Frontberichte 01/2015 – BWPost, nora, S-Direkt…

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Presseschau: Behinderung von Betriebsratsarbeit und arbeitgeber-unabhängiger Organisierung

BWPost /Stuttgart: Betriebsratmitglied aus fadenscheinigen Gründen gekündigt + + nora systems / Weinheim: Gericht ordnet Neuwahl des Betriebsrats an + +  KiKxxl: betriebsratsfreies CallCenter feiert sich als Wohltäter + + S-Direkt (Sparkasse) / Halle: Betriebsrat wg. „Geheimnisverrat“ gekündigt + + HL Logistik GmbH / Hagen: Stellenausschreibung fordert Austritt aus Gewerkschaft!

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BWPost feuert erneut Betriebsratsmitglied mit konstruierten Gründen

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Diese Briefmarke zum Jahr der Menschenrechte 1998 stammt nicht vom schwäbischen Zustelldienst BWPost sondern den Faröer Inseln. (Quelle: Wikicommons)

Dass der private Zustelldienst BWPost kein allzu freundlicher Betrieb ist, ahnte man seit 2012. Damals wurde bekannt, dass ein Betriebsratsmitglied mit dem widerlichen Mittel der „Druckkündigung“ (Was ist das?) aus dem Amt gejagt werden sollte (Quelle: ver.di Publik, 16. Mai & 28. Juni 2012).  Trotz solidarischer Unterstützung durch öffentliche Proteste strich die Gewerkschafterin Branka N. nach einem halben Jahr die Segel und ging mit einer Abfindung von 70.000,- Euro. Die Zermürbungsstrategie war einmal mehr erfolgreich. (Quelle: wörk-wotsch)

Jetzt nimmt ein Sub-Unternehmen von BWPost den Betriebsratsvorsitzenden Bernd K. aufs Korn. Die PS Pressevertrieb-Service GmbH für Stuttgart-Mitte und Süd (kurz: PS12) kündigte ihm in der Adventszeit fristlos. Bernd K. arbeitet nach Angaben seiner Gewerkschaft ver.di seit 2007 für PS12, gründete 2012 mit Kollegen einen Betriebsrat und gilt als einer der stärksten Arbeitnehmervertreter im Unternehmensumfeld, der somit mundtot gemacht werden solle. Der Kündigungsgrund sei – wir ahnten es bereits – konstruiert, schreibt ver.di. BWPost hat in Stuttgart sechs Zustellgesellschaften. Nur zwei haben bislang einen gesetzlich vorgesehenen Betriebsrat.

Federführend verantwortlich für das Betriebsrats-Bashing zeichnet der Verband Druck und Medien in Baden-Württemberg (vdm) mit dessen Haus-Anwalt Alexander Stöhr (Kanzlei Hüffner und Stier, Ostfildern). Der arbeitet neben dem Arbeitsrecht laut eigenen Angaben auch im Inkasso-Gewerbe.


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Die Unterstützer von Bernd K. und seine Gewerkschaft mobilisieren zum Gerichtstermin, um Solidarität zum Ausdruck zu bringen:
29. Januar 2015, 9:30 – 11:30 Uhr | Mahnwache vor dem Arbeitsgericht, Johannesstraße 86, 70176 Stuttgart

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nora systems: Gericht ordnet Neuwahl des Betriebsrats an

Beim Bodenbelag-Hersteller nora systems wird mit härtesten Bandagen gekämpft. Dem Management ist es gelungen, einen Keil in die einstmals kampfstarke Belegschaft zu treiben, was sich in heftig umkämpften Mehrheitsverhältnissen im Betriebsrat (BR) spiegelt.

Ebenso hitzig geht es im Wahlkampf zu. Dabei musste sich die Liste „Aufrechte Gewerkschafter für Belegschaftsinteressen“ um den erfahrenen Gewerkschafter Helmut S. schon früher gegen krumme Methoden wehren. So wurde Helmut S. 2012 durch ein fadenscheiniges Komplott gefeuert und musste in einem langwierigen Prozess seinen Wiedereintritt in die Firma erstreiten (Wir berichteten: Geschasster Betriebsrat setzt sich durch).

