Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.
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SPD Berlin / Betriebsrat tritt zurück
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DCI / Verhandlungen zu Kündigungsversuchen der Betriebsratsgründer*innen
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Uesa / Geschäftsleitung gegen Betriebsratsmitglied
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DSW/Agentur für Arbeit fördert Drehtüreffekt
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Bürgerschaft Hamburg / Regelanfrage für den öffentlichen Dienst
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Betriebsrat SPD Landesverband Berlin tritt zurück
Berlin: Der Betriebsrat des SPD Landesverbandes Berlin hat seine Kolleginnen und Kollegen über den geschlossenen Rücktritt des Betriebsrats zum 1.4.2025 informiert. Als Grund benennt der Betriebsrat, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung des Landesverbandes unter Sven Heinemann nicht möglich sei. Darüber berichtet unter anderem der rbb. 1
Der Betriebsrat vertritt 48 Mitarbeiter in der Berliner SPD-Landesgeschäftsstelle und den zwölf Büros in den Stadtbezirken. Konkret wirft der Betriebsrat der Geschäftsführung vor, dass Beteiligungsrechte wiederholt ignoriert, gesetzliche Fristen missachtet, Entscheidungen ohne Einbindung oder ohne rechtzeitige Information getroffen worden sein sollen. Das Amt habe seinen Sinn verloren, weil die Beteiligung des Betriebsrats dauerhaft untergraben oder gar verweigert worden sei.
Eine Anfrage der Aktion gegen Arbeitsunrecht an den SPD Landesverband beantwortet der Pressereferent Jonas Gebaur mit dem Statement, dass die SPD das Betriebsverfassungsgesetz durchgesetzt habe und sich selbstverständlich auch daran halte. Wir nehmen an, der Pressereferent bezieht sich dabei auf die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 1972.
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Sven Heinemann, SPD Geschäftsführer des Berliner Landesverbandes lässt dagegen in einem Statement Platitüden verlauten. Sinngemäß: Man äußere sich nicht zu internen Vorgängen und behindere die Betriebsratsarbeit nicht.
Die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen AfA in der SPD Cansel Kiziltepe antwortete bis Sendungsbeginn nicht auf eine Anfrage der Aktion gegen Arbeitsunrecht. Laut rbb soll beim SPD Landesverband Berlin eine Betriebsratsneuwahl angedacht sein. ► zurück nach oben
DCI: Verhandlungen zu den Kündigungsversuchen gegen Betriebsratsgründer*innen
Richtigstellung: Das DCI legt Wert darauf, dass es nicht (mehr) gemeinnützig ist. Es hat die Rechtsform einer GmbH. Es handelt sich also um ein profit-orientiertes Unternehmen. Das DCI hat die Medienverhinderungskanzlei Schertz Bergmann auf uns angesetzt, um diesen Recherche-Fehler abzumahnen. Wir bitten um Spenden für unseren Solidaritäts-Fonds Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt, damit wir solchen Einschüchterungsversuchen gelassen entgegen treten können.
Berlin: Die Digital Career Institut DCI kündigte im Sommer 2024 vier Initiatoren einer Betriebsratswahl. Das Digital Career Institute ist eine Bildungseinrichtung, die online Weiterbildungskurse unter anderem in den Webentwicklung, Backend Entwicklung oder Onlinemarketing anbietet. Das Mandat für die Kündigungen hatte zunächst der Union Buster Helmut Naujoks. Wir berichteten dazu am 12.12.2024 DCI: fristlose Kündigungen von Betriebsratsgründer*innen – Mandat für Helmut Naujoks
Eine der Kündigungsschutzklagen endete im März 2025 mit einem Vergleich. Darüber berichtet die Tageszeitung nd.2 Nachdem Helmut Naujoks sein Mandat niedergelegt hatte, übernahm Rechtsanwältin Andrea Panzer-Heemeier von der Kanzlei Arqis das Mandat für das DCI.
Der Gekündigte erhält eine Lohnnachzahlung und eine Abfindung in Höhe von 35.000,- Euro. Die Gesamtsumme soll 80.000,- Euro betragen.
