Frontberichte 5/2016

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Presseschau: Streikbruch, Union Busting und Rechtsnihilismus

++ DURA / Plettenberg: Management fliegt Portugiesen ein, um Mitbestimmung zu umgehen ++ Charité / CFM / Berlin: Leiharbeiter als Streikbrecher bei CMF? ++ Median-Kliniken  /Bad Oyenhausen: Union Busting per Betriebsschließung ++ XXXLutz /Oberhausen: Rechtsnihilismus pur + + Zumbtobel / Usingen: Petzen gesucht + + Autohaus Nix / Darmstadt: Kündigung für Betriebsratsgründung?

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dura_aufrufDURA: Automobilzulieferer fliegt Portugiesen für Samstagsarbeit ein

Dura ist ein international agierender Automobilzulieferer mit rund 12.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 1,6 Milliarden US-Dollar. Um Samstagsarbeit trotz fehlender Zustimmung des Betriebsrat durchsetzen, flog das Unternehmen Arbeiter aus Portugal ein. Das LAG Hamm erklärte das Vorgehen der Dura-Geschäftsleitung in einem vielbeachteten Urteil am 14.10.2016 für rechtens (Presse-Erklärung des LAG Hamm). Der Betriebsrat, so das LAG Hamm, sei nur für den Regelbetrieb zuständig, der Einsatz der Portugiesen nicht mitbestimmungspflichtig. Die Signalwirkung des Urteils könnte weitreichende Folgen haben (Der Westen: Dura soll ein Fall für die Bundespolitik werden).

Hintergrund des Konflikts: In Plettenberg (NRW) fürchten rund 500 der 1000 der Beschäftigten um ihre Jobs (WDR 29.07.2016). Ein Schlichtungsvorschlag soll am Widerstand von CEO Lynn Tilton gescheitert sein. Solange keine Sicherheiten für die Beschäftigten auf dem Tisch liegen, verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung zu Wochenendschichten der Stammbelegschaft.

Die Umgehung der Mitbestimmung wird juristisch von der Kanzlei Kliemt & Vollstädt (Düsseldorf), namentlich von Dr. Markus Bohnau (Federführung), Dr. Markus Janko, Jan Ricken; Associates: Jörn-Philipp Klimburg, Dr. Jan Heuer (alle Arbeitsrecht) betrieben (Juve). Die Medien-Agentur Brunswick ist laut IG Metall beauftragt, das aggressiven Vorgehen zu kaschieren und Image-Schäden von Dura abzuwenden.


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Charité/CFM: Leiharbeiter zwecks Streikbruch umetikettiert?

Bei der CFM (Charité Facility Management) arbeiten rund 2.800 Beschäftigte, die in Charité für Reinigung, Sicherheit, Küche, Transport, Sterilisation und anderes zuständig sind. Sie verdienen rund 30-40% weniger als ihre Kolleg*innen von der Charité. Seit Wochen gibt es immer wieder Warnstreiks bei der CFM. Die Beschäftigten fordern Bezahlung nach dem für die Charité-Angestellen gültigen Tarifvertrag (BZ vom 07.09.2016).

Die Gewerkschaft Verdi wirft der Charité-Tochter CFM vor, Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt zu haben (Tagesspiegel 21.10.2016). Insbesondere Leiharbeiter der Firmen Promedis 24 und Allzeit Personal firmieren nun formal als Werkvertragsnehmer. Nach ver.di-Recherchen (PM vom 21.10.2016) gründete die Geschäftsführerin von Allzeit-Personal, Ramona Craig, am 5. August 2016, kurz nach Beginn der Tarifverhandlungen von ver.di und CFM, das Leiharbeits-Unternehmen RC Berlin Personalservice. Über RC Berlin Personalservice werden der CFM nun zum Teil ehemalige Allzeit-Leiharbeiter als Werkvertragsnehmer zur Verfügung gestellt. Sie erledigen zum Teil exakt wie selben Arbeiten wie zuvor.

Als weitere Subunternehmen, die bei der CFM tätig sind werden von Gewerkschaftern noch Go-Logistik und Promedis 24 genannt.

