Arbeitsplatzvernichtung bei Auto-Zulieferer| Aggressiver Finanz-Investor räumt Konkurrenten vom Markt | Betriebsratsbehinderung als Begleitmusik
Manchmal ist die Recherche zu einem Artikel schon ein Spektakel an sich. Seinen Anfang nimmt die folgende Geschichte mit einer Schlagzeile in der Lokalpresse aus der Region Main-Spessart: „Kein Computer für Betriebsrat“ titelte die Main-Post am 14.5. 2014. Das liest sich zunächst, als wenn es wieder einmal um einen dieser Provinz-Zampanos und Mittelstands-Patriarchen ginge, die glauben, das Betriebsverfassungsgesetz gelte für sie nicht.
Doch hinter der Schlagzeile verbirgt sich mehr als die alltägliche Behinderung der Betriebsratsarbeit, die von deutschen Staatsanwaltschaften durch Untätigkeit gedeckt wird. Die Geschichte beginnt im bayrischen Lohr und entpuppt sich als Lehrstück über Übernahmen und Aufkäufe (Mergers & Acquisitions) durch aggressive Finanzinvestoren. Es endet vorerst mit dem Verkauf des deutschen Automobil-Zuliferers Kokinetics an die chinesische Firma Avic Electromechanical System Co. Treibende Kräfte und Profiteure des einhergehenden Lohndumpings und Arbeitsplatzabbaus sind Andreas Stoltze und seine Investment-Company Exmag und die Wirtschaftskanzlei Luther.
Der Familienbetrieb Paulisch, Hersteller beweglicher Teile im Automotiv-Bereich, hatte bis zum Jahr 1998 noch 600 Beschäftigte. In den letzten 15 Jahren ist die Firma fünf Mal verkauft worden: an den Auto-Zuliefer-Giganten Magna, Intier, ATY, Faurecia und zuletzt an Kokinetics. Die Geschäftsführung des Stammwerks Kokinetics GmbH in Kriftel bei Frankfurt schloss das Werk in Lohr im Mai 2014. Die Produktion der Kokinetics Lohr GmbH wurde in das Stammwerk in Kriftel, sowie nach Tschechien verlegt (main-netz). Einzige Konstante: das Betriebsgelände und die Gebäude in Lohr sind im Besitz von Magna geblieben (siehe Website der SPD Ortsverband Lohr am Main). Kunden der Kokinetics GbmH in Kriftel sind neben Magna und Faurecia, die zwischendurch selbst Besitzer des Werkes in Lohr waren, eine ganze Reihe von Autohersteller wie VW, Mercedes, Peugot, GM, Toyota und einige mehr. Im Frühjahr 2014 trugen die Mitarbeiter des Kokinetics-Werkes ihn Lohr ihre Arbeitsplätze symbolisch zu Grabe. Birgit Adam von der IG Metall Aschaffenburg sagte: „Die Menschen trauern, dass es im Kapitalismus möglich ist, Menschen 15 Jahre lang zu verschaukeln und zu erpressen.“ (Quelle: Metallzeitung Bayern 06/2014, S. 30). Sie warf den Kokinetics-Boss Andreas Stoltze verschiedene Gesetzesverstöße vor, wie die Main-Post am 8.5.2014 berichtete.
Stoltzes perfide Liquidierungsstrategie
Der CEO des Kokinetics-Werks in Kriftel, Dr. Andreas Stoltze, ist bei der Übernahme und Schließung des Werkes in Lohr extrem zielstrebig vorgegangen. Stoltze ist mit seiner Investment-Firma Exmag mit Sitz in Pfäffikorn/Schweiz und einem Büro in Bad Homburg auf Unternehmen in verzweifelter Lage spezialisiert. Genau das war das ehemalige Paulisch-Werk zu diesem Zeitpunkt längst. Bereits der Investor Nr. 3, ATY, meldete für das Werk in Lohr Insolvenz an. Investor Nr. 4, Faurecia (Tochter von PSA Peugeot Citroen), hielt das Werk nach der Übernahme aus der Insolvenz nur ein knappes Jahr, bevor die Kokinetics Lohr GmbH übernahm. Die Schließung des Werks in Lohr dürfte von Anfang an Ziel der Übernahme gewesen sein, um einen Mitbewerber zu liqudieren und dadurch den Preis von Kokinetics in die Höhe zu treiben.
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Im Frühjahr 2014 hat Andreas Stoltze, mit seiner Firma Exmag, die Anteile am Kokinetics-Stammwerk hält, das Kokinetics-Werk in Kriftel an die chinesische AVIC verkauft (Finanzen.net). Er bleibt als CEO tätig und durfte einen mehrjährigen Vertrag mit Avic unterschreiben. Bei der Bundeswettbewerbsbehörde liegt eine Bekanntmachung gemäß § 10 Abs 3 Z 2 KartG vor, der zu entnehmen ist, dass AVIC auch den Automobilzulieferer ECO Holding 1 GmbH in Marktheidenfeld kaufen will.
