System Tönnies stoppen! Lautstarker Protest + Unterschriften-Übergabe in Düsseldorf

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Ausbeutung, Leid und Schäden für Mensch, Tier und Umwelt.

Demo Düsseldorf, 11.9.2020
Protestgemisch vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof. Zur Fotogalerie

Schlachthof-Sumpf austrocknen! Lautstarke und fundamentale Kritik an Arbeitsbedingungen & Produktionsweise der Tierindustrie. Fotogalerie

Gut 150 Personen zogen am Freitagabend, 11. September 2020 ab 18 Uhr vom Düsseldorfer Hauptbahnhof zur Königsallee und zurück, um gegen das System Tönnies zu protestieren. Sie forderten in Sprechchören die Abschaffung von Werkverträgen, Leiharbeit, Dumping-Fleisch und Tierindustrie.

Bunte Mischung: von katholisch bis syndikalistisch | von vegan bis Curry-Wurst

Das Protest-Bündnis war bunt und vielfältig. Dazu gehörten die Initiative aktion ./. arbeitsunrecht, das Bündnis gegen die Tierindustrie, Tear down Tönnies, Shut down Schweinesystem, die Freie Arbeiter*innen-Union (FAU), die Solidarische Aktion Duisburg, ARIWA (Animal Rights Watch), die Katholische Arbeiterbewegung (KAB).

Die Alliierte Marschkapelle Schwarzer Freitag aus Köln sorgte mit ihrem Repertoire zwischen Arbeiter- und  Kinderliedern (Pippi Langstrumpf, Die Internationale), Dancefloor-Klassikern (La Cucaracha) und Schlagern (Griechischer Wein / Gieriges Schwein) für Aufmerksamkeit, gute Laune und gelegentliche Irritation. Zur Fotogalerie

Das Protestgemisch verteilte mehrere hundert Flyer an die Bevölkerung und hielt Redebeiträge vor Supermärkten und Außengastronomie, um Konsument*innen über die elenden und schädlichen Bedingungen aufzuklären, unter denen ein Oligopol (marktbeherrschende Klein-Gruppe) aus Schlacht-Konzernen in Deutschland Billigfleisch produziert. Im Fokus der Kritik steht mit Tönnies der größte und vermutlich skrupelloseste Schweine-Konzern Europas.

Tönnies betreibt seit über 15 Jahren brutale Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt, ohne dass die zuständigen Behörden eingriffen, lange Jahre gar mit Billigung oder gar Subventionen von Staat und Kommunen.


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Das Nachspiel einer erfolgreichen Schlachthof-Besetzung

Vor dem Düsseldorfer Büro der Wirtschaftskanzlei Eversheds Sutherland auf der Königsallee berichtete Sheila Schmidt von einem Strafverfahren, das die Aktivist*innen von Tear down Tönnies derzeit bedroht. Das Hamburger Büro von Eversheds (Mandat: Stephan von Marschall) will mit für Tönnies 40.000 Euro für eine erfolgreiche Besetzung des Tönnies-Schlachthofs Thomsen am 21.10.2019 in Kellinghusen eintreiben. Die Demonstrant*innen forderten Tönnies auf, dieses Ansinnen aufzugeben, andernfalls werde man die Prozesstermine nutzen, um die Schweinereien des Konzern an die große Glocke zu hängen.

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Kurz vor der Kommunalwahl: Konkurrenz zu Habeck

Zwei Tage vor der Kommunalwahl NRW lautete die Botschaft: „Keine Stimme für Parteien und Kandidat*innen, die mit dem System Tönnies kungeln!“
Während die Grüne Lichtgestalt Robert Habeck parallel eine Wahlkampfveranstaltung in Düsseldorf abhielt und die Fahrrad-Demonstration „Ciritical Mass“ den Weg unter großem Hallo kreuzte, nahm am Ende sogar ein/e Düsseldorfer Oberbürgermeister-Kandidat/in ein Bad in der Menge: Mique Mirus von der Partei „Die Partei“.

