Union Busting-News 12/23: Prominent, Vivantes, Porsche, Uni Jena und Bezahlung Gefangener

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Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.

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Unterbezahlung Gefangener verfassungswidrig

Deutschland: Das Bundesverfassungsgericht stellte am 20.06.2023 fest, dass die Unterbezahlung Gefangener verfassungswidrig ist und gab damit der Klage zweier Häftlinge recht. Der Stundenlohn von Häftlingen in Bayern und Nordrhein-Westfalen liegt zwischen 1,30 – 3,- Euro . 1

Für ein Neuregelung haben die Bundesländer bis Mitte 2025 Zeit. Und das Bundesverfassungsgericht lässt ihnen Raum in die neue Regelung Nischen einzubauen, zum Beispiel für Lohn-Abzüge für Haft-Kosten.


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Das Gericht hatte die Resozialisierungskonzepte der beiden Bundesländer überprüft und dazu mehr als 12 Sachverständige gehört. In der Folge erklärte das Bundesverfassungsgericht die Resozialisierungskonzepte für nicht schlüssig. Die Länder wurden leider nicht dazu verpflichtet, eine rückwirkende Vergütungsregelung zu schaffen. Bis zur Neuregelung gelten die alten Vorschriften weiter.

H-Hotels: Direktoren bei Wahlvorstandswahl

Salzburg/Österreich: Die deutschen Betreiber der Kette H-Hotels versuchen offenbar immer noch die Betriebsratsgründung in zwei Salzburger Hotels zu stören. Zur Wahlversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes am 16.06.2023 erschienen auch die Direktoren der beiden Hotels – mit dem Argument, dass auch sie Angestellte seien. So berichtet der ORF.

Es handelt sich um eine klassische Union Busting-Methode. Ihre Anwesenheit bei der Versammlung sollte vermutlich Unruhe schüren und Beschäftigte einschüchtern, die Sanktionen für Meinungsäußerung und Kritik an der Firma fürchten.

Doch die Betriebsratsgründer bekommen prominente Unterstützung: der Präsident der Arbeiter-Kammer Peter Eder übernahm persönlich den Vorsitz der Wahlkommission. Auch die beiden Initiatoren der Betriebsratsgründung, die das Management Ende März 2023 feuerte, sind Mitglieder der Wahlkommission.

Die Kündigungen der beiden waren laut Arbeitsgericht illegal. Dennoch haben die beiden Hotelbeschäftigten immer noch Hausverbot. Konkret geht es um das H+-Hotel beim Salzburger Hauptbahnhof und für das Hyperion-Hotel im Andräviertel.

Geschäftsführer der H-Hotels GmbH, sind Alexander Fitz, Thomas Haas und Thomas Querl.2 3 Zur familiengeführten Unternehmensgruppe gehören 2.500 Mitarbeiter:innen.

Porsche: Wahlanfechtung und Ermittlung der Staatsanwaltschaft

Zuffenhausen bei Stuttgart: Sowohl Porsche als auch der Betriebsrat legten Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart ein. Das Gericht hat im April 2023 die Betriebsratswahl aus 2022 für unwirksam erklärt. Das berichteten die Webseite heise.online 4

Hintergrund der Gerichtsentscheidung ist, dass knapp 100 Mitarbeiter der Porsche Dienstleistungs GmbH in Leipzig, die unter anderem für die Kantinen zuständig ist, nicht mitwählen durften. Nun muss sich das Landesarbeitsgericht mit dem Fall befassen. Solange die Entscheidung der ersten Instanz nicht rechtskräftig ist, bleibt allerdings der bisherige Betriebsrat im Amt. (Aktenzeichen: 21 BV 54/22)

Die Betriebsratswahl 2022 war von mehreren Beschäftigten auch angefochten worden, weil Plomben an den Wahlurnen gefehlt haben sollen und Teile der Belegschaft angeblich zu kurzfristig informiert wurden. Diese Anfechtungsgründe bestätigte das Arbeitsgericht jedoch nicht.

