Dumont jagt 200 Druckerei-Angestellte vom Hof – Betriebsrat überrascht

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Druckerei-Belegschaft und Betriebsrat rufen zum Protest auf

Das Management des Kölner Verlags Dumont schloss seine hauseigene Druckerei und lässt den Kölner Stadt-Anzeiger, die Kölnische Rundschau und den Express Oktober 2023 in der tariflosen Druckerei Mittelrhein-Verlag Koblenz drucken. Die rund 200 Angestellten setzte das Management ohne jede Vorwarnung auf die Straße.1

Den Feiertag zum Tag der Deutschen Einheit nutzte das Management, um Materialien abtransportieren zu lassen. Am Morgen des 04.10.2023 teilte das Management der ahnungslosen Belegschaft bei einer Betriebsversammlung in der Frühschicht mit, dass die Beschäftigten ab sofort freigestellt sind und das Gelände zu verlassen haben. Willkommen im besten aller Systeme.Auch den Betriebsrat traf das Vorgehen der Firmenleitung unvorbereitet. Den Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz, den man zunächst vermuten darf, hat das Management scheinbar billigend in Kauf genommen. Das Betriebsverfassungsgesetz kann Beschäftigte aber nur schützen, wenn es auch durchgesetzt wird. Wir hoffen, dass es hier gegebenenfalls zu einer juristische Aufarbeitung kommt und Konsequenzen für die Beteiligten folgen. Auf Behinderung der Betriebsratsarbeit steht immerhin bis zu einem Jahr Gefängnis. Allerdings können Mitbestimmungsrechte durch Auslagerung und Zersplitterung von Firmen ganz legal unterlaufen und ausgehebelt werden. Hier braucht es ein Verbot solcher Willkür-Konstrukte. 

Dumont lässt sich laut verdi von Maximilian Schmidt von der Union Busting-Dienstleister-Kanzlei Seitz Partnerschaft beraten. Anwält*innen der Kanzlei Seitz hatten schon das Mandat für die Firma Borbet in individualrechtlichen Arbeitsrechtsfragen, als Borbet zunehmend Aufträge an tarifloseTöchter vergab – um mutmaßlich den tarifgebundenen Standort mit aktivem Betriebsrat schließen zu können. Seitz versuchte außerdem den Abbruch eines Streiks an der Uni-Klinik Bonn per einstweiliger Verfügung erzwingen. 2017 hatte Seitz das Mandat für  Esprit, als die Kette eine Betriebsratsvorsitzende zu kündigen versuchte.

Und gegen wen richtet sich das Agieren von Dumont und Seitz? Die Belegschaft hat ein hohes Durchschnittsalter von rund 57 Jahren. Viele schauen auf eine sehr lange Betriebszugehörigkeit zurück. Der Betriebsrat und die Beschäftigten rufen zum solidarischen Protest auf:


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Donnerstag 12.10.2023, ab 14.00 Uhr am Verlagshaus, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln

Hier der Aufruf des Betriebsrats:

Warnzeichen: Auslagerung in eigene GmbH

Das Management des Kölner Presse-Monopolisten Dumont gliederte die hauseigene Druckerei bereits Ende 2014 in eine eigene GmbH & Co.KG aus.2 Ein klassischer Fall von Zersplitterung der Belegschaft, bei dem immer und in jeder Firma sämtliche Alarmglocken klingeln sollten. Das Zersplittern ist ein geradezu fantastisches Instrument des Union Busting, denn die Ausgegliederten müssen einen eigenen Betriebsrat gründen. Vor allem aber wird das Prinzip Eine Firma, eine Belegschaft! untergraben. Es macht aber einen entscheidenden Unterschied, ob man im selben Boot sitzt. Wir sind gespannt, wie viele Dumont Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich dem Protest der Druckerei-Belegschaft solidarisch anschließen werden. 

Lohnverzicht der Belegschaft trotz Gewinn

Laut verdi hat die Belegschaft jahrelang auf Lohnanteile verzichtet. Die Druckerei arbeitete laut Aufruf eines Betriebsratsmitglieds mit Gewinn, der musste laut Vertrag aber an das Mutterhaus abgeführt werden. Das ist ein Standardmittel um „Insolvenzen“ beziehungsweise Nicht-Rentabilität zu konstruieren, wenn ein Unternehmen Betriebsteile loswerden will. Siehe auch Borbet, wo ganz ähnlich verfahren wurde und ebenfalls die Kanzlei Seitz beraten hat. Macht so etwas nie mit! Das ist in der Regel einfach (legaler) Betrug der Besitzer. Durch Zahlenschieberei wird eine finanzielle Schieflage konstruiert und auf magische Weise erklären Besitzer  im nächsten Schritt, dass die Beschäftigten ihre Arbeitsplätze nur durch Lohnverzicht retten könnten.

