Frontberichte 10/2014

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Presseschau September 2014: Betriebsrat-Bashing in Deutschland

Rewe/Toom/Penny / Deutschland: Betriebsrats-Zerschlagung durch zweifelhafte Struktur + +  Rhenus / Mannheim: Gericht kassiert Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden + + H&M / Stuttgart : Betriebsratsmitglied kämpft um Freistellung ++ Enercon / Magdeburg : Politiker fordern: Kein Betriebsrat, keine Förderung + +

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Wenn Unternehmen Probleme haben, verstärken sie ihre Werbung. Offenbar findet REWE nicht genügend Azubis. Kein Wunder: Mitbestimmung wird hier gezielt ausgehebelt, Azubis mitunter übel ausgebeutet (siehe Bericht vom April 2014. Foto: Elmar Wigand, 27.9.2014)

REWE schluckt Toom: Betriebsratszerschlagung durch Mega-Struktur

Der Journalist Daniel Behruzi hat in der jungen welt die Betriebsratsstruktur beim Großhandelskonzern REWE Group und dessen Discounter-Tochter Penny analysiert. Hier läuft die Niederhaltung von Gewerkschaften über den absurd anmutenden Zuschnitt der Betriebsratsgrößen: Bei REWE wurden ab 1997 Monster-Betriebsräte in weit gefassten Regionen installiert. Ein Betriebsrat bei REWE umfasst gerne bis zu 17.000 Beschäftigte in durchschnittlich 650 Märkten. Dieser extrem fragwürdige Zuschnitt macht die per Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen Arbeit eines Betriebsrats faktisch unmöglich. Das Konstrukt wurde durch einen speziellen Tarifvertrag mit ver.di möglich (den sog. Paragraph-3-Tarifvertrag). Dagegen wehren sich nun Toom-Angestellte in Hamburg, deren Märkte von REWE übernommen wurden.  Sie hatten vor der Übernahme eigene Betriebsräte in üblicher und sinnvoller Größe, die nun aufgelöst wurden.

Klage nach Drohungen zurück gezogen


32 Kolleginnen und Kollegen haben Klage eingereicht, um die Betriebsratswahl, die im März und April bei Rewe und deren Discount-Tochter Penny in der »Region Norderstedt« stattfand, für unwirksam zu erklären. Eine für die Beschäftigten positive Entscheidung des zuständigen Arbeitsgerichts Neumünster hätte den Nebeneffekt haben können, dass der Paragraph-3-Tarifvertrag bei Rewe für illegal erklärt worden wäre. Das wollte der Konzern offenbar mit allen Mitteln verhindern und setzte die Angestellten unter Druck, in dem mit der Ausgliederung oder Schließung der Filialen gedroht wurde.

Die Einschüchterungsversuche wirkten: Die Angestellten zogen ihre Klage zurück, obwohl sie in ihrer Klageschrift ausführlich darlegten, warum sie die derzeitige Betriebsrats-Struktur für untauglich hält:


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  • auf jedes freigestellte Betriebsratsmitglied kommen rund 1000 Beschäfigte
  • hunderte Dienstpläne undbei REWE und penny die Überstundenpraxis in verschiedenen Filialen wären zu prüfen
  • in derselben Region gibt es außerdem unterschiedlichen Tarifverträgen, diversen Managementebenen und verschiedenen Arbeitgeber, da die Geschäftsleitungen und Personalabteilungen von Rewe und Penny jeweils unabhängig voneinander agieren

Kein Wunder also, dass die Beschäftigten sich eine örtliche Vertretung wünschen, zu der über die persönliche Bekanntschaft ein echtes Vertraunsverhältnis möglich wäre. Doch weder verdi noch die amtierenden Betriebsratsmitglieder sehen einen Verbesserungsbedarf. Kritiker sagen, dass in der Rewe Tarif-Komission, viele auf Co-Managment ausgerichtete, freigestellte Betriebsräte säßen, die überhaupt kein Interessen an einer Veränderung der derzeitigen Struktur haben.

Typisches Prinzip der Discounter-Branche

Eine ähnliche Methode setzte bereits netto schon gegen engagierte Beschäftigte ein. Damals schloss netto vier von sieben Filialen in Göttingen, scheinbar ausschließlich, um gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte auf andere Filialen verteilen zu können (wir berichteten hier).