Laut einem Bericht im Spiegel vom April 2023 prüft allerdings die Staatsanwaltschaft die Vorgänge rund um die Betriebsratswahl im Zuge eines Ermittlungsverfahrens. Es stehe der Vorwurf der Urkundenunterdrückung im Raum. Nähere Angaben dazu wurden nicht gemacht.5

Prominent: Geschäftsführung beitreibt Kündigungsversuch gegen ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden weiter

Heidelberg: Das Arbeitsgericht Mannheim hat den Kündigungsversuch der Prominent-Geschäftsführung gegen den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden abgewehrt.

Die Prominent Geschäftsführung unter Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger, seinem Bruder Andreas Dulger und Benedikt Nagel hat jedoch Berufung gegen das Urteil eingelegt. Am 18. Oktober 2023 wird deshalb die Mannheimer Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg über den Kündigungsversuch verhandeln müssen. Das berichtet der Mannheimer Morgen 6

Hintergrund ist aggressives Union Busting und die erfolgreiche Beeinflussung der Betriebsratswahl im Jahr 2022. Insbesondere durch ein Schreiben der Geschäftsführung an die Belegschaft.

Die Union Busting-Strategie der Dulger-Brüder und ihres Spannmanns Nagel läuft absehbar auf das Totschlagargument des zerrütteten Vertrauens-Verhältnisses hinaus. Dabei initiieren Unternehmen unzählige Verfahren gegen einen Beschäftigten und stellen sich vor Gericht dann auf den Standpunkt, dass das Verhältnis zerrüttet und eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei. Einen Zustand, den sie selbst herbeigeführt haben. Leider fallen Richter darauf bislang immer wieder rein und öffnen der kriminellen Behinderung von Betriebsratsarbeit damit Tür und Tor.

Damit sich das ändert rufen wir zur solidarischen Begleitung des Gerichtstermins am 18. Oktober 2023 am Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg auf.

Vivantes-Krankenhäuser: Strafzahlungen verbessern Situation Beschäftigter nicht

Berlin: In den Krankenhäusern des landeseigenen Konzerns Vivantes werden regelmäßig Pausen- und Arbeitszeitregeln verletzt sowie Dienstpläne kurzfristig ohne die vorgeschriebene Mitbestimmung des Betriebsrates verändert. Das berichtet die Berliner Morgenpost. 7 8

Der Betriebsrat versucht gegen das Arbeiten ohne Pausen und das Überschreiten von Arbeitszeitgrenzen vorzugehen. Und tatsächlich hat das Berliner Arbeitsgericht Vivantes bereits in Dutzenden Verfahren zu Ordnungsgeldern verurteilt. Alleine für Verstöße aus den Jahren 2019 bis September 2022 sollen laut Betriebsrat deutlich mehr als 20 Millionen Euro zusammengekommen sein. Weitere eingeleitete Verfahren werden die Summe noch steigen lassen.

Dabei könnte der Betriebsrat noch viel härter vorgehen, heißt es aus dem Gremium. Würde man die alle Verstöße vom Gericht sanktionieren lassen, käme man auf Ordnungsgelder von 167 Millionen Euro. Wegen des großen Aufwandes lässt man jedoch viele Verstöße durchgehen.

Auch die bisherigen Strafzahlungen schadeten dem Klinikbetreiber nicht. Sie flossen in Investitionen in die eigenen Häuser zurück. Damit die Sanktionen für das Management eines Tages vielleicht doch spürbar werden, sollen die Ordnungsgelder nun in die Landeshauptkasse fließen. Und das löst tatsächlich so etwas wie eine Reaktion aus:

Die Berliner Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) will sich plötzlich sogar über Arbeitszeiten, Pausenregelungen und Dienstplanänderungen bei Vivantes informieren. Denn man habe die Berichterstattung der Berliner Morgenpost über die Missstände zur Kenntnis genommen, die Situation aber noch nicht analysiert. – Während Vivantes-Angestellte also ohne Pausen verheizt werden, kann man getrost davon ausgehen dass Dorothea Schmidt, seit August 2020 Personalverantwortliche, und Geschäftsführer Johannes Danckert in aller Ruhe weitermachen können wie bisher.

