Schweizer Electronic: Der aggressive Kern

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Automobil-Zulieferer gegen Tarif + IG Metall | Vorstand und Aufsichtsrat mit Hardlinern besetzt | Geschäftsführung erkrankt

Schweizer Electronic AG Weihnachtsmann-Demo 2015
Weihnachtsmann-Demo mit über 100 Teilnehmern vor dem Werkstoren von Schweizer Electronic, Juni 2016. (Quelle: Soli-Blog der IG Metall Freudenberg)

Der patriarchal geführte Halbleiter-Hersteller Schweizer Electronic AG ist in nunmehr sechster Generation seit anno 1844 in Familienbesitz. Seit Februar 2016 fungiert eine Frau als Vorstandsvorsitzende. Die Frauenquote verbesserte sich auf unkonventionelle Weise: Der bisherige Geschäftsführer Marc Schweizer wandelte sein Geschlecht und wurde zu Maren Schweizer.(1)

Die neue und doch wohlvertraute Managerin maßregelte vier Betriebsratsmitglieder einige Wochen später mit unsubstantiierten Abmahnungen, willkürlichen Lohnabzügen und Kündigungsdrohung. Die IG Metall organisierte gegen diese Art des Betriebsrats-Bashing  Proteste und eine Unterschriftensammlung (hier als .doc).(6)

Anti-Gewerkschaftsdemo organisiert

Ferner ist zu vernehmen, dass Vorgesetzte ihre Mitarbeiter während der Arbeit gezielt unter Druck setzen sollen, um ihnen die gewerkschaftlichen Flausen auszutreiben. Das Management schaffte es sogar, eine Anti-IG-Metall-Demonstration auf die Beine zu stellen, die laut Augenzeugen immerhin aus aus rund 50 Personen bestand.

„Das Vorgehen ist für uns komplett neu, sagt Stefan Kirschbaum von der IG Metall Freudenberg.Diese aggressive Art, wie gegen die Belegschaft vorgegangen worden ist, haben wir in der Region sonst nicht gekannt.“


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Da Maren Schweizer Gespräche mit der IG Metall bislang kategorisch ablehnt und ihre Beschäftigten mit dem Gespenst der “Fremdbestimmung” zu verschrecken sucht, wird der Konflikt mit zunehmend härteren Bandagen ausgefochten.

Überraschende Wendung: Geschäftsführung meldet sich krank

Die systematische Zermürbung von Betriebsratsmitgliedern nach Union Busting-Rezepten (Was ist das?) ist darauf ausgerichtet, diese entweder zur Kündigung oder irgendwann in die Krankheit oder Berufsunfähigkeit zu treiben. Bei Schweizer Electronic wurde nun überraschender Weise die Geschäftsführung krank.

Sowohl Maren Schweizer als auch ihr Bruder und Stellvertreter Nicolas-Fabian Schweizer meldeten sich Mitte Oktober langfristig abeitsunfähig. Wie es weiter geht, ist seither unklar.

Die IG Metall setzte weitere Kampfmaßnahmen als Zeichen guten Willens vorerst aus – zumal mit dem kompletten Geschäftsführungs-Duo nun ein Ansprechpartner fehlt -, will aber in der Sache nicht locker lassen: „Die Vorstände sollen damit aufhören, sich mit illegalen und kriminellen Mitteln ihrer Verantwortung zu entziehen“, so der Metaller Kirschbaum.

Drastische Lohnunterschiede bei Schweizer Electronic

1997 trat das Unternehmen aus dem Arbeitgeberverband Südwestmetall aus, seither ist es ohne Tarifvertrag. Inzwischen sorgen große Lohnunterschiede im Betrieb für Verbitterung, hinzu kommt eine Personalführung nach Gutsherrenart. Zudem liegen die Löhne bei Schweizer Electronic schätzungsweise 20 Prozent unter dem Flächentarif. Um diesen Zustand zu beenden, bahnt sich eine Streikbewegung an, die sich Ende September in einem Warnstreik und mehreren „aktiven Mittagspausen“ seit Juni 2016 manifestierte.

Lokale Union Buster und ihre Verflechtung in den Weltmarkt

Auf der juristischen Ebene werden die Union Busting-Manöver des Unternehmens vom Anwalt Stefan Krauss aus Lahr vertreten; der Stil der Angriffe – vor allem die gezielte Erzeugung einer gelben Pseudo-Belegschafts-Initiative durch Vorgesetzte – deutet auf externe Beratung von Spezialisten hin – etwa durch die berüchtigte Kanzlei Dirk Schreiner + Partner.

Im Aufsichtsrat sitzt außerdem mit Christian Schmid ein Hardliner, der sich im Jahr 2013 durch eine gezielte Betriebsratsverhinderung in seiner eigenen Firma Gebr. Schmid GmbH (Freudenberg) bereits einen zweifelhaften Ruf in der Region erworben hat.(3)

Auch die Berufung von Karin Sonnenmoser in den Vorstand von Schweizer Electronics am 1. Juli 2016 lässt aufhorchen.(5) Die ehemalige VW-Managerin ist seit 2014 bereits Finanzvorstand der Zumtobel Group, eines österreichischen Lichtherstellers und Kooperationspartners von Schweizer. Zumtobel sorgte unlängst durch die rücksichtslose Schließung eines profitablen Werks in Hessen für Empörung und Aufruhr.(2)

Fragt man allerdings Beschäftigte und Metall-Gewerkschafter im Schwarzwald nach dem aggressiven Kern im Schweizer-Management, so fällt hauptsächlich der Name des Firmenpatriarchen Christoph Schweizer, der als Aufsichtsratsvorsitzender fungiert. Dieser hat offenbar große Probleme mit nunmehr 75 Jahren abzutreten und seinen Kindern die Führung der Firma zu überlassen.

Vom Schwarzwald nach Japan, China + Vietnam

Schweizer stellt elektronische Halbleiter und Leiterplatten her – unter anderem für Smartphones und Flugzeug- und Automobiltechnik. Wichtigste Abnehmer sind – neben dem Reifenhersteller ContinentalBMW und Mercedes-Benz, für die Hightech-Lösungen entwickelt werden, etwa ein automatisches Fernlicht, das den Gegenverkehr nicht blendet.

Das Unternehmen vermeldete zuletzt einen Jahresumsatz von 115,6 Millionen Euro (plus 4,8 Prozent). Schweizer ist durch gegenseitigen Aktienbesitz seit 2010 mit dem wesentlich größeren japanischen Auto-Zulieferer MEIKO verbunden, der auch in Vietnam und China produziert.(4) Es bestehen zudem „strategische Partnerschaften“ mit Infineon und dem Halbleiter-Produzenten WUS. Die Chinesen erwarben durch Aktientausch im Juli 2014 eine Beteiligung von 4,5%, Infineon kaufte im November 2014 einen Anteil von 9,4%.


Quellen

(1) suedkurier.de, 11.2.2015

(2) junge Welt, 1.10.2016

(3) http://www.freudenstadt.igm.de/news/meldung.html?id=61314 , 21.10.2013

(4) http://www.all-electronics.de/schweizer-und-meiko-wechselseitige-beteiligung/ , 26.10.2010

(5) Schweizer Electronic AG, Neuwahlen des Aufsichtsrats | Kandidaten 2016 (pdf), abgerufen 24.10.2016

(6) arbeitsunrecht.de, 17.10.2016


Tarif für Schweizer muss her!

IG Metall Imageclip #2, Mai 2016


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