Aachener Rede. Was ist los in Frankreich?
Die Sammlungsbewegung #Aufstehen, Die Linke Aachen mit ihrem Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko, Friedensaktivisten + Gewerkschafter organisierten am Samstag, 15. Dezember 2018 auf dem Aachener Theaterplatz eine Solidaritätskundgebung zu den französischen „Gelbwesten“. Die aktion ./. arbeitsunrecht beteilitgte sich.
Werner Rügemer, Vorsitzender der Initiative aktion ./. arbeitsunrecht, hielt die folgende Rede:
Bürgerinnen und Bürger von Aachen!
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Schön, dass Ihr Euch hier versammelt habt. Wir freuen uns, dass wir aus Köln dazukommen können. Wir sind hierher gekommen, weil wir in der benachbarten Stadt Würselen die tapfere Betriebsrätin Mona in der Filiale von Toys R us unterstützen. Wir werden gleich anschließend nach Würselen weiterfahren. Wir hoffen, dass einige von Euch mitkommen können.
Behinderung von Betriebsräten ist strafbar!
Mona kämpft dafür, dass die Verkäuferinnen und Verkäufer der dortigen Filiale der Spielzeugkette Toys R us geregelte Schichten haben und genug verdienen. Mona sagt dazu im Betrieb ihre Meinung. Mona ist die gewählte Betriebsräten und eigentlich vom Gesetz geschützt. Das Gesetz heißt Betriebsverfassungs-Gesetz.
Aber trotzdem wird sie von der Geschäftsleitung der Eigentümer aus Irland immer wieder vor Gericht gezerrt. Eigentlich ist die Behinderung von Betriebsräten nach dem Gesetz eine Straftat. Aber die deutsche Justiz und die deutsche Regierung kümmert sich nicht um die Einhaltung dieses Gesetzes, nicht nur in Aachen, sondern in ganz Deutschland.
Deshalb kämpfen wird dafür, dass alle Betriebsräte und alle Beschäftigten in Deutschland frei ihre Meinung sagen können. Dass sie genug zum Leben verdienen. Und dass sie auch genug haben zum Kaufen von Spielzeug für die eigenen Kinder. Und dass gesetzlose Investoren und Unternehmer und Geschäftsführer bestraft werden.
Gelbe Westen: Was ist los in Frankreich?
Wir haben hier rote Westen an. Weil das eine schöne Farbe ist. In ganz Frankreich leuchtet zur Zeit auch eine schöne Farbe. Die ist gelb.
Millionen französischer Arbeiter und Arbeiterinnen, Rentner und Rentnerinnen, Autofahrerinnen und Autofahrer, Schüler und Studenten protestieren mit ihren gelben Westen gegen das soziale und Arbeits-Unrecht im Reich des reichen Bankiers-Präsidenten Emmanuel Macron.
Am Anfang ging es nur um eine einzelne Sache. Die schien gar nicht so wichtig zu sein. Der reiche Bankiers-Präsident wollte die Benzinsteuer erhöhen. Er hatte nämlich zu wenig Geld in der Staatskasse, weil er den Reichen die Vermögenssteuer und die Aktiensteuer erlassen hatte und weil er Frankreich und die Europäische Union militärisch aufrüsten will, gegen die bösen Russen und Chinesen.
Da holten auf einmal überall im Staate Millionen Franzosen ihre gelben Warnwesten aus ihren Autos. Sie taten das alle gleichzeitig – wie von Geisterhand gelenkt. Sie gingen zu Fuß und gemeinsam auf die nächste Straße und blockierten den Verkehr. Weil in Frankreich die Dörfer und Kleinstädte abgehängt sind von Bahn und Geschäften und Arbeitsplätzen, müssen Millionen Franzosen immer weitere und teurere Wege mit dem Auto fahren.
Und als sie gegen die Benzinsteuer protestierten: Da merkte sie plötzlich überall auf den Straßen ihres Staates: Uns drücken doch noch viel mehr Ungerechtigkeiten!
Nicht nur Benzin: Was wollen die Gelbwesten?
Ich habe mal die Liste der Forderungen der Gelbwesten ausgedruckt. Es sind ungefähr 40 Forderungen.
Ich lese mal ein paar Forderungen der Gelbwesten vor. Sie sind meistens ganz kurz und einfach.
- Die erste Forderung: Zero SDF: Urgent! Was heißt das? SDF: Das ist in Frankreich die Abkürzung für Menschen sans domicile, Menschen ohne Wohnung, Obdachlose. Jedes Jahr sterben im Reich des reichen Bankiers-Präsidenten ungefähr 2.000 Obdachlose auf den Straßen, Durchschnittsalter 49 Jahre. Urgent: das heißt: Dringend! Die Obdachlosigkeit muss dringend bekämpft werden!
- Zweite Forderung: Progressiver Steuersatz! Also die hohen Einkommen hoch besteuern!
- Dritte Forderung: Mindestlohn von 1.300 Euro netto!
Ich kann nicht alle 40 Forderungen hier vorlesen. Ich mache eine kleine Auswahl. Diese lange Liste entstand auf den Straßen Frankreichs innerhalb weniger Tage, wie von Geisterhand. Die Forderungen schlummerten also schon jahrelang in den Köpfen und Gemütern von Millionen Franzosen.
Die Forderungen mussten nur geweckt werden. Sie brauchten nur einen kleinen Anlass. Das war die Benzinsteuer. Sie löste eine Lawine aus. Also ein paar weitere Forderungen:
- Keine Privatisierung der Rente und der anderen Sozialversicherungen!
- Alle, die in Frankreich arbeiten, müssen den französischen Arbeits- und Sozialgesetzen unterliegen! Keine Dumpinglöhnerei in der Europäischen Union!
- Staatliche Förderung des Wasserstoffantriebs für Autos!
- Begrenzung der Wohnungsmieten!
- Der Staat darf keine Grundstücke verkaufen, keine Staudämme, keine Flughäfen!
- Die Privatisierung von Gas und Strom zurücknehmen und die Preise wieder senken!
- Schluss mit der Schließung von Eisenbahn-Nebenstrecken, von Postämtern, Schulen und Geburtskliniken!
- Volksentscheid in die Verfassung!
Bürgerinnen und Bürger in Aachen, in Würselen, in Deutschland!
Da können wir einiges wiedererkennen. Und wir in Aachen und Würselen und Deutschland sind frei und aufgefordert, auch andere und weitere Forderungen aus unseren einsamen Köpfen und Gemütern und Arbeitsplätzen und Wohnungen und Schulen und Altersheimen hervorzuholen – Forderungen, die schon lange da schlummern.
Forderungen, die von christlich und sozialdemokratisch und liberal lackierten Politikerinnen und Politikern und Unternehmerinnen und Unternehmern und Beraterinnen und Beratern und Leitmedien erstickt werden.
Wir müssen Gelegenheiten schaffen wie heute hier, um unsere millionenfachen Forderungen aus dieser Erstickung zu befreien und auf die Straßen und Plätze und Internetblogs zu bringen!
Ihr habt Euch zur Solidarität mit den Franzosen gelbe Westen angezogen. Wir haben rote Westen.
Auf nach Würselen!
Nachtrag
Inzwischen hat usner Protest in Würselen, Berlin und an zahlreichen anderen Orten in Deutschland einen ersten Erfolg gebracht! Toys R Us zog das Amtsenthebungsverfahren gegen Mona zurück und zahlte Lohn nach: https://arbeitsunrecht.de/erster-erfolg-toys-r-us-zieht-zurueck/