Geschickt eingefädelt: Firmen-Chef lässt gelben Betriebsrat gründen
Vier Monate bevor es zum Betriebsübergang von Faurecia zur Kokinetics Lohr GmbH kam, gründete Andreas Stoltze die Kokinetics Lohr GmbH. Zwei Monate später holte Andreas Stoltze fünf Beschäftigte aus dem Stammsitz von Kriftel nach Lohr und gab die Anweisung, einen Betriebsrat zu gründen. Als es am 01.12.2012 zum Betriebsübergang kam (längst waren nach 4 Übernahmen von den ehemals 600 Beschäftigten nur noch 100 übrig), war der von den Faurecia-Beschäftigten gewählte Betriebsrat von heute auf morgen entmachtet. Durch seine Umstrukturierungsmanöver und Anweisungen ins Amt gehievt hatte Andreas Stoltze statt dessen einen 1-Mann-Betriebsrat namens Dirk Hufler, der alle seine Entscheidungen abnickte. (Bekanntmachung der Übernahme auf der Kokinketics-Website)
Im Sozialplan, so die Main-Post, wurde für gekündigte Faurecia-Mitarbeiter eine Abfindung vereinbart. Birgit Adam, zuständige IG-Metall-Sekretärin vor Ort, sagte dazu: „Die haben noch Glück gehabt.“ Für die 30 Kollegen_innen, die bleiben durften, wurde vereinbart, dass jeder Mitarbeiter, der in den auf die Übernahme folgenden 18 Monaten gekündigt wird, ebenfalls eine Abfindung erhält. Aber die hatte einen Haken, wie weiter unten ausgeführt wird. Das Werk in Lohr wurde schon vor Ablauf dieser Frist, zum 01. Mai 2014, geschlossen. Die Produktion wurde in das Hauptwerk nach Kriftel verlegt.
Ausbeutung durch „Grundgehalt“ – Drei Schichten auch am Wochenende
Um die Abfindung zu sparen, zahlt die Kokinetics den Beschäftigten das Grundgehalt bis Ende Juni 2014 weiter. Jedoch tatsächlich auch nur das Grundgehalt. Nach Ablauf einer einjährigen Frist, in der die Arbeitsbedingungen nach den Betriebsübergang nicht geändert werden durften, wurde die Entlohnung mit einer Leistungsbeurteilung abgeändert auf eine Betriebsvereinbarung mit Prämienlohn nach Kennzahlen. Der Unterschied im Portemonnaie betrug bei manchen Beschäftigten mehrere hundert Euro. Der unternehmenshörige Betriebsrat Dirk Hufler hatte außerdem unterschrieben, dass es bei Krankheit und Urlaub nur noch den Grundlohn gibt. Zusätzlich wurde eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen über Arbeiten im 3-Schicht-System, rund um die Uhr, auch am Wochenende und an Feiertagen. Birgit Adam sagte am 07.05.2014 in ihrer „Kokinetics-Grabrede“ anlässlich der Betriebsschließung:
Mit der neuen Prämie fehlte einigen plötzlich viel Geld. Wir haben uns die Abrechnungen angeschaut und viele erhebliche Mängel festgestellt.
Nicht nur die Prämie war viel zu niedrig, auch die Zuschläge für Nachtarbeit wurden nicht ordnungsgemäß gezahlt. Feiertag und Urlaubstag zu gering abgerechnet. Überstunden einfach gar nicht gezahlt usw. usw. Nach Überprüfung von einigen Abrechnungen haben wir festgestellt, dass Beschäftigten bis zu 1000 Euro im Monat fehlten.Hier klagt die Gewerkschaft jedoch, weil zwar nicht das Beschäftigungsende, wohl aber die Kündigung ansich in die 18-Monats-Frist fällt.
Die Gewerkschaft will die Abfindung für die Beschäftigten noch einklagen. Ihrer Meinung nach ist ausschlaggebend, dass der Termin der Kündigung innerhalb der 18-Monate-Frist liegt.
Neuer Betriebsrat ohne Chance – Schikanen und Rechtsverstöße
Die turnusmäßigen Betriebsratswahlen im April/Mai 2014 nutzten auch die Kokinetics-Angestellen, um kurz vor der Schließung des Betriebs noch einen neuen Betriebsrat zu wählen. Dieser konnte jedoch nichts mehr bewegen, da Vorgänger Dirk Hufler bereits allen wichtigen Entscheidungen zugestimmt hatte.