Mitbestimmung bei betrieblichen Entscheidungen gegen unternehmerische Willkür

Die Herausgeber Isabelle Neven DuMont und Christian Dumont Schütte ließen den Betroffenen ihr persönliches Bedauern mitteilen.3 Sie wissen, dass die Wenigsten auf die Idee kommen, die unternehmerische Freiheit in Frage zu stellen. Aber genau hier kommen wir alle ins Spiel: wieso lassen wir zu, dass betriebswirtschaftliche Entscheidungen wie Auslagerung an selbst gegründete Töchter, Betriebsschließungen und Tarifflucht nicht wirklich mitbestimmungspflichtig sind? Dass Informationsrecht des Betriebsrats und die Möglichkeit Abfindungen zu verhandeln reichen schließlich nicht, um Belegschaften vor Willkürentscheidungen von Firmeninhabern zu schützen. Hier kommt immer noch die Illusion der Sozialpartnerschaft zum Tragen. Geht es den Unternehmen gut, geht es auch den Menschen gut. Das stimmt nicht.

Zu den Verantwortlichen zählen auch: Thomas Schultz-Homberg, CEO der Kölner Stadt-Anzeiger Medien und Christoph Bauer, Beiratsvorsitzender der Kölner Stadt-Anzeiger Medien und CEO von DuMont – und sicher noch viele weitere Personen, die den Plan mit ausgeheckt und durchgezogen haben.

Journalismus in Abwicklung

Der Druck der Zeitung im rund 100 Kilometer entfernten Koblenz bedeutet viele zusätzliche LKW-Fahrten. Die Zeitung wird nicht mehr im gewohnten Berliner Format erscheinen.

Auf redaktioneller Ebene hat sich Dumont schon 2014 runtergewirtschaftet und eine tariflose„Redaktionsgemeinschaft“ gegründet, um Redakteurstellen abzubauen.4 Tarifflucht ist ein riesen Thema für die Besitzerfamilie Dumont und betraf auch Beschäftigte bei der Berliner Zeitung, dem Berliner Kurier und der Hamburger Morgenpost, wo es zur teilweisen Abspaltung in tariffreie Mini-Gesellschaften kam.5

Wurden 2011 im Durchschnitt jeden Tag rund 18,8 Millionen Tageszeitungen verkauft, lag die verkaufte Auflage der Tageszeitungen im Jahr 2021 nur noch bei 12,3 Millionen Exemplaren.6 Sicher, es wird zu wenig gelesen. Aber: man könnte auch versuchen mit einem interessanten Produkt Leserinnen und Leser zu gewinnen. 

Thomas Schultz-Homberg, CEO der Kölner Stadt-Anzeiger Medien, begründet die Entscheidung für die Neuvergabe der Aufträge unter anderem der mindestlohnbedingten Rekordhöhe der Zustellkosten.7 Von was sollen sich Interessierte denn Zeitungen kaufen, wenn dem CEO selbst der Mindestlohn für die Zeitungsausträger noch zu viel ist? Das Reissdorf Brauhaus hat spontan Konsequenzen gezogen: hier gibt es in Solidarität mit der Druckerei-Belegschaft ab sofort weder Kölner Stadt-Anzeiger noch Express zu lesen.

Quellen


1Verdi Pressemitteilung DuMont Druck Köln: 400 Jahre Druckgeschichte beendet, 05.10.2023 https://nrw.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++15b596bc-6352-11ee-a6ac-001a4a160100

4Medienmoral NRW: Gemeinsame Tarifflucht bei DuMont und Heinen-Verlag, abgerufen 11.10.2023 https://www.medienmoral-nrw.de/2014/03/gemeinsame-tarifflucht-bei-dumont-und-heinen-verlag/

5Dju: Auf der (Tarif-) Flucht, abgerufen 11.10.2023 https://dju.verdi.de/geld-tarif/auf-der-tarif-flucht

7Kölner Stadtanzeiger: KStA Medien vergeben Druckauftrag neu, 04.10.2023 https://www.ksta.de/kultur-medien/in-eigener-sache-ksta-medien-vergeben-druckauftrag-neu-658577

Beitragsbild von Eric Weber auf Unsplash


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