Frontberichte 3/2018

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Presseschau: Behinderung von Betriebsräten + Personalräten in Deutschland

Abschiebung theoretisch wieder möglich: Afghanistan gilt seit Juni 2017 offiziell als „sicheres Herkunftsland“ (proasyl.de). Die Abschiebe-Behörde Bundesamt für Migration und Flüchtlinge reagiert nicht nur aggressiv auf Flüchtlinge, sondern auch auf kritische Behördenmitarbeiter. Foto: Razzia der US Rangers, Provinz Helmand, 26.8.2012. (Quelle: wikicommons, cc-by-2.0).
  • BaMF / Freiburg: Asylbehörde schikaniert Personalratsmitglied
  • Bauhaus / Krefeld: Kündigungsversuche gegen BR scheitern
  • Gesundheitsbehörde / Hamburg:  Computer eines Personalvertreters ausspioniert. Abmahnung wg. Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen
  • Walter Services / Cottbus: Call-Center-Kette  droht mit Standortschließung um Belegschaft gegen BR aufzuhetzen
  • Auto-Domicil / Bremen: Behinderung der Betriebsratswahlen erfolgreich gekontert

Freiburg: Asylbehörde schikaniert Personalratsmitglied wg. Kritik an „virtuellem Marktplatz“ für Abschiebe-Akten

Der Vize-Chef des Gesamtpersonalrats des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF), Paul M., wird laut Bericht der SZ vom 13.5.2018 offenbar mit Union-Busting-Methoden (Was ist das?) schikaniert. Die besondere Härte: Der Mann geht im Herbst 2018 ohnehin in Pension. Dennoch nimmt die Behörde ihn in den letzten Wochen seines Berufslebens offenbar unbarmherzig ran.

Einer internationale Anwaltskanzlei mahnte den engagierten Angestelltenvertreter Paul M. wegen einer kritischen E-mail ab, dann wurde er auf schikanöse Weise versetzt – von Freiburg ins 130 Kilometer entfernte Karlsruhe. Ins Gesamtbild passt auch, dass man ihn offenbar auf einen Posten verschob, den es in Karlsruhe gar nicht gab: „Erst Wochen später schickt ihm das BaMF die korrekte Versetzung“.

Grund für die Aggression der Abschiebebehörde gegen den Mitarbeiter sind vermutlich seine Beschwerden über menschenverachtende Arbeitsroutinen der Behörde. So können überarbeitete Entscheider ihre Asylantrags-Akten in einem „virtuellen Marktplatz“ bundesweit verteilen.

Die Akten gelangen in beliebige Städte des Bundesgebiets, wo Personen über das Schicksal von Einwanderern entscheiden, die sie nie zu Gesicht bekommen haben. In dieser abstrusen Methode liegt laut Experten ein wesentlicher Grund für die hohe Erfolgsaussicht von juristischen Anfechtungen gegen abgelehnte Asylanträge.


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Laut Paul M. würden auch „nicht entscheidungsreife Akten auf diese Weise weitergegeben. Das bedeute, dass ein zweiter Mitarbeiter einen halb fertigen Fall beenden müsse“. BaMF-Chefin Jutta Cordt geht es offensichtlich nicht um menschliche Schicksale, auch nicht um korrekte Anwendung von Gesetzen, sondern um die radikale Senkung von Fallzahlen.

Sinnwidrig: Kritik als Herabwürdigung der Hausleitung

Personalratsmitglied Axel H. hatte diese Praxis in einer internen Mail als „sinnwidrig“ kritisiert. Dafür kassierte er eine Abmahnung wegen „Diffamierung und Herabwürdigung der Hausleitung“. Die Mail sei „geeignet, Spannungen und Emotionen zwischen den Beschäftigten und der Amtsleitung hervorzurufen und dadurch den Betriebsfrieden nachhaltig zu stören“.

Der Chef des Gesamtpersonalrats, Rudolf Scheinost wertet die Saktionen gegen seinen Kollegen als Teil einer „Einschüchterungsstrategie“. Es gehe darum,  eine „Schere im Kopf“ der Personalvertreter zu erzeugen. Zudem habe die BaMF-Spitze Anfang 2018 einen „Maulkorberlass“ verbreitet: Der Personalrat dürfe nicht mit der Presse sprechen.

Interessanter Nebenaspekt: Das BaMF wechselte im Verfahren die Kanzlei. Eine Großkanzlei soll ihr Mandat niedergelegt haben. Möglicherweise aus Protest? Leider verschweigt der ansonsten solide geschriebene SZ-Artikel von Bernd Kastner, die Namen der beteiligten Großkanzleien.