Gegen die Untätigkeit der Behörden: Unterschriften an NRW-Arbeitsminister übergeben.

Ministerialdirigent Markus Leßmann (Abteilungsleiter Arbeitsschutz) nahm die ersten 992 Unterschriften der Petition System Tönnies stoppen! Schlachthof-Sumpf austrocknen! entgegen. Zur Fotogalerie

Am 11. September 2020 um 12:30 Uhr übergab die aktion./.arbeitsunrecht mit Unterstützung des Bündnis gegen die Tier-Industrie Unterschriften an das NRW-Arbeitsministerium. Das selbstgesteckte Ziel von 1.111 Unterzeichnenden wurde erst am Wochenende erreicht, auch weil es Probleme mit der Technik gab. (Einige Dutzend Personen scheiterten aus ungeklärten Umständen an der Bestätigung ihrer Email-Adresse.)


WICHTIG: Die Unterschriften-Aktion läuft weiter! Hier > unterschreiben


Die nächste Unterschriften-Übergabe soll 2021 direkt an NRW-Arbeitsminister Laumann erfolgen.

Leßmann machte deutlich, dass sein Dienstherr Karl-Josef Laumann (NRW-Arbeitsminister, CDU) ein großes Interesse an einer wesentlichen Verbesserung der elenden Lage von Wanderarbeiter*innen in der Fleisch-Industrie habe. Er sähe in dem geplanten Arbeitsschutzkontrollgesetz zur Verbesserung der Arbeitsverhältnisse in der Fleischindustrie einen substantiellen Fortschritt. Laumann habe maßgeblich an dem Gesetz mitgewirkt. Leßmann strich heraus, dass seine Behörde bereits im August 2019 eine große Kontrolle der NRW-Schlachthöfe veranlasst habe.

Der Presse-Sprecher der Aktion gegen Arbeitsunrecht, Elmar Wigand, kritisierte, dass die Kontrollen nach einem Jahr immer noch keine messbaren Ergebnisse hervorgebracht hätten. Wigand erläuterte, dass es sich bei der angeblichen Werkvertragsarbeit bei Tönnies tatsächlich um illegale Arbeitnehmerüberlassung handele. Dadurch seien den Arbeiter*innen, den Sozialkassen und dem Staat Löhne, Lohnsteuern und Sozialabgaben entgangen — vermutlich in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe.

Die Petition der Aktion gegen Arbeitsunrecht kritisiert die Untätigkeit der NRW-Behörden bei der Strafverfolgung von organisierter Unternehmerkriminalität. Hinzu käme organisierter Mietwucher — eine schwere Straftat. Die aktion ./. arbeitsunrecht hat Mietwucher und Schein-Werkverträge ebenso bei den Behörden angezeigt wie eidesstattliche Falschaussage von Tönnies-Subunternehmern.

Die geplante Gesetzesänderung dürfte keineswegs als Generalamnestie für bisherige Delikte genutzt werden. Ferner seien Schein-Werkverträge und Leiharbeit durch sachgrundlose Befristung und Kettenbefristung relativ leicht zu umgehen. Auch diese arbeitsrechtlichen Grausamkeiten müssten verboten werden. Der Gradmesser für faire, erträgliche Arbeitsbedingungen seien aktive Betriebsräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Nur eine unabhängige, frei gewählte Interessenvertretung der Beschäftigten garantiere zudem innerbetrieblichen Arbeitsschutz und die Einhaltung von Arbeitsrechten und -standards. Erstaunlicherweise spielten sie in dem geplanten Gesetz aber keinerlei Rolle.

Leßmann und die Aktivist*innen gingen mit der Erwartung auseinander, weiter am Ball zu bleiben und voneinander zu hören.

Schlachthof-Sumpf, Behördendickicht und bürokratisches Hütchenspiel

Einmal mehr wurde ein Problem deutlich, das sich als bürokratisches Hütchenspiel beschreiben lässt. Die Verantwortlichkeiten für Ermittlung und Strafverfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sind unklar, werden hin und her geschoben – teils aus Desinteresse, teils mit Absicht, teils aus der ihnen innewohnenden Trägheit der Apparate.