Bei der BR-Wahl am 3. März 2014 konnte die Liste aufrechter Gewerkschafter zwar die meisten Stimmen erhalten, verfehlte aber die Mehrheit im 13-köpfigen Betriebsrat. Dass soll auch durch gezielte Unregelmäßigkeiten bei der Wahl zu Stande gekommen sein, welche den management-freundlichen Listen genützt habe.

In erster Instanz war die Betriebsratswahl im Juli 2014 für „unwirksam“ erklärt worden, weil bei der Stimmabgabe keine Wahlumschläge verwendet worden waren. Diesen Beschluss bestätigte die Vorsitzende Richterin Gisela Witte am 13. Januar 2015. (Quelle: morgenweb vom 14.1.2015). Wir sind gespannt auf den Ausgang der Neuwahlen.

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KiKxxl-Callcenter – soziale Verantwortung als PR-Masche

KiKxxl betreibt mit mehr als 1.600 Mitarbeitern Callcenter in Osnabrück, Bremen, Dortmund und Bochum. Im Dezember 2014 feierte man den 15. Firmengeburtstag mit einer großen Gala. Höhepunkt des Festes war zur Überraschung der 1.200 Gäste ein Auftritt des TV-Comedians Atze Schröder – der am Ende aber auch selbst überrascht wurde: Die KiKxxl-Geschäftsführer Andreas Kremer und Erden Yildirim überreichten dem Ruhrgebiets-Komiker einen Scheck über 50000 Euro für das Projekt „Madamfo“ in Ghana, das Atze Schröder unterstützt. „Madamfo“ ist das ghanaische Wort für Freund. KiKxxl ist nach eigenen Angaben seit einigen Jahren „Freund Ghanas“. Die KiKxxl GmbH hat elf Patenschaften, jede Abteilung setzt sich für ein Kind ein, das aus der Sklaverei befreit wurde, und unterstützt damit dessen Schulausbildung und sichert ihm kindgerechtes Leben. (Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung)

Während man sich publicity-trächtig um weit entfernte Armut und sogar Sklaverei kümmert, produzieren die feinen Herren in Deutschland ihren Reichtum höchstwahrscheinlich durch Niedriglohnarbeit an der Mindestlohngrenze. Darauf deuten auch viele Erfahrungsberichte, die sich im Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu finden. Hier schreiben Beschäftigte und ehemalige Angestellte über ein geringes Grundgehalt, willkürliche Bonuszahlungen, und lediglich anteilige Bezahlung bei Urlaub und Krankheit (siehe hier).  Auch auf dem Bewertungs-Portal „Mein Chef“ ist von nur teilweiser Bezahlung im Krankheitsfall die Rede.  Versuche einen Betriebsrat zu gründen scheiterten, laut Kommentar eines kritischen Zeitgenosse:

Dieses Callcenter hat auch nach 15-jährigen Bestehen keinen Betriebsrat, obwohl es vermutlich oftmals entsprechende Versuche zu einer Gründung gegeben hat. Dem Vernehmen nach ist das Gehalt dieser Branche nicht gerade üppig. Stattdessen werden Firmenfeiern organisiert sowie Prominente eingeladen und Spendengelder überreicht. (Quelle: nachdenkseiten.de )

Wir beobachten des Öfteren, dass gerade solche Firmen „soziale Verantwortung“ zur Schau stellen, die sich durch fiese Arbeitsbedingungen, Gewerkschafts- und Betriebsratsbashing und/oder Lohndumping hervor tun. In der PR-Branche heißt diese Art der Image-Pflege „Corporate Social Responsibility“ (CSR, Unternehmerische Sozial-Verantwortung). KiKxxl betreut nach eigenen Angaben „Kunden namhafter Unternehmen wie mobilcom-debitel, Deutsche Telkom, vodafone, Kabel Deutschland, O2, EWE oder Gerry Weber“.