Das DCI begründete die Kündigung laut nd-Bericht unter anderem damit, dass der Gekündigte den Betriebsfrieden gestört habe. Ein Argument, dem die Vorsitzende Richterin Tabea Frühinsfeld, der 37. Kammer des Arbeitsgerichts Berlin, nicht folgte. So ist die Abfindung vermutlich auch höher als üblich, da die Kündigung im Fall eines Urteils wohl kaum Bestand gehabt hätte.
Das nächste Versuch der Kündigung einer Betriebsratsgründerin durch das DCI wird verhandelt: Donnerstag, 22. Mai 2025, 11:15 Uhr in Saal 523 am Arbeitsgericht Berlin, Magdeburger Pl. 1
Ganz legal verschleppt: Erster Kammertermin 1 Jahr nach Kündigung
Ein weiterer Gekündigter muss noch länger warten, denn beim Union Busting wird mit allen Mitteln gespielt. Zum Beispiel Prozessverzögerung im Rahmen der leider ganz legalen Möglichkeiten. Da werden Verhandlungstermine seitens der Union Buster mehrmals verschoben, zum Beispiel wegen Krankheiten, Urlauben und Fortbildungen. Im Ergebnis bedeutet das ganz konkret: Der erste Kammertermin des gekündigten DCI-Mitarbeiters Marcell findet erst rund ein Jahr nach dessen Kündigung statt. Und zwar am: Donnerstag, 31. Juli 2025, 11:30 Uhr, in Raum 505 am Arbeitsgericht Berlin, Magdeburger Pl. 1
Wir sehen, was die Möglichkeit der Terminverschiebungen durch Unternehmen angeht, dringenden Reformbedarf. Denn oft ist es, wie im Fall DCI mehr als offensichtlich, dass das Herauszögern von Gerichtsterminen und damit Urteilen nur der Unternehmerseite dient. Unternehmen sitzen diese Zeiten locker aus. Gekündigte Angestellte müssen sich dagegen überlegen, ob sie zwischenzeitlich gezwungen ist, eine andere Stelle anzunehmen.
Prüft die Agentur für Arbeit Bildungsträger?
Dass das DCI den Rechtsstreit auf einem bequemen Geldpolster aussitzen kann dürfte auch daran liegen dass das DCI ein sogenannter Bildungsträger der Agentur Arbeit ist. Das heißt: die Agentur für Arbeit stellt Bildungsgutscheine aus, mit denen Arbeitslose und Weiterbildungswillige, möglicherweise auch Weiterbildungsgezwungene, zum DCI geschickt werden.
Die Beitragszahler legen also zusammen, um das Geschäftsmodell des DCI möglich zu machen. Entsprechend fett wird die Möglichkeit der kostenlosen Weiterbildung per Bildungsgutschein auf der Webseite des DCI auch beworben. Wie immer gilt: Wenn es angeblich umsonst oder billig ist: wer zahlt dann?
Und so konnte das DCI zu Beginn der Union Busting-Maßnahmen auch gleich noch die Medienkanzlei Schertz Bergmann beauftragen. Mit Schertz Bergmann setzte das DCI eine ziemlich unsinnige Korrektur gegen die Berichterstattung von verdi durch, die überhaupt nichts am, unserer Ansicht nach, klaren Sachverhalt der Behinderung der Betriebsratsarbeit ändert.
Wir haben eine Anfrage an die zentrale Pressestelle der Arbeitsagentur und ihr Vorstandsmitglied Andrea Nahles von der SPD gestellt. Wir möchten wissen, inwiefern Tarifbindung und demokratische Mitbestimmung bei Vertragsabschlüssen zwischen Arbeitsagentur und sogenannten Bildungsträgern überhaupt eine Rolle spielen.
Wir jedenfalls meinen, dass offen antidemokratisch und mitbestimmungsfeindlichen Unternehmen der Status eines Bildungsträgers sofort entzogen werden muss. Geschäftsführ ist laut DCI-Impressum und eigener Darstellung Steffen Zoller ► zurück nach oben
UESA: Aushang zu arbeitsunrecht FM
Uebigau-Wahrenbrück (Brandenburg): Unser Update zu den Vorgängen bei der Uebigauer Elektro und Schalt Anlagen Uesa am 19. März 2025 stieß unter den Angestellten der Firma offensichtlich auf großes Interesse. Die Geschäftsleitung unter Michael und Helmut Hoffmann, sowie Jörg Nagel veröffentlichte in der Firma sogar einen Aushang zur Sendung arbeitsunrecht FM #04/25 (liegt der Redaktion vor).
