Software-Milliardär will den Anschein vermeiden, Betriebsräte zu beeinflussen oder genehme Kandidaten zu bevorzugen
Der bekannte Mäzen und Investor Dietmar Hopp ordnet seine Spendentätigkeit neu. Seine Stiftung übernahm laut Mannheimer Morgen 85% am Kita-Betreiber family&kids@work und setzte eine neue Geschäftsführung ein. Damit wurde die langjährige SAP-Betriebsratsfürstin Christiane Kuntz-Mayr wohl endgültig aus der Rolle der scheinbar familienfreundlichen Wohltäterin gedrängt.
Die Umstrukturierung im Hopp-Imperium hat auch etwas mit dem Buch „Die Fertigmacher – ArbeitsUnrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung“ zu tun. Darin portraitierten Werner Rügemer und Elmar Wigand die Aktivitäten der Christiane Kuntz-Mayr, die viele Jahre gleichzeitig im Betriebsrat und im Aufsichtsrat von SAP saß.
Die gelbe Betriebsrätin powered by Dietmar Hopp klagte gegen die Autoren.
Die Initiative aktion./.arbeitsunrecht e.V. bittet um solidarische Spenden, damit der Fonds „Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt“, der in solchen Fällen einspringt, wieder gefüllt wird.
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Einem merkwürdigen Eindruck entgegenwirken
Mit der Umstrukturierung des Kinderbetreuungswerks, das große Kontingente für SAP-Mitarbeiter vorhält, will Dietmar Hopp laut Presseberichten dem „Eindruck“ entgegenwirken, er habe Betriebsräte „beeinflussen“ wollen. Auch der SAP-Vorstand begrüßt dies, weil die Trennung „eine größere Distanz zu SAP-Dienstverhältnissen“ bewirke. (Wirtschaftswoche 13. 11. 2015).
Die Verquickung von Betriebsratstätigkeit und Kinderbetreuungs-Management erschien im Fall Christiane Kuntz-Mayr aus zwei Aspekten höchst problematisch:
- Erstens konnte Kuntz-Mayr mit ihrem Engagement für die Kinderbetreuung der SAP-Beschäftigten ihre Beliebtheit in der Belegschaft vergrößern und so ihr Image für kommende Betriebsratswahlen verbessern.
- Zweitens verstärkte sich durch family&kids@work der Eindruck der Verfilzung mit Konzern-Management und Eigentümer. Was eher ungünstig ist, wenn man als Betriebsratsmitglied für die Interessen von Lohnabhängigen eintreten will.
Kuntz-Mayr legt derzeit ein Sabbat-Jahr ein. Sicher kann sie Erholung gut gebrauchen. Michael Kroker, Redakteur der Wirtschaftswoche, problematisierte ihre diversen Posten und Pöstchen in einem großen Hintergrundartikel (WiWo vom 20. 1. 2015). Ihre Ämterverquickungen führten nicht nur zu bösem Blut in der Belegschaft, das „SAP Legal Compliance & Integrity Office“ untersuchte ihre Rolle im Aufsichtsrat – ohne allerdings etwas zu finden (oder finden zu wollen) und ohne ihre Rolle im Betriebsrat zu berücksichtigen. So erklärte der SAP-Aufsichtsrat am Ende:
Insbesondere bestand keine berechtigte Besorgnis, dass Frau Kuntz-Mayr ihre Aufgabe im Aufsichtsrat nicht unbeeinflusst, unbefangen und unabhängig wahrnehmen konnte.
Mancher Freibrief klingt so gequält, dass er wie eine Anklage scheint.
Vom Alternativen Vertretungsorgan zur gelben Betriebsrats-Liste
Kuntz-Mayr hatte sich jahrelang im Einklang mit dem Gründer und Chef der Softwareschmiede SAP gegen die Wahl eines Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungs-Gesetz (BetrVG) gewehrt (Hopp ließ damals verlauten: „Wer einen Betriebsrat wählt, der fliegt“). Sie agitierte gegen Gewerkschaften, war nicht nur stellvertretende Vorsitzende eines selbstgestrickten Alternativen Vertretungsorgans geworden, dessen Mitglieder bis 2006 nicht nach BetrVG gewählt wurden. Kuntz-Mayr gelangte über eine betriebsinterne Wahl in den SAP-Aufsichtsrat und erhielt so automatisch einen Posten im SAP-Pseudo-Betriebsrat.
Dann hatten drei IG Metall-Mitglieder die Wahl eines ordentlichen Betriebsrats gegen Kuntz-Mayr und Hopp gerichtlich durchgesetzt.
Kuntz-Mayr schaltete wendig um, gründete die gelbe Liste „Wir für dich“ und hatte ihre vorherigen Funktionen wieder. Dabei verdiente sie gut: Gehalt als Develop-Managerin, jährliche Aufsichtsratstantiemen (210.000,- EUR für 2013), subventionierte Aktienkäufe, wie sie leitenden Angestellten und Führungspersonen zustehen.
Nicht nur SAP direkt, sondern auch Dietmar Hopp bzw. dessen Stiftung bespendete das Unternehmen namens Family&kids@work, das von Kuntz-Mayr und einer anderen Betriebsrätin geleitet wurde, mit geldwerten Vorteilen in Millionenhöhe. Family&kids@work betrieb zwei komfortable Kindergärten am Firmensitz Walldorf und im benachbarten St. Leon-Rot.
Gelder sind vorhanden: Prozesshanselei mit Staranwälten
Kuntz-Mayr ließ sich in ihrer Klage gegen Rügemer und Wigand von der Hamburger Prominentenkanzlei Prinz Neidhardt Engelschall vertreten. Sie bzw. die Kanzlei suchten sich nach dem Prinzip des „fliegenden Gerichtsstands“ – eine Besonderheit des Medienrechts – das Hamburger Landgericht für die Klage aus. Die Hamburger Pressekammer ist für ihre unternehmerfreundlichen Urteile bekannt. Das Gericht folgte der Klage trotzdem nur in wenigen Punkten, so dass in der 2. Auflage von „Die Fertigmacher“ einige Passagen leicht geändert werden mussten.
Für die Autoren Rügemer / Wigand und den Verlag kostete dieser Beitrag zur presserechtlichen Aufklärung und kosmetischen Maßnahmen am Buch „Die Fertigmacher“ etwa 2.500 Euro. Der Soli-Fonds „Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt“ der aktion./.arbeitsunrecht e.V. unterstützte die Autoren.
Solidarität wirkt: Unterstützen Sie den Fonds Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt mit einer Spende!
Damit wir uns auch in Zukunft gegen Angriffe des Unternehmerlagers wehren können.