Frontberichte 02/2020: H&M, Laudamotion, ARWE, Ameos

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Presseschau: Betriebsratsbehinderung und Union Busting in Deutschland

Creative Commons Zero -CC0 – Pixabay.de
  • H&M / Hamburg: Bußgeldverfahren wegen Bespitzelung von MitarbeiterInnen
  • Laudamotion / Wien: Betriebsratsvorsitzenden als illegale Person?
  • ARWE / Düsseldorf: Betriebsratsgründung gelungen
  • Ameos / Unbefristeter Streik für einen Tarifvertrag 

Bußgeldverfahren wegen Bespitzelung von MitarbeiterInnen gegen H&M

Immer wieder macht der schwedische Modekonzern Hennes & Mauritz durch negative Schlagzeilen über massives Union Busting und skrupelloses Vorgehen gegen engagierte und unliebsame KollegInnen auf sich aufmerksam.

Damit gewann der Konzern im Oktober 2017 die Nominierung zum Schwarzen Freitag und wurde von der aktion ./. arbeitsunrecht als Horror-Arbeitgeber in die Öffentlichkeit gezogen (Freitag13 Oktober 2017). Auch in zahlreichen weiteren Fällen berichteten wir bereits über das Vorgehen des Konzern gegen MitarbeiterInnen (1, 2). 

Mitarbeiter bespitzelt

Bereits im November 2019 wurde bekannt, dass Führungskräfte des zentralen Kundencenters von H&M in Nürnberg Notizen aus Gesprächen mit Teamleitern anlegten und Informationen über ihre Gesundheit und sonstigen persönlichen Umstände der MitarbeiterInnen sammelten, und zwar von der Krebserrkankung bis zum Ehestreit.

Diese speicherten die Führungskräfte in speziellen Ordnern auf den Servern des Kundenzentrums. Mehr als 60 GB Daten sollen so zusammen gekommen sein. Nur durch Zufall entdeckten MitarbeiterInnen des Kundenservices diese Dateien. Der H&M Deutschlandzentrale blieb nichts anderes übrig, als die Existenz der Dateien und die Bespitzelung der MitarbeiterInnen offiziell einzugestehen.


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Bußgeldverfahren eingeleitet

Nachdem der Fall öffentlich in den Medien erschien, leitete der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz, Johannes Caspar, ein Bußgeldverfahren gegen den deutschen Ableger der Modekette mit Sitz in Hamburg ein. 

„Das qualitative und quantitative Ausmaß der für die gesamte Leitungsebene des Unternehmens zugänglichen Mitarbeiterdaten zeigt eine umfassende Ausforschung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den letzten Jahren ohne vergleichbares Beispiel ist“ berichtet Caspar gegenüber der FAZ (Welt, 25.01.2020).   

Zur Zeit läuft noch die Anhörung zu den Vorwürfen. Nach Abschluss dieser wird der Hamburger Datenschutzbeauftragte dann über den Erlass eines Bußgeldes entscheiden. Sollte der Datenschutzbeauftragte tatsächlich ein Bußgeld verhängen, könnte dieses bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes der Firma betragen.

Karl-Johan Persson führt heute das schwedische Familienunternehmen. Er ist der Enkel des einstigen Unternehmensgründers Erling Persson. Die deutschen Läden gehören der H&M Hennes & Mauritz B.V. & Co. KG an. Laut Wikipedia soll H&M bis zu ein Viertel des jährlichen weltweiten Umsatzes von rund 20 Milliarden Euro in Deutschland machen. Weltweit Beschäftigt der Konzern rund 160.000 Mitarbeiter. 

Quellen:

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Laudamotion im Kampf gegen Betriebsrat und Kollektivvertrag

Bereits im Juli 2019 berichteten wir über das Vorgehen der Ryanair-Tochtergesellschaft Laudamotion in Österreich gegen den dortigen Betriebsrat. Laut einem internen Rundschreiben des Betriebsrats sah dieser sich dauerhaften Angriffen und Einschüchterungsversuchen der Geschäftsführung ausgesetzt (Frontberichte 08/2019). Der Betriebsrat berichtet etwa von fehlenden Arbeitsmaterialien und in Abwesenheit geräumten Arbeitsplätzen. 

Kündigung der Betriebsratsvorsitzenden und Nichtanerkennung der Betriebsratswahl

Im Herbst 2019 eskalierte Laudamotion die Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat dann vollkommen. Die Geschäftsführung entließ die bisherige Betriebsratsvorsitzende trotz Kündigungsschutz und erkannte die kurz darauf stattfindende Betriebsratswahl, bei der die Belegschaft die Betriebsratsvorsitzende erneut wählte, nicht an. 