Das hilflos wirkende Papier entkräftet unsere Aussagen allerdings weniger, als dass es sie bestätigt. In einem Abschnitt bezieht sich die Geschäftsführung auf einen Bericht von Aktion gegen Arbeitsunrecht, der seit 19. Juli 2024 presserechtlich völlig unbeanstandet online steht: Elektrobau Uesa / Betriebsratsmitglied wehrt sich erfolgreich gegen Lohnkürzung. Man kann also durchaus den Eindruck gewinnen, dass die Argumentationsdecke reichlich dünn ist.
Es bleibt dabei: wenn Unternehmen sich und ihren Angestellten aktiv schweren Schaden zufügen wollen, dann ist Union Busting in probates Mittel, um das Image der Firma zu ruinieren. Wer will in einem Unternehmen arbeiten, dass Stellenausschreibungen auf facebook veröffentlicht, unter denen kommentiert wird (Kommentar zur Stellenanzeige vom 13.02.2025, die nach Veröffentlichung dieses Beitrags gelöscht wurde):
Wer will in einer Firma arbeiten, wo der Betriebsrat die Dauer der Arbeitsunfähigkeit eines unliebsamen Betriebsratsmitgliedes veröffentlicht und die Geschäftsführung das offensichtlich normal findet? (Papier liegt der Redaktion vor).
Wer will in einer Firma arbeiten, wo unter unserer Berichterstattung auf youtube kommentiert wird: „(…)Alles was hier erzählt wurde stimmt. Es gibt keinen einzigen Grund diesen BR aufzulösen, außer dem, das er nicht die Interessen seiner Beschäftigten vertritt.“ (siehe hier)
Den Dreck muss nicht derjenige verantworten, der auf ihn aufmerksam macht. Sondern die, die ihn fabrizieren. Und da antidemokratische Geschäftsführung großen Wert darauf legen, ganz allein zu entscheiden, tragen sie auch ganz alleine die Verantwortung das Image der Firma.
Anders ist es mit dem Betriebsklima: Angestellte können solidarisch sein und angeleitetes Mobbing verweigern. Wir senden in diesem Sinne solidarische Grüße an alle Uesa-Angestellten, die sich einen aktiven Betriebsrat wünschen, der ihre Interessen vertritt. ► zurück nach oben
DSW: Agentur für Arbeit fördert Drehtüreffekt
Flughafen Düsseldorf: Die Sicherheitsfirma DSW hat am Düsseldorfer Flughafen rund 1200 Angestellte. Davon sollen laut einem Bericht von verdi über 400 einen sachgrundlos befristeten Vertrag haben.3 Allein in den letzten drei Jahren soll die DSW-Geschäftsleitung laut verdi über 500 qualifizierte Luftsicherheitsfachkräfte nach Ablauf ihrer sachgrundlos befristeten Arbeitsverträge in die Arbeitslosigkeit verabschiedet haben.
Mit der Methode lassen sich die befristet Angestellten nicht nur besonders gut am Gängelband führen. Das Unternehmen kann sogar Geld damit verdienen: denn DSW wirbt immer wieder neue Arbeitskräfte an, die laut verdi in der betriebseigenen Ausbildungsakademie qualifiziert werden.
Dafür bezahlt die Agentur für Arbeit – also genaugenommen also die Beitragszahler. Der einzelne Bildungsgutschein wird laut verdi bei der Agentur für Arbeit mit 6.000,- abgerechnet werden. Sogenannte Selbstzahler sollen die Ausbildung dagegen für 2.000,- Euro kaufen können.
Unsere Erachtens auch hier ein Fall, der deutlich macht, wie die Bundesagentur für Arbeit Sozialversicherungsbeiträge verschleudert ohne die Vertragspartner überhaupt auf Mindeststandards in Sachen Seriösität zu überprüfen.