Laut junge welt vom 06.09.2016 setzte die Charité schon 2011 auf den Einsatz von Leiharbeitern als Streikbrecher. Bei den Tarifverhandlungen der Charité sitzt die Kanzlei Beiten Burkhardt am Tisch. In wie weit die Anwälte der Kanzlei auch in den möglichen Streikbruch durch Leiharbeiter bei der CFM verwickelt sind, ist nicht bekannt. Beiten Burkhardt gilt bei Gewerkschaftern aber als „Hauskanzlei“ der Charité und scheint mit dem Vorgehen gegen Krankenhausbelegschaften ein neues Spezialgebiet aufgemacht zu haben – siehe unser Bericht zu Median-Kliniken.

mehr Infos:
ver.di: https://gesundheit-soziales-bb.verdi.de/themen/nachrichten/++co++78a0b372-65f5-11e6-83ab-52540066e5a9

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Median Klinik-Konzern: Rechtsnihilismus & Union Busting per Betriebsschließung

Aktive Mittagspause der Median-Beschäftigten in Heiligendamm anlässlich des Schwarzen Freitags am 13. Mai 2016
Aktive Mittagspause der Median-Beschäftigten in Heiligendamm anlässlich des Schwarzen Freitags am 13. Mai 2016

Augenscheinlich hat das Median Management als Vergeltungsmaßnahme für Streiks der Belegschaft zum 30.06.2016 die Weserklinik in Bad Oyenhausen geschlossen. In einer Mitarbeiterversammlung wurde der Belegschaft vorgehalten, durch ihre Streiks zur Durchsetzung von Tarifforderungen für die Schließung mitverantwortlich zu sein. Seit der Übernahme durch Waterland Private Equity Investements begeht Median  flächendeckend Tarifflucht. Die Beschäftigten sollen mit flexiblen Tarifregelungen abgespeist werden.

Rund 140 Beschäftigte verloren bei der Maßregelungs- und Einschüchterungsaktion ihren Arbeitsplatz. Den Vorsitzenden des Betriebsrates der Weserklinik war Median damit aber noch immer nicht los geworden. Denn Roland T.  ist auch Betriebsratsvorsitzender der Klinik am Park in Bad Oeynhausen und Mitglied des Gesamtbetriebsrats der Quellenhof-Kliniken Bad Salzuflen. Mit Hilfe der Kanzlei Beiten Burkhardt (s.u.) verfiel die Geschäftsführung unter André M. Schmidt (früher Unternehmensberatung McKinsey), Roland Seebauer (vor der Fusion 2015 bei RHM-Kliniken), Kai Swoboda (vorher Bundeswehr und Ameos Kliniken) und Martin von Hummel (früher Boston Consulting Group und Asklepios) auf die Idee, den engagierten Gewerkschafter in Zwangsrente zu schicken. Dagegen klagte Roland T. erfolgreich. Das Arbeitsgericht Minden bestätigt sein Recht auf Weiterbeschäftigung über den 30.09.2016 hinaus. Median ist dagegen in Berufung gegangen und drohte Roland T., als er zu seinem Arbeitsplatz wollte,  mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch (NW vom 24.10.2016: Median setzt Betriebsrat vor die Tür).

Beiten Burkhardt: Spezialgebiet Krankenhausbelegschaften fertig machen?

Im Zusammenhang mit einem Streik 2015 erwirkte Anwalt Marco Ferme von Beiten & Burkhardt bereits eine einstweilige Verfügung gegen verdi (juve). Aktuell, so die Information von involvierten Gewerkschaftern, sind u.a. folgende Anwält*innen am Vorgehen gegen die Median-Belegschaft beteiligt: Eva-Maria Staneff, Franziska von Kummer, Gerald Peter Müller (früher Kanzlei Luther, Köln), Hans-Peter Mechlem (CFO bei Beiten Burkhardt) und Andreas Reuther (vorher u.a. Heuking Kühn Lüer Wojtek und Norton Rose Fulbright).