Uni Jena untersagt verdi-Stand

Jena: Die Friedrich-Schiller-Universität (FSU) lehnte einen Infostand der Dienstleistungsgewerkschaft verdi auf ihrem Gelände ab. Das berichtet verdi auf der eigenen Webseite.9

Ziel des Infostandes war, die Beschäftigten und Studierenden über die geplanten Stellenstreichungen zu informieren. Es sollen 100 Stellen gestrichen werden. Deshalb sollen befristete Stellen bei einem gleichzeitigen Einstellungsstopp bis zum 30.06.2024 nicht verlängert werden. Für die Studierenden wird sich damit laut verdi die Lehre, auch der Ablauf administrativer Vorgänge stark verschlechtern.

Präsident Gesamtmetall NRW: Zwei Stunden Mehrarbeit pro Woche wären toll

Deutschland: Um mehr Arbeitskräfte im Inland zu heben schlägt Arndt Kirchhoff, Präsident der Unternehmensverbände NRW, vor das Arbeitszeitgesetz zu schleifen. Es könne nicht schaden, vorübergehend zwei Stunden mehr pro Woche arbeiten, zitiert ihn die Webseite der Tagesschau. 10

Er ergänzte auch gleich, dass Frauen endlich mehr arbeiten könnten, gäbe es ausreichend Kindergartenplätze. In einem Rutsch folgte prompt auch noch die Forderung, die Rente mit 63 abzuschaffen.

Vermutlich um mehr Druck auf bereits vorhandene Arbeitskräfte zu erzeugen, begrüßt Arndt Kirchhoff selbstverständlich auch das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es sei prima, wenn bei der Qualifikation Hürden fallen. Man brauche nicht nur Fach-, sondern auch Arbeitskräfte.

Arndt Kirchhoff ist Vorsitzender des Beirates des Fahrzeugkomponenten- und Werkzeugherstellers Kirchhoff Gruppe. Er wohnt mit seiner Familie in Attendorn. Einem 25.000-Seelen Örtchen, in dem auch die Kanzlei Schreiner + Partner, eine der aggressivsten Union Busting-Kanzleien Detuschlands, ihren Sitz hat.

1 Christoph Wimmer: Unterbezahlung für Gefangene ist verfassungswidrig, neues deutschland 20.06.2023 https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174126.bundesverfassungsgericht-unterbezahlung-fuer-gefangene-ist-verfassungswidrig.html

2 ORF.at: Hotel-Affäre: „Kampf“ um Betriebsrat im Finale“, 16.06.2023, abgerufen 17.06.2023 https://salzburg.orf.at/stories/3212046/

3 Jessica Reisner: H+ Hotels / Betriebsratsgründung im Juni 2023, Union Busting News 07.06.2023 https://arbeitsunrecht.de/medienholding-sued-hhotels-drk/#anker03

4 Heise.online Porsche: Klage gegen die Wahl des Betriebsrats, 16.06.2023 abgerufen 18.06.2023 https://www.heise.de/news/Porsche-Klage-gegen-die-Wahl-des-Betriebsrats-9189778.html

7  Joachim Fahrun: Vivantes-Konflikt eskaliert: Senatorin will sich einschalten, Morgenpost: 19.06.2023 https://www.morgenpost.de/berlin/article238729953/arbeitszeiten-problem-senatorin-geht-eskalierenden-vivantes-konflikt-an.html

8  Joachim Fahrun: Vivantes verletzt massenhaft Arbeitszeitregeln, Berliner Morgenpost, 18.06.2023 https://www.morgenpost.de/berlin/article238714275/vivantes-verletzt-arbeitszeitregeln-millionen-einbussen-dienstplan-gericht.html

9 Verdi: Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena untersagt Informationsstand von ver.di, 12.06.2023 https://sat.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++cf258708-0919-11ee-a622-001a4a160110?

10 Tagesschau: „Zwei Stunden mehr Arbeit können nicht schaden“, 19.06.2023 https://www.tagesschau.de/inland/fachkraefte-144.html

Beitragsbild Vladimir Fedotov auf Unsplash


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