer Arbeit beklagt. 

Laut dem Sekretär der Gewerkschaft Verdi Paul Lehmann geht der Konzern gleich mit einer ganzen Reihe an Schikanen gegen den Betriebsrat vor. Dazu gehört etwa, dass Dennree dem Betriebsratsvorsitzenden Paul F. und seinem Stellvertreter ihre Gehälter nur verspätet auszahlen. Ebenso hat die Geschäftsleitung keine Räume für Sitzungen des Betriebsrats zur Verfügung gestellt und übernimmt die Kosten für Betriebsratsseminare nicht. 

Zudem soll ein Vertreter von Dennree in einer Betriebsversammlung am 27. September durch seinen Redebeitrag versucht haben die Belegschaft und Teile des Betriebsrats von der Gewerkschaft Verdi zu spalten. Verdi stellt die mit 8 Mandaten die Mehrheit der 15 Betriebsratsmitglieder.

Laut Lehmann hat Dennree die auf Union-Busting (Was ist das?) spezialisierte Anwaltskanzlei Schreiner und Partner engagiert um weiter gegen den Betriebsrat vorzugehen. Lehmann selber darf sich unterdessen zu bestimmten Vorgängen im Betrieb selbst nicht mehr äußern. Dennree hat mit Hilfe der Medienrechts-Kanzlei Irle Moser eine Unterlassungsverfügung des Landgerichts Berlin gegen den Gewerkschaftssekretär erwirkt (Junge Welt, 02.10.2019).

Der Betriebsrat setzt sich bei Dennree unter anderem für die Bezahlung der Mitarbeiter nach den Entgelttarifen des Groß- und Einzelhandels ein. Der aktuelle Lohn der Mitarbeiter soll weit unter dem Tariflohn liegen. Zudem will er sich um Verbesserungen bei der Arbeitszeit und Änderungen bei der Videoüberwachung und Gefährdungsbeurteilungen einsetzen.

Rund 1.200 Mitarbeiter arbeiten im Zentrallager von Dennree in Töpen. Zu Dennree gehören zudem die bundesweit rund 300 Denn’s Biomärkte. Im vergangenen Jahr steigerte Dennree seinen Umsatz um 6% auf 1,025 Milliarden Euro. Davon soll Dennree einen Gewinn von rund 35 Millionen Euro eingestrichen haben.

Quellen:

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Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH: Auf Mobbing folgt die Kündigung

Die Geschäftsführung der Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH unter der Leitung von Ralf Heimbach hat mit einer fadenscheinigen Begründung ein Betriebsratsmitglied gekündigt. Zuvor soll es zu massivem Mobbing der seit mehr als 20 Jahre in dem Betrieb beschäftigten Frau gekommen sein.

Als Grund für die außerordentliche fristlose Kündigung musste ein angebliches Fehlverhalten der Frau herhalten. Das Konstrukt: Das Betriebsratsmitglied hätte unberechtigterweise Patientendaten von Mitarbeitern des Krankenhauses eingesehen haben. Da der Betriebsrat der Kündigung der Kollegin nicht zustimmte, versuchte die Geschäftsführung die Kündigung gerichtlich durchzusetzen.

Mit der versuchten Kündigung wurde das Betriebsratsmitglied für zwei Monate, bis zur Arbeitsgerichtsverhandlung, von der Arbeit freigestellt. Mitte August fand schließlich die Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Pforzheim unter der Leitung des Vorsitzenden Richters Lutz Haßel statt.

Während die Anwältin der Kliniken Veronika Klein, an einer Kündigung des Betriebsratsmitglieds festhalten wollte, bestritt deren Anwältin Michelle Meer, dass überhaupt ein Fehlverhalten ihrer Mandantin vorgelegen hätte.

Auch Richter Hassel konnte in dem möglichen Fehlverhalten grundsätzlich keinen ausreichenden Kündigungsgrund sehen, vielmehr wäre hier wenn überhaupt eine Abmahnung angemessen gewesen. Am Ende des Prozesses einigten sich die Parteien auf eine Abfindung in der Höhe eines Jahresgehaltes des Betriebsratsmitglieds.

Betriebsratsvorsitzender zieht Konsequenz aus mangelnder Solidarität

Mittlerweile ist der Vorsitzende des Betriebsrats Jörg M. von seinem Vorsitz zurückgetreten. Er machte nicht nur der Geschäftsführung sondern auch seinen KollegInnen im Betriebsrats Vorwürfe sich in dem Fall falsch verhalten zu haben. So hätte sich ein Großteil der Betriebsratsmitglieder nicht hinter die Kollegin gestellt.

Einige hätten sie gar vorverurteilt und einen Brief an die Geschäftsführung, der die Weiterzahlung des Gehaltes der Betroffen forderte, hätten gerade einmal fünf Betriebsratsmitglieder unterschrieben (Schwarzwälder Bote, 08.10.2019). Zum Gerichtsverfahren waren sogar nur drei Betriebsratsmitglieder erschienen.

Jörg M. bleibt weiter Mitglied des Gremiums.

Die Krankenhäuser Freudenstadt gGmbH beschäftigen rund 850 Mitarbeiter und dient als Lehrkrankenhaus für die Universität Tübingen.

Quelle:

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GdP unterliegt auch vor dem Landesarbeitsgericht

In den vergangenen Monaten haben wir bereits mehrfach darüber berichtet, dass die Gewerkschaft der Polizei versucht, die Betriebsratsvorsitzende ihrer Bundesgeschäftsstelle zu kündigen (Frontberichte 01/2019, Frontberichte 03/2019, Frontberichte 05/2019), nachdem diese Vorwürfe wegen Mobbing und Machtmissbrauch gegen den Bundesvorsitzenden Oliver Malchow öffentlich machte.

Nachdem bereits das Arbeitsgericht Berlin die Suspendierung und das Hausverbot gegen die Betriebsratsvorsitzende aufhob (Aktenzeichen: 38 Ga 3131/19), bestätigte Anfang Oktober auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg diese Entscheidung (Aktenzeichen 6 SaGa 777/19). Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nicht anfechtbar.

Die GdP ließ sich durch die Anwaltskanzlei Platow – Peter – Damm vertreten. Die Kanzlei hat sich eigentlich auf die Vertretung der Rechte von Betriebsratsmitgliedern spezialisiert. Hier gehen sie jedoch gemeinsam mit einer Gewerkschaft gegen Betriebsratsmitglieder vor. Ihre Kanzlei befindet sich im Gebäude der Verdi Bundesverwaltung in Berlin. Die Betriebsratsvorsitzende wurde rechtlich durch die Kanzlei Jung in Potsdam vertreten. 

Das Urteil ist eine erneute Schlappe für den GdP-Bundesvorsitzenden Oliver Malchow und seine Versuche die Betriebsratsvorsitzende loszuwerden. Die GdP muss zudem die Kosten des Verfahrens von rund 30.000 Euro (Tagesschau, 04.10.2019) tragen.

Doch auch mit diesem Rückschlag will sich Malchow nicht zufrieden gehen. Er strebt gleich zwei weitere Verfahren an, mit denen der die Betriebsratsvorsitzende und auch ihren Stellvertreter loswerden will. Das nächste Arbeitsgerichtsverfahren gegen die Betriebsratsvorsitzende soll am 14. Januar 2020 stattfinden. 

Quellen:


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