Möglicherweise kann DSW zusätzlich außerdem noch weitere Vorteile daraus ziehen, vormals Langzeitarbeitslose (über zwei Jahre ohne Beschäftigung) anzustellen. In solchen Fällen gibt es ja sogar noch Lohnkostenzuschüsse. Das können im ersten Jahr des Arbeitsverhältnisses 75 Prozent und im zweiten Jahr 50 Prozent des regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelts sein. Rein hypothetisch wäre es also möglich einen Langzeitarbeitslosen über einen Bildungsgutschein zu qualifizieren und dann auch noch zwei Jahre lang die Beitragszahler mindestens die Hälfte des Lohns zahlen zu lassen. ► zurück nach oben
Hamburger Bürgerschaft diskutiert Regelanfrage um Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst zu halten
Hamburg: Die Hamburger Bürgerschaft unter rot-grüner Regierung will unter dem blumigen Titel Resilienz des öffentlichen Dienstes gegen Verfassungsfeinde stärken die so genannte Regelanfrage einführen. Das bedeutet, dass Menschen, die sich im öffentlichen Dienst bewerben, auf ihre Verfassungstreue überprüft werden sollen. Laut den Grünen HH sieht der gemeinsame Antrag vor, den gezielten Zugang von Verfassungsfeinden in den öffentlichen Dienst zu verhindern.
Kritikerinnen und Kritiker ahnen jedoch, dass dieser Vorstoß ein weiterer Baustein sein könnte, um neue Berufsverbote zu etablieren. Berufsverbote, wie wir sie in dieser Sendung unter anderem auch schon im Zusammenhang mit Klimaschutz und Kapitalismuskritik dokumentiert haben. Haltungen, die durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind, aber zum Beispiel bei Lisa Pöttinger dazu führen, dass sie in Bayern aktuell kein Referendariat antreten darf. Wir berichteten am 6.2.2025: Berufsverbote / Bayern gegen Linke und Klimaschutz
Das bayerische Bildungsministerium bezweifelt nämlich, dass Jemand, der den Begriff der Profitmaximierung benutzt, auf dem Boden der Verfassung steht. So einfach können sich Ministerien angebliche Verfassungsfeinde backen. Und so war es ja auch schon in den 70er Jahren, als rund 11.000 Menschen auf Basis völlig überdrehter Kommunismus-Paranoia von Berufsverboten betroffen waren.
In Hamburg laden deshalb GEW HAMBURG & VER.DI FACHBEREICH B zu einer Veranstaltung zur Regelabfrage ein. Zu Gast ist unter anderem Benjamin, über dessen Fall wir ebenfalls schon berichteten: er wurde aus Gesinnungsgründen von der Technischen Universität München abgelehnt. Gemeint ist die Teilnahme an kapitalismuskritische Protesten beim G7-Treffen im Jahr 2015 in Elmau. Außerdem werden eine marxistische Weltsicht und Mitgliedschaften bei der Roten Hilfe und „Die Linke.SDS“ ins Feld geführt. Wobei die Mitgliedschaft bei „Die Linke.SDS“ schon 2014, also vor über 10 Jahren, endete. Wir berichteten am 5.9.2024: ArbG München / Gesinnungsprüfung an TU München bestätigt – Bewerber abgelehnt
Die Veranstaltung von GEW und verdi Hamburg findet statt:
MONTAG, 7. APRIL, 16:30 – 19:00 UHR, im GEWERKSCHAFTSHAUS, BESENBINDERHOF 60, RAUM ST. GEORG. Die weiteren Gäste sind:
* ROLF GÖSSNER (RECHTSANWALT, PUBLIZIST)
* HEIKO HUMBURG (LEHRER, GEWERKSCHAFTER)
Quellen
1 rbb: Betriebsrat der Berliner SPD tritt zurück, 27.03.2025, https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2025/03/berlin-spd-landesverband-betriebsrat-tritt-zurueck-.html
2 Christian Lelek: Nach gescheiterter Betriebsratswahl: 80.000 Euro für Frieden,nd, 26.03.2025, https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190090.digital-career-institute-berlin-nach-gescheiterter-betriebsratswahl-euro-fuer-frieden.html
3 Özay Tarim: Flughafen Düsseldorf: „Hire and Fire“ bei DSW als Geschäftsmodell geht weiter!,verdi, 21.02.2025 https://luftsicherheit-nrw.de/flughafen-duesseldorf-hire-and-fire-bei-dsw-als-geschaeftsmodell-geht-weiter/