Während die Geschäftsführer von Lauda Motion Colin Casey und Andreas Gruber die Betriebsratswahl für illegal halten und den Betriebsrat nicht anerkennen, gehen die Gewerkschaft Vida und die Arbeiterkammer davon aus, dass der Betriebsrat rechtskräftig im Amt ist.

Zur Zeit läuft eine Klage von Laudamotion gegen die Betriebsratswahl. In einem weiteren Verfahren klagt die Betriebsratsvorsitzende gegen ihre Kündigung. Hier soll es am 18. März 2020 zu einer ersten Verhandlung vor dem Landesgericht Korneuburg kommen (Der Standard, 15.01.2020).

Laudamotion will Belegschaft spalten und bricht Mitarbeiterversammlung ab

Zur Zeit versucht die Geschäftsführung von Laudamotion die Aufspaltung der Belegschaft in Kabinen- und Cockpitpersonal voranzutreiben. So legten sie den MitarbeiterInnen den Vorschlag vor, für beide Bereiche jeweils einen eigenen Betriebsrat zu gründen.

Auf einer entsprechenden Informationsveranstaltung kam es dann am 16.01.2020 zum Eklat. Da die Geschäftsführung die gekündigte Betriebsratsvorsitzende nicht bei der Versammlung dabei haben wollte, erklärte Personalchef Robert Wall die Versammlung noch vor ihrem Beginn für beendet, da man in Anwesenheit einer „illegalen Person“ keine sensiblen Firmeninformationen verkünden könne (AviationNetOnline, 16.01.2020).

Die Betriebsratsvorsitzende setzte sich gegen diese Aussperrmaßnahme zur Wehr und erreichte beim Landgericht Korneuburg am 22.01.2020 eine einstweilige Verfügung, die es ihr gestattet das Firmengelände zu betreten und an Informationsveranstaltungen teilzunehmen. 

Laudamotion verstößt gegen geltendes Recht

Daniel Liebhart, Vorsitzender des Fachbereichs Luftfahrt in der Gewerkschaft Vida, wirft Laudamition zudem vor, gegen österreichisches Recht zu verstoßen. So stellt die Fluggesellschaft neues Personal nicht mehr nach dem geltenden Kollektivvertrag an, sondern nur noch über die Leiharbeitsfirma Crewlink Ireland. Zudem soll Laudamotion die Arbeitszeitregelungen aus dem Kollektivvertrag und die Regelungen zur Übernahme der Kosten für Arbeitsmaterial einseitig zum massiven Nachteil der MitarbeiterInnen geändert haben. 

Bei der Laudamotion GmbH arbeiten zur Zeit rund 920 MitarbeiterInnen. Die Tochtergesellschaft von Ryanair hat im Jahr 2019 rund sechs Millionen Passagiere zu 60 verschiedenen Zielen geflogen. Ryanair-Chef Michael O’Leary will aus Laudamotion in den kommenden zehn Jahren Österreichs größte Fluglinie machen und scheint dies scheinbar dies zu Lasten der Arbeiterrechte durchsetzen zu wollen.

Quellen:

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Arbeiterpriester gründet mit Kolleg*innen Betriebsrat bei ARWE in Düsseldorf

In der Vergangenheit ist die ARWE Holding GmbH mit ihrem Geschäftsführer Ulrich Feißt immer wieder dadurch aufgefallen, dass sie erfolgreich die Gründung von Betriebsräten in ihren Niederlassungen verhindern konnte. Nun wählten die Mitarbeiter am Düsseldorfer Flughafen erfolgreich einen Betriebsrat.

Erstmals Betriebsratswahlen bei ARWE in Düsseldorf

Im Jahr 2012 scheiterte am Düsseldorfer Standort noch die Wahl eines Betriebsrates. Die Gewerkschaft Verdi wirft ARWE vor, hier einen Mitarbeiter entlassen zu haben, nachdem bekannt wurde, dass dieser einen Betriebsrat gründen wollte. 

Es dauerte bis Oktober 2019 bis die 320 Kollegen hier tatsächlich einen Betriebsrat wählen konnten. Zukünftig wird Albert K. als freigestelltes Betriebsratsmitglied die Interessen der Mitarbeiter mit seinen Betriebsratskollegen vertreten. Albert K. ist Arbeiterpriester und war in den 2000er Jahren bereits Betriebsratsvorsitzender in einem Krefelder Textilunternehmen.

Rund 200 seiner Kollegen sind als Minijobber auf Mindestlohnbasis angestellt. Auch die anderen bekommen nur wenig mehr. Gemeinsam will sich der Betriebsrat nun für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen. ARWE gehört nun zu den wenigen Unternehmen am Düsseldorfer Flughafen welche überhaupt einen Betriebsrat haben. Von den rund 30.000 ArbeiterInnen arbeiten nur rund 2.000 in einem Betrieb mit Betriebsrat. 