Die ohnehin relativ geringe Energie der Verantwortlichen zur Aufklärung und Ahndung verliert sich in einem Behörden-Dickicht aus Staatsanwaltschaften, Arbeitsschutz-Abteilungen der Regierungspräsidien, dem Zoll. Weisungsbefugt sind zwei NRW-Landesministerien — das Justizministerium (für unterlassene Strafverfolgung von schweren Straftaten Mietwucher und die überfällige Einrichtung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften etc.) und das NRW-Arbeitsministerium (für zu wenige Kontrollen zum Arbeitsschutz) — sowie der Bundesinnenminister, der den Zoll dirigieren sollte.

Hinzu müsste das Bundesjustizministerium eilen, das für eine dringend nötige Reform des Betriebsverfassungsgesetzes zuständig wäre, damit aktive Betriebsräte endlich effektiv gefördert und geschützt würden. Zudem gilt es Betriebsratsgründungen zu ermutigen, damit die Zahl der Betriebsräte (derzeit schätzungsweise unter 7% der wahlberechtigen Betriebe) auf ein Maß steigt, das demokratischen Standards halbwegs genügt. Es gibt also einiges zu tun.

Unklar ist, an welcher Stelle und von wem genau die Behörden möglicherweise gezielt ausgebremst werden und wie das System Tönnies auf die Entscheidungsträger hinwirkt. Möglicherweise heißt das Problem Armin Laschet (NRW-Ministerpräsident, CDU).

Langer Atem gefragt

Die aktion ./. arbeitsunrecht wird dran bleiben und sowohl den Schlachthof-Sumpf als auch das Behörden-Dickicht analysieren und Druck ausüben, damit sich etwas verändert. Gefragt sind Transparenz, Öffentlichkeit, Analyse und Kritik. Und vor allem ein langer Atem.

Der Aktionstag am 11. September 2020 hat auf verschiedenen Ebenen Druck entfaltet. Auf der Straße, in der medialen Öffentlichkeit, gegenüber einer zuständigen Behörde. Die Botschaft dürfte angekommen sein.

Presse-Blockade durch WDR und regionale Zeitungen

Am 11. September 2020 gab es eine völlige Fehlanzeige zu beklagen: Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und privatwirtschaftlichen Zeitungskonzerne. WDR, ZDF entschieden sich, unsere Einladung zu den drei oben genannten Terminen (Pressekonferenz, Unterschriften-Übergabe, Demo) geflissentlich zu ignorieren, obwohl sie fußläufig vor ihrer Haustür stattfand. Lediglich linke und alternative Medien jenseits des journalistischen Mainstreams und regionaler Monopole berichteten (junge Welt, Neues Deutschland, nrhz, nachdenkseiten). Warum das so war, müssen wir noch heraus bekommen.

Ein Overload an Veranstaltungen vor der NRW-Kommunalwahl kann diese Totalblockade nicht erklären.

Insbesondere der WDR kann sich eine solche Ignoranz eigentlich nicht leisten. Wie sollen wir eine solche Institution in Zukunft gegen Angriffe von Rechts (AfD, Identitäre Bewegung etc.) verteidigen, die ihre völlige Abschaffung fordern? (Die Folge wäre der totale Erdrutsch in Richtung Bild, RTL, Yutube und Amazon Prime) Der WDR steckt in einem Dilemma: Vermutlich ist der WDR selbst Teil des oben geschilderten Behörden-Dickichts.

Die größte Sendeanstalt Europas ernährt sich auf der anderen Seite durch eine sozial ungerechte und in der arbeitenden Bevölkerung tendenziell verhasste Kopfpauschale (GEZ). Wir sollten in Zukunft auf eine erkennbare Gegenleistung für unsere Gebühren pochen. Dabei erwarten wir keine Hofberichterstattung – Kritik ist erwünscht -, sondern einfach nur angemessen aufzutauchen.


Pressespiegel


Fotogalerie

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