Vermutlich, um die Organisation von Widerstand zu erschweren, hat die Geschäftsleitung unter Dr. Andreas Stoltze laut Main-Netz nun jede ohne Ankündigung den Computer des Betriebsrats abgebaut. Der neue Betriebsratsvorsitzende fand auf seinem Schreibtisch nur noch einen Bildschirm vor. Das Archiv, wichtige Korrespondenzen zwischen Andreas Stoltze und seinem gelben Betriebsrat Hufler, sowie sämtliche Kontaktdaten sind damit verloren.
Das Netzwerk des Fertigmachers Stoltze
Andreas Stoltze (hier das xing-Profil), CEO der Kokinetics GmbH, bezeichnet sich selbst als Buy-In Investor und Restrukturierungsmanager. Mit seiner Firma Exmag ist Andreas Stoltze nicht nur Mitglied der „Bundesvereinigung Restrukturierung, Sanierung und Interim Management“ (BRSI), sondern auch Vorstandsmitglied dieses Zusammenschlusses von Anwälten und Unternehmensberatern, die sich auf die Umstrukturierung und Auflösung von Betrieben spezialisiert haben (die komplette Liste der Mitglieder finden Sie hier). In der Selbstdarstellung der BRSI heißt es:
Um Unternehmen in schwierigen Zeiten erfolgreich zu führen, aus einer Krisensituation heraus zu sanieren, vor einer Insolvenz zu retten oder wieder Wachstum zu erzeugen, spielt die schnelle und effiziente Kommunikation zwischen Unternehmensleitung, Gesellschaftern und Dienstleistern wie Banken, Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsberatern eine entscheidende Rolle.
Die BRSI hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Informationsaustausch zwischen allen an der Unternehmenssanierung Beteiligten zu verbessern und hierdurch den Einsatz moderner Managementkonzepte und Lösungsansätze bei der Unternehmenssanierung zu unterstützen.
Die Gewerkschaftssekretärin Birgit Adam fragte nach eigenen Angaben Dr. Andreas Stoltze, welches Interesse ihn bei der Übernahme des Faurecia-Werks leiten würde. Er habe geantwortet: „Bayrische Wirtschafts-Subventionen“. Andreas Stoltze hat die Kokinetics Lohr GmbH zwischenzeitlich in Metallverarbeitungsgesellschaft LAK umbenannt. Die IG-Metall erfuhr davon, indem die Post an Kokinetics Lohr zurück kam. Der Schritt könnte dazu gedient haben, den Namen Kokinetics für den Verkauf nach China „sauber zu halten“.
Helfer und Berater des Kahlschlags: Anwälte der Kanzlei Luther
Im Fall Lohr begleitete Christian Dworschak (Kanzlei Luther, München) Stoltzes Abwicklung des Standortes Lohr. Den Verkauf der Kokinetics GmbH Kriftel an den chinesischen Zuliefer-Giganten AVIC stielte Luther nach eigenen Angaben durch folgende Personen ein: Dr. Andreas Kloyer (Partner, Federführung), Raffaela Hauenstein, Michael Gaßner (alle Gesellschaftsrecht/Mergers & Acquisitions), Peter M. Schäffler (Partner, Steuerrecht). Luther ist eine international agierende Großkanzlei. Sie fungierte z.B. als Beraterin der CDU-SPD-Koalition in Wiesbaden bei dem Verkauf der städtischen HSK-Kliniken an den Rhön-Konzern. Auch der Verkauf des Busunternehmens Werner an die Transport Capital AG fand unter Mitwirkung der Arbeitgeber-Kanzlei Luther statt (Bus-Werner wurde bekannt, weil ein Mitarbeiter im Frühjar 2014 streikende ver.di-Gewerkschafter über den Haufen fuhr – siehe Frontberichte 04/2014.) Union Busting gehört ebenfalls zum Portfolio von Luther – wie der Fall des norddeutschen Arzneimittelherstellers Pohl-Boskamp deutlich machte.
Die verbliebenen 450 Kokinetics-Angestellten in Kriftel und Tschechien sowie die ECO 1 Holding-Angestellten in Marktheidenfeld dürften nunmehr gewarnt sein: Dr. Andreas Stoltze und seine Berater von Luther sind mit Sicherheit an allem möglichen, aber nicht am Erhalt ihrer Arbeitsplätze interessiert. Vermutlich geht die Auslagerungs-Reise tariflich geregelter Arbeitsplätze nun nach China.
Paar Sachen fehlen noch das der Stolze persönlich die
Mitarbeiter bedroht hat wenn Sie nicht mehr Teile produzieren das der laden bist August zu ist .Zur Schließung der Firma Kokinetics Lohr
das der über 1 Million € vom Faurecia bekommen hat.
Endabrechnung haben sie niemals meine Resturlaub und Überstunden ausbezahlt
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