Standortschließung nach Betriebsratswahl in Bonn

2010 hatten auch in Bonn die 28 Mitarbeiter der örtlichen ARWE Niederlassung einen Betriebsrat gegründet. Nur einen Tag nach der erfolgreichen Wahl hat die Geschäftsführung allen Mitarbeitern gekündigt und den Standort Bonn geschlossen.

Der Sekretär der Gewerkschaft Verdi, Özcan Özdemir, sah damals einen direkten Zusammenhang zwischen der Betriebsratswahl und der Standortschließung. So soll der damalige ARWE Regionalleiter sogar Lohnerhöhungen angeboten haben, wenn die Mitarbeiter die Betriebsratswahl abgesagt hätten. ARWE bestritt öffentlich jeden Zusammenhang zwischen der Standortschließung und der Betriebsratswahl.

Arbeiterpriester

Arbeiterpriester sind ordinierte Priester der katholischen Kirche, die sich für eine Berufstätigkeit außerhalb der Kirche entscheiden, um sich mit ihren Kolleg*innen für eine gerechtere Welt zu engagieren. Sie arbeiten oft in besonders belastenden und schlecht bezahlten Branchen. Katholische Arbeiterpriester sehen sich heutzutage als Arbeitergeschwister in Gemeinschaft mit evangelischen Arbeiterpfarrern, Ordensleuten und engagierten, manuell arbeitenden Christen

Die Bewegung der Arbeiterpriester entstand während des zweiten Weltkriegs, als französische Priester mit Billigung des Papstes beschlossen, sich absichtlich in deutsche Kriegsgefangenschaft zu begeben, um den 600.000 Zwangsarbeitern beiszustehen zu können. Viele wurden enttarnt und von der Gestapo inhaftiert. Aktuell leben in Deutschland rund 40 Arbeitergeschwister.

Albert K. segnete 2017 bei der Eröffnung des Büros der aktion./.arbeitsunrecht 2017 die neuen Räume mit den Worten: „Das meiste muss man selbst machen, damit eine Aktion erfolgreich wird. Aber Organisation und Planung sind am Ende doch nur 98% oder sogar 99%. Aber dann gibt es noch dieses 1%, das man nicht beeinflussen kann und dass dennoch über Erfolg und Misserfolg entscheiden kann. Nennen wir es Glück, Zufall oder eben auch göttliche Fügung.“  

Die ARWE Holding GmbH ist ein bundesweit und international tätiges Unternehmen für Servicedienstleistungen für Autovermieter und Autobauer. ARWE beschäftigt mehr als 4.000 Mitarbeiter an 500 Standorten in verschiedenen europäischen Ländern.

Quellen:

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Unbefristeter Streik bei Ameos Kliniken

Bereits in den letzten Frontberichten (Frontberichte 01/2020) berichteten wir über Union Busting bei den Ameos Kliniken in Sachsen-Anhalt. Nun ist in den vergangenen Tagen Bewegung in den Fall gekommen.

Ameos Regionalleiter muss gehen

Der für Union Busting bekannte Ameos Regionalleiter Ost, Lars Timm, ist am 27.01.2020 von der Ameos Geschäftsführung mit sofortiger Wirkung von all seinen Aufgaben entbunden worden. Offizieller Kündigungsgrund sollen seine Äußerungen zu möglichen Klinikschließungen sein. 

Neuer Regionalleiter ist  Frank-Ulrich Wiener. Dieser war zuvor bereits Regionalgeschäftsführer für die Ameos Region Nord. Wiener stellte klar, dass der Führungswechsel nicht bedeute, dass das Unternehmen seine Positionen ändere. Es soll weiterhin keinen Tarifvertrag für die Angestellten der Ameos Kliniken geben.

Unbefristeter Streik

Bereits am 24.01.2020 hatte die Gewerkschaft Verdi ihre Mitglieder an den Ameos Standorten in Sachsen-Anhalt zu einer Urabstimmung über einen unbefristeten Streik aufgerufen. Zuvor organisierte die Gewerkschaft gemeinsam mit dem Marburger Bund mehrere ganztägige Warnstreiks Ende des Jahres 2019. 

99,7 Prozent der Verdi-Mitglieder stimmten bei der Abstimmung für einen unbefristeten Streik. Seit dem 27.01.2020 um 6 Uhr Morgens läuft der unbefristete Streik an den Ameos Standorten in Aschersleben, Bernburg, Haldensleben und Schönebeck (Volksstimme, 24.01.2020). 

Laut der Gewerkschaft Verdi beteiligten sich an den ersten beiden Streiktagen allein jeweils rund 600 Mitarbeiter. Verdi hat sich nach eigenen Angaben auf einen möglicherweise 15 Wochen dauernden Arbeitskampf eingestellt.

Quellen:


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