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S-Direkt: Betriebsrat wegen „Geheimnisverrat“ gekündigt | Standorte nach Halle verlegt

Während die Sparkassen bundesweit Werbung mit ihrem gemütlichen Image machen, geht es im Sparkassen-Subunternehmen S-direkt seit Monaten hoch her. In Halle betreibt S-direkt ein Call-Center für die Sparkasse. Dort mussten sich der Betriebsratschef Thomas B. und eine weiteres Betriebsratsmitglied bereits im März 2014 schwere Vorwürfe gefallen lassen, die vor dem Landgericht verhandelt wurden: Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Die Taten sollen auf das Jahr 2011 zurück gehen, als dort „heftige Kämpfe um einen Haustarif“ tobten und „ein geheimes Protokoll einer Aufsichtsratssitzung des Unternehmens an einen Drucker geschickt worden“ sei. „Wenig später sollen die Gewerkschaft ver.di und ein Leipziger Konkurrenzunternehmen im Besitz der brisanten Papiere gewesen sein“, schreibt die Mitteldeutsche Zeitung am 19.3.2104.

250 von 800 Mitarbeitern hatten mit einem 126 Tage dauernden Streik Ende 2012 einen Haustarifvertrag und damit eine 15%ige Lohnsteigerung durchsetzen können. Doch schon kurze Zeit später wurden Klagen über intensives Mobbing der Mitarbeiter durch die Personalleitung laut (siehe Frontberichte Februar 2013).

Die Kündigungsgründe der Betriebsratsmitglieder von 2014 sind von der Inneren Revision der Sparkasse zu Tage gefördert worden. Der Prozessbericht von Silvia Zöller aus der MZ lässt auch folgenden Lesart zu: Die Beweise oder Indizien für eine Straftat sind von hausinternen IT-Spezialisten gezielt produziert worden.

So konnte der Revisor zwar eindeutig nachweisen, dass der Rechner des Betriebsratsvorsitzenden an dem fraglichen Tattag von 18.15 bis 18.30 Uhr aktiv war und von dort aus der geheime Bericht ausgedruckt wurde – aber ob Bittner und der Mitangeklagte genau zu diesem Zeitpunkt auch im Raum waren, sei nicht elektronisch erfasst. „Auf alle Fälle haben alleine die Mitglieder des Betriebsrats Zugang zu dem Büro“, so der Zeuge.

Ob ein Dritter sich beispielsweise als Bittner hätte ausgeben und telefonisch ein neues Password für den Rechner erfragen könnte, blieb ebenso ungeklärt wie die Frage, ob einer der damals rund acht Administratoren zumindest theoretisch seine Rechte hätte missbrauchen können.

Wir halten es nicht für unwahrscheinlich, dass Stabsstellen wie Innere Revision und Compliance-Abteilungen auch zum Zwecke des Union Busting (Was ist das?) und Betriebsrats-Bashing eingesetzt werden. Der Anwalt Jan Tibor Lelley (Buse Heberer Fromm) bekennt sich recht unverhohlen zu dieser Linie (siehe Artikel von Werner Rügemer). – Über den Ausgang des Prozesses indessen findet sich in der Presse nichts. Wir würden uns über Informationen hierzu freuen.

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Das Märchen vom Fachkräftemangel: Sparkasse schließt Standorte im Westen und verlagert nach Osten

Aus „Kostengründen“ – so geht aus der Berichterstattung im Fall des Callcenter-Betreibers S-Direkt hervor (MZ vom 3.5.2014) – , plante die Sparkasse zum Jahresende 2014 zwei Callcenter im Westen (Standorte: Laatzen und Karlsruhe) mit insgesamt 80 Mitarbeitern dicht zu machen und dafür 60 Leute nach Halle an die Saale lotsen, wo die Löhne paradiesisch niedrig zu sein scheinen.

Das dumme ist nur: Die Wessis wollen lieber nicht in den Osten und dort wiederum findet sich kein geeignetes Personal. Die Zwangsumsiedler aus dem Westen sollten sogar mit einer Umzugsprämie von 5.000 Euro geködert werden, da in Halle laut lokaler Presse „Fachkräftemangel“ herrsche.  Neben dieser Prämie legt sich S-Direkt nach Angaben von Geschäftsführer Thomas Henkel mächtig ins Zeug, um die Arbeiter aus dem Westen anzulocken. Laut MZ sollen die Umworbenen mit einem umfangreichen Aktionspaket Gefallen an Halle finden: So hat die Stadtverwaltung laut Henkel angeboten, eine Stadtführung zu organisieren. ‚Noch im März werden wir die betreffenden Mitarbeiter mit einem Bus abholen und ihnen in Halle ihren potenziellen neuen Arbeitsort, die Stadt und deren Kulturstätten zeigen‘, so Henkel. Wer sich für Halle entscheiden sollte, könne zudem mit Hilfe bei der Wohnungs- und Kita-Suche, mit Nahverkehrs-Zuschüssen, mit Restaurant-Rabattkarten und – falls ein Mitarbeiter zunächst pendeln möchte – ein Jahr lang mit Übernahme der Fahrtkosten rechnen. Henkel: ‚Wie das angenommen wird, werden wir sehen.“

