Frontberichte 17. KW

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Arbeitsunfall, Lohnraub, Union-Busting und Bossing weltweit – und in Deutschland

Dhaka/Bangladesh: Fabrikeinsturz / Arbeitsbedingungen in Textil-Industrie +++ Hong Kong/China: Hafenstreik ++ Griechenland: Vorarbeiter schießen auf Erntehelfer +++  Schlecker/ Deutschland: Verkäuferinnen arbeitslos +++ HoWe, Uli Hoeneß / Bayern: Wurstfabrik mit Leiharbeit und Alternativem Vertretungsorgan (AVO)

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Grausame Arbeitsbedingungen: Schon am 2. März 2006 ging die bengalische Textilgewerkschaft „National Garment Workers Federation“ auf die Straße, weil über 100 Kolleg*innen bei einem Brand in der Fabrik KTS getötet worden waren.

Aus Respekt vor den getöteten Textilarbeiter_innen in Dhaka, Bangladesh, möchten wir in dieser Woche den Blick ausnahmsweise etwas schweifen lassen. Über 300 Tote und 1000 Verletzte machen es unmöglich, die Skrupellosigkeit des Fabrikbesitzers und der Unternehmer zu ignorieren, die das Haus 2007 mit minderwertigem Material bauen ließen und letzte Woche dennoch 3.500 Menschen weiter zur Arbeit zwangen, als sich schon Risse zeigten.

Seit diesem schrecklichen Vorfall sind die ArbeiterInnen von über 5.000 Fabriken im Textil-Bereich in Indien im Ausstand und demonstrieren gegen ihre Arbeitsbedingungen. Selbst die Rettungsmaßnahmen am Ort des Unglücks wurden für 2 Stunden unterbrochen, da die Polizei in Dhaka es für wichtiger hielt gegen die Demonstranten vorzugehen, als nach Verschütteten zu suchen. Dass der Fabrikbesitzer mittlerweile gefasst wurde, kann wohl kaum befriedigen, denn, wie überall, brauchen skrupellose Geschäftemacher eine Infrastruktur aus lokalem und internationalen Lobbyismus, die ihnen in die Hände spielt.


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Aber das große Schweigen kommt nicht nur von den Betrieben. Eigenartigerweise wachen auch staatliche Stellen mit Argusaugen über mögliche kritische Berichterstatter.

http://www.zeit.de/2012/13/Indien-Textilfabrik-Arbeitsbedingungen/seite-2

Bangladesh: Fabrikbesitzer für Arbeitsbedingungen verantwortlich

Amirul Haque, Vorsitzender der Gewerkschaft Nationale Bekleidungsföderation, macht auch die großen Textilketten und somit die Kunden der Fabrikbesitzer für die haarsträubenden Arbeitsbedingungen mit verantwortlich.

http://www.taz.de/Fabrikeinsturz-in-Bangladesch/!115339/

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Hong Kong: Hafenarbeiter im Streik

Bereits seit 4 Wochen sind 600 Hafenarbeiter des Hongkong Internationalen Terminals im Ausstand. Sie haben seit 15 Jahre keine Lohnerhöhung erhalten, leiden unter der Nichteinhaltung von Arbeitssicherheitsbstimmungen und haben sich in einer unabhängigen Hafenarbeitergewerkschaft organisiert. Diese junge Organisation ist nicht in der Lage, Lohnausfälle an die Streikenden zu zahlen. Deshalb werden Spenden für die Streikenden gesammelt. Der für die Lage der ArbeiterInnen verantwortliche Tycon Li Ka-shing indes setzt Streikbrecher ein, leitet Schiffe nach Shenzen um und versteckt sich hinter dem international so gerne miss- und gebrauchten Argument, dass er Subunternehmer beschäftige, deren Verträge er nicht kenne.  Über 60 Hafenarbeiter-Gewerkschaften weltweit haben bereits ihre Solidarität bekundet. Ob in China selbst Solidaritätsstreiks geduldet würden, ist offen.

