Ätzende Methoden gegen Betriebsratsgründung

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Ruppig und häufig illegal sind die Versuche, die Gründung eines Betriebsrats zu torpedieren – mithilfe professioneller Berater.

achtung-union-busting03Bei einem internen Workshop der IG Metall stellte ein Gewerkschaftssekretär im November 2012 folgende Beobachtung in den Raum: „Die Gründung eines Betriebsrats kommt heutzutage in vielen Fällen einem Arbeitskampf gleich – und der Konflikt wird von Arbeitgeberseite auch genauso geführt.“

Es gibt verschiedene Gemengelagen, aus denen heraus die Personalmanager oder Geschäftsführer eines Unternehmens die Gründung eines Betriebsrats in ihrem Haus grundsätzlich ablehnen. Insbesondere, wenn mehrere der unten genannten Faktoren zutreffen, müssen Betriebsratsneugrüngung als riskant gelten:

– Eine patriarchale Unternehmensführung über mehrere Generationen
Provinzielle Abgeschiedenheit des Unternehmens
Keine Tarifbindung vorhanden oder Dumping-Tarife mit gelben Gewerkschaften
– Beteiligung von aggressiven Finanzinvestoren (Hedgefonds, Private Equity…)
– Anstehender Verkauf oder Umstrukturierung zwecks Weiterverkauf
Strukturelle Krise des Unternehmens, der Region oder der gesamten Branche
– Anstehende Massenentlassungen
– gewerkschafts- und mitbestimmungsfeindliche Unternehmenskultur mit internationaler Dimension

Union Busting Beratung durch Arbeitsrechts-Profis

Wer einen Betriebsrat verhindern will, kann in Deutschland im Internetzeitalter auf ein breit gefächertes Informationensangebot zurück greifen. Explizite Angebote in der Richtung machen die Kanzleien Helmut Naujoks, Hamburg und Dirk Schreiner + Partner aus Attendorn. Letztere sind mit einem Team aus 15 Juristen und Regionalbüros in Köln, München, Hamburg und Dresden bundesweit aktiv – sowohl als Anwälte, aber auch als Referenten, Inhouse-Coaches und Anti-Organizing-Berater hinter den Kulissen. Selbstbewusst geben sie an, dass sie inzwischen ca. 350 Veranstaltungen im Jahr bestreiten und seit 2001 mehrere tausend Führungskräfte der deutschen Wirtschaft geschult hätten. Das erscheint durchaus möglich.


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296px-Gelbes_Hinweisschild_Achtung_ElektrozaunWer sich nicht mit bundesweit verrrufenen Union Bustern gemein machen möchte, dem können bei Bedarf auch Anwälte seriös auftretender Kanzleien bis hin zu den Arbeitsrechtsabteilungen markführender Großkanzleien aushelfen. Man könnte auch Prof. Burkhard Boemke (Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Leipzig, Mitinhaber der Kanzlei Boemke und Partner) fragen. Boemke ist häufiger Referent der in Bonn beheimateten BWRmed!a Akademie. Bei deren „Arbeitgebertagen zum Brennpunkt Betriebsrat“ (10. – 11. September 2013 in Hamburg) wurden laut Ankündigungstext Arbeitgeber und Personalleiter auf die bevorstehenden BR-Wahlen 2014 vorbereitet. Professor Boemke referierte: „So bekommen sie den Betriebsrat, den Sie sich wünschen“. Darin: „Abbruch der Betriebsratswahl: So stoppen Sie die Wahl per einstweiliger Verfügung“ und „Wenn Ihnen der gewählte Betriebsrat nicht passt: Wahlanfechtung als Rettungsanker“. Einen Tag später lautete sein Referat: „Kündigung der Unkündbaren‘: So trennen Sie sich selbst von Betriebsratsmitgliedern & Co.“ (siehe Veranstaltungsankündigung, pdf)

Welche Methoden sind feststellbar?