Vielleicht sollte es S-Direkt statt mit „weichen Standortfaktoren“ mal mit Tariflohn und fairen Arbeitsbedingungen versuchen. Aber dann hätte man die Arbeitsplätze auch gleich in Laatzen und Karlsruhe lassen können.
Das Beispiel illustriert schön, welche Propaganda-Lüge hinter dem Märchen des Fachkräftemangels steckt. Es geht um Lohn-Dumping, wie auch die fast gleichnamige ARD-Doku vom 21.07.2014 in der Reihe Die Story im Ersten sehr eindrucksvoll zeigt.

S-Direkt bietet der Sparkasse und 450 weiteren Kunden Telefon- und andere Service-Dienstleistungen an. In der Firma sind insgesamt 950 Mitarbeiter tätig, 850 davon in Halle. (Quelle: MZ, 5.3.2014)

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HL Logistik GmbH: Stellenausschreibung fordert Austritt aus Gewerkschaft und Verzicht auf Beratung durch Betriebsrat!

Der Subunternehmer HL Logistik mit Sitz im schwäbischen Ebersbach machte im Oktober 2014 in Hagen von sich reden. Die Firma wurde vom Kaltwalzwerk Bilstein eingesetzt, um die Löhne der Stapler- und Kranfahrer zu senken und ein härteres Arbeitsregiment durchzusetzen. HL Logistik suchte Leute für die Position als Springer: Sie forderte von Bewerbern als Qualifikation schwarz-auf weiss auch den Austritt aus der Gewerkschaft und ein Verzicht auf Beratung durch den Betriebsrat! (Quelle: DGB-Rechtsschutz, 14.10.2014.)


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2 Kommentare

  1. KiKxxl-Callcenter – soziale Verantwortung als PR-Masche
    Dieses Unternehmen im Rahmen seiner PR-Masche den zweiten Platz in der Top Job Umfrage der Uni St. Gallen wieder einen Spitzenplatz erzielt. Hierfür wurden nach offizellen Angaben 1600 Mitarbeiter befragt. Keiner der von mir befragten Kollegen hat daran teilgenommen. Zudem war ein dem Bereich, mit ca. 120 Mitarbeiten (offizelle Zahlen sind höher) nicht ein einziges Mal die Rede davon, dass diese Befragung stattfindet. Der tatsächliche Ablauf sieht so aus, dass zunächst dem Unternehmen wohlgesonnene Mitarbeiter selektiert werden, da diese nur einen Bruchteil der Belegschaft ausmachen, werden eingenordete Vorgesetze eingesetzt um die notwendige Anzahl an Befragungen zu gewährleisten. Ein Kixxl-konformer Teamleiter kann da durchaus mehre Stunden nichts anderes tun.
    Bemerkenswert ist auch, dass sich Kikxxl als Unternehmensgrundsatz behauptet Recht und Gestz einzu halten. Für Minijobber gelten zwar die gleichen rechtlichen Grundlagen, wie für jeden abhängig beschäftigten aber diese Unternehmen (Darstellung der Führungskräfte) gibt es hie eine Grauzone bei: Kettenbefristungen, bezahlltem Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Im Krankheitsfall wird zwar die AU eingefordert, Geld gibt es nicht.

  2. „Sparkasse schließt Standorte im West und verlagert nach Osten“
    Tja, so ist das mit den Schnäppchen…..es ging so weit nach Osten, dass der Osten nun einmal ganz rum ist,um den Planet der Irren und Idioten,
    Gong, nächste Runde, ob mit oder ohne so’nen Klitschko ist egal. Gibt immer auf die Rübe….nur für den Klitschko nicht…seltsam…. gibt andere Boxer ..aber wer unter Merkel- Schutz steht, überlebt immer. Außer man hat einen Ausweis als Personal der BRD.

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