http://www.jungewelt.de/2013/04-23/002.php

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Vorarbeiter schießen auf Erntehelfer

In Griechenland haben  drei Vorarbeiter Mitte April auf ca. 200 Erdbeerpflücker aus Bangladesh geschossen, als sie ihren seit Monaten ausstehenden Lohn einforderten. 35 Personen wurden dabei verletzt.

http://www.taz.de/Erntehelfer-in-Griechenland-beschossen/!114779/

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Schlecker-Verkäuferinnen

Die pure Masse der wöchentlichen Meldung macht eine lückenlose Erfassung aller Fälle schon für Deutschland unmöglich. Deshalb können auch diese drei Meldungen aus Indien, Hongkong und Griechenland, die uns letzte Woche ins Auge stachen, nur winzige Ausschnitte aus dem weltumspannenden neoliberalen Ausbeutungssystem darstellen. Wichtig erscheint uns festzustellen, dass die Umstände, unter denen die ArbeiterInnen  leiden sich dank neoliberaler Globalisierung kaum mehr voneinander unterscheiden.

Aus Deutschland, wo ArbeitnehmerInnen eher langsame Tode durch Depression und Burnout sterben, bleibt als Nachklapp zu berichten, dass die sogenannten „Schlecker-Frauen“ bisher bestenfalls zur Hälfte neue Stellen gefunden haben. Der Grund ist so banal, wie erschreckend: Schlecker hat – nach langen Kämpfen und beharrlicher Organisierung  – den Tarif gezahlt. Das ist mittlerweile so ungewöhnlich, dass die ehemaligen Schlecker-Angestellten bei neuen Vertragsabschlüssen bei gleicher Arbeit in der Regel erhebliche Einbußen hinnehmen müssten.

http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-04/schlecker-mitarbeiter-bezahlung

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Uli Hoeneß‘ Wurstfabrik: Leiharbeit und Alternatives Vertretungsorgan (AVO)

Und weil derzeit scheinbar nirgendwo ein Weg an dem ehemaligen „Saubermann“ Hoeneß vorbei führt, soll er an dieser Stelle auch sein Fett als Hersteller von Nürnberger Rostbratwürstchen wegbekommen. Als Uli Hoeneß von einer Protestkundgebung von NGG-Gewerkschaftern gegen sein Bratwurtsunternehmen erfuhr sagte er, laut Abendzeitung:

„Wir leben in keinem Gewerkschaftsstaat, wo mir die NGG Vorschriften machen kann“

80 LeiharbeiterInnen sind im Hoeneßschen Familienbetrieb HoWe beschäftigt, schreibt die Presse. Für „Ungelernte mit Sprachschwierigkeiten“ befindet Uli Hoeneß einen Monatslohn von 1380,- brutto für angemessen. 290 Mitarbeiter gibt es insgesamt. Diese durften ein „Gremium“ wählen, einen Betriebsrat gibt es jedoch nicht. Wie immer will keiner die Umstände verantworten, schon gar nicht Hoeneß Senior selbst. Der Würstchen- und Schwarzgeld-Millionär schiebt die Verantwortung der Einfachheit halber seinem Sohn unter, der das operative Geschäft komplett übernommen habe. Papa Uli selbst „helfe nur beim Verkauf“ und kenne ansonsten keine genauen Zahlen.

http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.lokales-hungerloehne-proteste-gegen-bratwurst-millionaer-hoeness.5f49c22e-0891-4a46-b6cc-418078589bdb.html

Das Unternehmen HoWe wurde 1985 von Hoeneß und Werner Weiß gegründet. Es wuchs dürch Lieferverträge mit Aldi und anderen Discountern.

Uli Hoeneß sei zwar noch Eigentümer, schreibt die FAZ im Widerspruch zu oben genannten Angaben der Münchner Abendzeitung, „aber de facto mehr so eine Art Patriarch“, sagte er in einem Interview vor einigen Jahren.

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/howe-wurstwaren-die-wurstfabrik-von-uli-hoeness-12157965.html

 


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