Ohne öffentliche Ausschreibung: McKinsey und Co. verdienen Millionen

Hinter der bürokratischen Perversion eines „virtuellen Marktplatzes“ für Abschiebe-Akten stehen große Unternehmensberater wie McKinsey und Ernest & Young. Laut Wirtschaftswoche erhält McKinsey bis Ende 2020 rund 47 Milionen Euro vom BaMF. Davon seien 27,8 Millionen nie öffentlich ausgeschrieben worden.

Quellen:

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Krefeld: Bauhaus scheitert mit Kündigungsversuchen gegen BR-Mitglied

Die Baumarkt-Kette Bauhaus unterlag vor dem Arbeitsgereicht Krefeld gegen das Betriebsratsmitglied. Die Richter kassierten zwei fristlose Kündigungen als nicht ausreichend, die Frau kann weiter im Baumarkt arbeiten.

Der Krefelder Bauhaus-Betriebsrat war 2017 gegen erbitterten Widerstand gewählt worden. Die Gekündigte hatten zuvor zwei Jahre für die Einsetzung eines Wahlvorstandes gestritten. Doch leider konnte eine Management-treue Fraktion die Mehrheit im neu gegründeten Betriebsrat erringen. Der frisch gewählte BR stimmte der Kündigung der eigenen Kollegin mehrheitlich zu – wie erbärmlich!

Quellen:

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Hamburg: Gesundheitsbehörde spioniert Computer eines Personalvertreters aus. Abmahnung wegen Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen

In Hamburg sorgt ein „Volksentscheid gegen Pflegenotstand in Krankenhäusern“ für Wirbel (https://www.volksentscheid-pflegenotstand.de/). Ende März nahmen die Organisatoren mit über 27.000 Unterschriften die erste Hürde für ein Gesetz zur besseren Personalausstattung in Kliniken der Hansestadt.

Jetzt schlägt die SPD-geführte Gesundheitsbehörde unter Cornelia Prüfer-Storcks zurück. Die Senatorin ließ Computer eines Mitarbeiters durchsuchen, seine Mails lesen und seine Nutzung des behördlichen IT-Systems auswerten. Axel H. ist Mitglied des Personalrats. Die Behörde wirft ihm vor, während der Arbeitszeit für die Volksinitiative gearbeitet zu haben.

ver.di protestierte gegen diese Online-Bespitzelung, die gegen diverse Gesetze und Datenschutz-Bestimmungen verstoßen dürfte:

Ohne Angabe von Gründen und ohne konkreten Missbrauchsverdacht wurden Mitte Februar 2018 alle Daten seines Computers gesichert und ausgewertet. […]

Dazu gehören neben Daten, die sein Arbeitsgebiet betreffen, Mails, die im Zusammenhang mit seiner personalrätlichen Tätigkeit und die unter einem besonderen Schutz der Vertraulichkeit stehen. Ebenso gehörten dazu Mails und Daten von Patienten, die Herrn H. im Rahmen seiner Tätigkeit kontaktiert haben.

Für uns stellt sich die Frage: Ist die Mitarbeit an einer Initiative zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Hamburger Kliniken nicht Teil einer guten Personalratsarbeit?

Die Behördenleitung stellt sich indes stur. Die Arbeit für die Volksinitiative sei dem „privaten Lebensbereich zuzuordnen“. Sie mahnte Axel H. ab: „wegen Missbrauchs der Arbeitszeit für die Erledigung privater Angelegenheit“.  Axel H. will gerichtlich gegen die Abmahnung vorgehen.

Hintergrund: SPD und schwarze Null

Was hat die SPD eigentlich gegen den Volksentscheid für bessere Pflege? Hamburg ist die Heimat des neoliberalen Hardliners Olaf Scholz (a.k.a. „die rote Null“, SPD, Ex-Bürgermeister, jetzt Finanzminister). Scholzens SPD ist ein ausgeglichener Sparhaushalt ebenso wichtig, wie ein „investorenfreundliches Klima“ – sprich keine Steuer-Erhöhungen für Superreiche und Konzerne. Eher unwichtig sind hingegen die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Gesundheitsbereich und die Lage der gewöhnlichen Kranken.

Quelle:

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Cottbus: Call-Center-Kette Walter Services droht mit Standortschließung um Belegschaft gegen BR aufzuhetzen

Im „strukturschwachen“ Osten sind Call-Center in den vergangenen Jahren ein wichtiger Arbeitsplatz-Garant gewesen. Momentan lässt der Call-Center-Betreiber Arvato den Hammer kreisen. Die Tochter des milliardenschweren Bertelsmann-Konzerns will Standorte in Magedeburg, Leipzig, Suhl, Gera und Cottbus schließen. Allein in Cottbus sollen laut rbb fast 300 Arbeitsplätze wegfallen.