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Rhenus AG / Mannheim: Gericht kassiert Kündigung eines ehemaligen Betriebsratsmitglieds

Das Arbeitsgericht Mannheim hat entschieden, dass die außerordentliche Kündigung des Ex-Betriebsratsmitglieds Sebastian C. unwirksam ist Wir berichteten bereits  im April 2013 über das harsche und aggressive Vorgehen des Logistikunternehmens Rhenus gegen Sebastian C., das bereits im Jahr 2005 begann. Dabei scheut die Geschäftsleitung weder Versetzung, Mobbing, Diskreditierung und Ausgrenzung, noch Kündigungen.

Alle Verfahren, bei denen Sebastian C. sich mit Rhenus vor Gerichten treffen musste, wurden zugunsten des Betriebsratsmitglied entschieden (siehe morgenweb).

Der Mannheimer Kreisverband der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD (AfA) schrieb am 05.09.2014 auf facebook zum Konflikt bei Rhenus:

Am 11. Sept. 2014 geht es bei dem ehemaligen Betriebsrat bei Rhenus Logistics Mannheim Sebastian C. um die Kündigung. Seine Wiederwahl wurde extrem erschwert, die MitarbeiterInnen waren eingeschüchtert, das Betriebsklima ist fast nicht mehr auffindbar. Angst macht die Runde und so wurde Sebastian und noch ein engagierter Betriebsrat nicht wiedergewählt. Auch so ist eine der Methoden von BR Bossing oder Mobbing.

Rhenus gehört mit weltweit 24.000 Angestellten  zu den unbeliebtesten Arbeitgebern der Logostikbranche (neben DHL, Trans-o-flex und Duvenbeck, siehe Bericht vom August 2013 und Portal Kununu). Ausgeklügelte Zersplitterungen der Unternehmensstruktur und Auslagerungen an Subunternehmer sollen in der Branche die gewerkschaftliche Organisation der Beschäftigten und die Bildung von Betriebsräten erschweren.

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H&M Betriebsratsbashing jetzt auch in Stuttgart

Die H&M Geschäftsführung schenkt sich nichts: Der befristete Vertrag der Betriebsratsvorsitzenden Ayse in Heilbronn wird entgegen früherer Zusagen nicht verlängert, Damiano Q. muss in Trier um seine Stelle kämpfen und nun geht man auch in der Stuttgarter Filiale gegen den Vorsitzenden des 3köpfigen Betriebsrats vor. Rafael M ist außerdem Mitglied des H&M-Gesamtbetriebsrats und des H&M-Wirtschaftsausschusses.

Welcher Dreh wurde es diesmal gefunden?

Rafael M. möchte an einen Kurs an der Akademie der Arbeit in Frankfurt teilnehmen. Die zuvor zugesicherte 11-monatige unbezahlte Freistellung von der Arbeit wird nun aber doch verweigert. Rafael M. hat eine einstweilige Verfügung eingereicht, die Entscheidung darüber wurde vom Gericht in Stuttgart auf den 02.10.2014, 14.00 Uhr verlegt – einen Tag nach Kursbeginn am 01.10.14.

Hoch erfreulich ist die große Solidarität unter den H&M-Beschäftigten, die alle drei Betroffenen erfahren und auch die große Vernetzung, die im Zuge des Betriebsratsbashings  stattgefunden hat. Rafael M. erhält auch von seinen zukünftigen Mitschülern Unterstützung: Der Kurs hat beschlossen, am 02.10.14 in Stuttgart vor dem Arbeitsgericht zu demonstrieren. Wie im Fall Ayse ist die internationale Großkanzlei DLA Piper in Sachen Union Busting bei Hennes & Mauritz aktiv, namentlich Volker von Alvensleben und Isabel Haug.

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Enercon/WEA Service Ost: Kein Betriebsrat, keine  Förderung mit öffentlichen Geldern!

In Sachsen-Anhalt haben ein SPD-Mann und ein Sozialist Vorschläge erarbeitet, die Unternehmer möglicherweise irritieren könnten: Betriebe, die die innerbetriebliche Mitbestimmung blockieren, sollen Fördermittel gestrichen werden, so zitiert der MDR Andreas Steppuhn (SPD) und  Frank Thiel (Die Linke):

„Demokratie darf nicht am Werkstor enden“, betonte Steppuhn. „Negative Beispiel wie bei Enercon dürfen keine Schule machen.“ Ähnlich hatte sich auch der wirtschaftspolitische Sprecher der Linken, Frank Thiel, geäußert. Enercon profitiere seit Jahren von staatlichen Fördermitteln. Da könne es nicht sein, dass keine innerbetriebliche Mitbestimmung erwünscht sei.

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