Nominierung für den bundesweiten Aktionstag „Jetzt schlägt’s 13“

Im Rahmen unseres Aufrufs besonders aggressive Unternehmen für den Schwarzen Freitag am 13.01.2017 zu benennen, wurde von Leser*innen unseres Blogs auch Median in’s Rennen geschickt (hier). Laut verdi verfügt Median nach dem Zusammenschluss mit der Allgemeinen Hospitalgesellschaft AG (AHG AG) bundesweit über 120 Einrichtungen mit gut 15.000 Beschäftigten. Bereits am letzten Freitag, dem 13., im Mai 2016 nutzten Beschäftigte des Konzerns den Aktionstag gegen Horror-Jobs und Fertigmacher an mehreren Standorten für aktive Mittagspausen.
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XXXL Oberhausen: Urteile ignoriert

Bernd B., Betriebsratsvorsitzender des XXXL Möbelhauses Rück in Oberhausen, hat vor dem Arbeitsgericht Oberhausen und dem Landesarbeitsgericht in Düsseldorf erfolgreich seine Weiterbeschäftigung erstritten. Die XXXL-Geschäftsführung unter den Brüdern Richard und Andreas Seifert, Alois Kobler und Günther Gruber interessiert das allerdings genauso wenig, wie die Tatsache, dass das Gericht das Hausverbot des Betriebsratsvorsitzenden aufgehoben hat. Bernd B. wird einfach nicht an seinen Arbeitsplatz gelassen und statt dessen mit der Polizei bedroht (Frontal 21 vom 25.10.2016, s.u.).

Die Geschäftsmethoden von XXXL ist schon seit längerem ein Fall für die Gerichte und die Gewerkschaft verdi. Um langjährige Beschäftigte, Gewerkschafter und anderes unbequemes Personal zu entsorgen zerschlägt das Management einzelne Filialen in verschiedene Gesellschaften. Unliebsame Abteilungen werden so wegen angeblicher Insolvenz geschlossen, tatsächlich aber unter neuen Namen und mit neuem Personal weiterbetrieben. Ähnlich erging es auch 26 Mitarbeitern in Oberhausen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs (Der Westen 23.08.2016). Juristisch soll Rechtsanwalt Gert Commandeur dem Gericht die XXXL-Methoden schmackhaft machen. Er ist, laut eigener Darstellung, Spezialist in Betriebsübergängen.

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Zumtobel: Werk schließt – Belegschaft erkämpft Transfergesellschaft

Bevor der Laden schließt geht es noch einmal rund: Die Geschäftsführung der Zumtobel Lighting GmbH Deutschland behauptet es sei zu „Computersabotage, Datenveränderung, Sachbeschädigung und sogar zur Zerstörung von Geräten gekommen“ und fordert die Beschäftigten auf, ihr Wissen darüber mit der Geschäftsleitung zu teilen. Hinweise werden mit 5.000,- Euro belohnt und auf Wunsch vertraulich behandelt (Taunus-Zeitung 13.10.2016). Maschinenführer bestreiten jegliche Sabotage, und auch Gewerkschaftler Uwe Zabel bestätigt, dass kein Gerät  absichtlich zerstört wurde. Er spricht von einer Kriminalisierung der Beschäftigten.

Hintergrund ist die Schließung des Produktionsstandorts in Usingen (Hessen). Rund 150 Mitarbeiter kämpften zwei Monate lang für höhere Abfindungen und die Einrichtung einer Transfergesellschaft, die den Gekündigten 12 Monate lang bei 80% ihres früheren Gehalts die Möglichkeit gibt, eine neue Beschäftigung zu finden. Bei der Zumotobel AG arbeiten insgesamt über 6000 Beschäftigte. Sitz der AG ist Österreich. Geschäftsführer sind Ulrich Schumacher und Karin Sonnenmoser.

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Autohaus Nix: Kündigung für geplante Betriebsratswahl?

Alexander Nix will rund die Hälfte seiner Autohaus-Belegschaft in Darmstadt kündigen, weil sie einen Betriebsrat gründen wollte (Echo Online, 13.10.2016). Darunter sollen sogar zwei Azubis in der Probezeit, ein Langzeiterkrankter und der Niederlassungsleiter sein. Für Nix-Autohäuser (Toyota) arbeiten über 230 Beschäftigte an sechs Standorten im Rhein-Main-Gebiet. Neun von rund 20 Beschäftigten wurde jetzt in Darmstadt unter fadenscheinigen Gründen gekündigt.


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