Walter Services versucht sich in das Fahrwasser des Kahlschlag zu hängen. Der Call-Center-Betreiber spielt offenbar mit der traumatischen Drohung der Betriebsabwicklung, um seinen Betriebsrat am Standort Cottbus zu disziplinieren und die Belegschaft aufzuhetzen.

Laut ver.di kündigte das Management kaltschnäuzig an, mit dem kürzlich wiedergewählten Betriebsratsvorsitzenden nicht zusammenarbeiten zu wollen – ein klarer Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz. Das Vertrauensverhältnis sei zerrüttet. „Sollte sich das Gremium nicht anders aufstellen“, drohte das Management laut ver.di an, den Standort zu schließen und die mehr als 350 Beschäftigten entlassen zu wollen. „Der Arbeitgeber forderte die Beschäftigten auf, auf den Betriebsrat aktiv einzuwirken“, schreibt ver.di.

Uns würde interessieren, welche Anliegen den Beschäftigten und dem Betriebsrat unter den Nägeln brennen bzw. um welche Sachfragen, der Konflikt eigentlich kreist. (Hinweise bitte gern per Kommentar – auch anonym möglich)

Bei Walter Services läuten regelmäßig die Alarmglocken. Und immer geht es um Profitabilität und Standortschließungen („Restrukturierung“) – zuletzt 2015. Damals übernahm CEO Meinolf Brauer die Kette im Rahmen eines Management Buy-out (MB0. Das bisherige Management wird mit Hilfe von Krediten gleichzeitig zum Eigentümer wie zum gefügigen Erfüllungsgehilfen aggressiver Finanz-Investoren und ihrer Zins-Erwartungen).

Quellen:

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Bremen: Behinderung der Betriebsratswahlen bei Auto-Domicil erfolgreich gekontert

Die Auto-Domicil-Gruppe betreibt in Bremen zwei Autohäuser mit ca. 50 Beschäftigten. Laut IG Metall sind die beiden Geschäftsführer der  Matthias R. Albert und Thomas Überall nicht nur die Auffassung, dass ein Betriebsrat in Bremen generell überflüssig sei. Sie stehen im Verdacht, aktiv Wahlbehinderung betrieben oder angestiftet zu haben: So sollen Aushänge zur BR-Wahl abgerissen und Betriebsratskandidaten mit Kündigung bedroht worden sein.

Die IG Metall  nahm zu den Vorkommnissen wie folgt Stellung:

Dass Geschäftsführer eines Betriebes der Meinung sein können, ihren Beschäftigten das Recht auf Wahl eines Betriebsrats abzusprechen und dies notfalls auch mit der Androhung auf Entlassungen durchsetzen wollen, ist ein Armutszeugnis. Nicht nur dass es rechtswidrig ist, sondern es zerschlägt innerbetrieblich viel Porzellan und ist ein eindeutiges Indiz für Misstrauen gegenüber der eigenen Belegschaft. Auto Domicil Bremen ist damit kein Beispiel für gute Arbeit, sondern zeugt von einem Blick auf die Belegschaft als Gegner.

Eine Strafanzeige nach §119 BetrVG (Betriebsratsbehinderung) konnte Auto-Domcil abwenden, indem die Geschäftsleitung dem öffentlichen wie juristischen Druck der IG Metall klugerweise nachgab.

Der Bremer Betriebsrat wurde am Ende ordnungsgemäß gewählt; weitere Schikanen unterblieben. Weiterer Faktor: Kunden sollen sich beschwert und bestellte Autos aus Protest storniert haben.

Hintergrund: PSA Peugeot/Citroën verscherbelte Autohäuser an aggressiven Investor

Die Auto-Domicil-Gruppe vertreibt die Marken Citroën, Peugeot, DS Automobiles und Ford. Sie ist neben den zwei Autohäusern in Bremen an sechs Standorten in Süddeutschland aktiv (Stuttgart, Albstädt-Ebingen, Sigmaringen, Reutlingen, Esslingen, Freiburg, Mengen, Nürnberg, Fürth), sowie im österreichischen Klagenfurt (Übersicht).

Im Dezember 2015 schwang sich die Auto-Domicil-Gruppe um den Geschäftsführer und Investor Mathias R. Albert laut Automobilwoche zum „Chefkäufer“ von PSA-Niederlassungen in Deutschland auf.

Quellen:

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