Als Königsweg zur Betriebsratsverhinderung kann die Umstrukturierung des Unternehmens gelten. Sie wird wirtschaftlich begründet, Unternehmensberater und entsprechend lautende Expertisen können hinzu gekauft; der Zusammenhang mit der Abwehr von Mitbestimmung und Organisierung ins Reich der Fabeln verwiesen werden. Durch geschicktes Teile und Herrsche kann ein Unternehmen gezielt und relativ geräuschlos organisierte Kerne von Belegschaften zerschlagen, die Belegschaft neu zusammen setzen und Meinungsführer in entlegene Abteilungen abschieben. Der Chef des sauerländischen Betonteile-Herstellers KMB drohte, nach einer zunächst erfolgreichen Betriebsratsgründung, mit der radikalsten Variante: Insolvenz des gesamten Unternehmens. Als die IG BAU-Mitglieder in Streik traten, neben der Betriebsführung nach Gutsherrenart wollten sie auch die Tarifvertragsfreiheit beenden, machte er Ernst und überführte sein Unternehmen in eine an gleicher Stelle tätige Firma namens Kombiton, die er wenige Monate vorher zu diesem Zweck gegründet hatte. Dabei übernahm er keine Streikenden. Als das durchsichtige Manöver vor Gericht scheiterte, führte Hermann Jakobs auch die neue Firma in die Insolvenz. Das Mandat hatte Prof. Friedrich Meyer, Kanzlei Meyer Arbeitsrecht Paderborn. Diese Art von Harakiri ist einigermaßen selten, aber zumindest als Drohung öfters zu finden.
Zur häufigen Begleitmusik gehören Schreckensszenarien wie diese: So verbreitete der israelische Feuchtartikelhersteller Albaad im münsterländischen Ochtrup die Drohung, dass wichtige Betriebsteile in Ausland verlagert würden, falls ein Betriebsrat gewählt würde (siehe Ruhrnachrichten vom 28. 12. 2012). Das Leipziger Callcenter TAS AG drohte mit einem möglichen Absprung von Kunden und der Schließung von ganzen Abteilungen (Mandat: André Gottschalk, Kanzlei Prof. Dr. Bischoff & Partner, Köln).

Negative Koalitionsfreiheit, oder: Das Recht ohne Betriebsrat zu bleiben

Vollkommen entgegen deutscher Rechtslage versuchen aggressive Unternehmer und ihrer Berater häufig eine Art Recht auf Betriebsratsfreiheit geltend zu machen. Nach dem Tenor „Die Gewerkschaft will uns von außen etwas aufzwingen, das sie Mehrheit ablehnt“ können so mitunter beachtliche Teile einer Belegschaft in Rage versetzte werden. So schrieb die Geschäftsführerin des Verbands Trierer Unternehmen (VTU), Sabine Plate-Betz, im Juli 2012, in  einem Leserbrief an den Trierischen Volksfreund: „Darüber hinaus hat die IG Metall bei ihren aufdringlichen Mitgliederwerbungen übersehen, dass Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes auch die negative Koalitionsfreiheit garantiert, nämlich das Recht des Einzelnen, kein Mitglied einer Gewerkschaft zu werden.“ Es ging um einen erbitterten Konflikt um die am Ende erfolgreiche BR-Gründung beim Schaltkästen-Bauer Natus, dessen Geschäftsführer Frank Natus zugleich Vorsitzder des örtlichen Unternehmerverbandes war. Die Umdeutung des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit als Recht, ohne Betriebsrat zu bleiben, leitet sich vermutlich aus einer Übertragung der us-amerikanischen „Right-to-work“-Bewegung nach Deutschland ab. Gemeint ist damit kein „Recht auf Arbeit“, wie der Wortlaut nahe legt, sondern das vermeintliche Grundrecht, als freier einzelner Arbeiter ohne Belästigung von Gewerkschaften und Tarifverträgen individuell seinen Lohn auszuhandeln und als Streikbrecher ungehindert das Unternehmen zu betreten. Inzwischen haben 24 von 50 US-Bundesstaaten eine entsprechende Right to work Gesetzgebung installiert. In Deutschland ist die Rechtslage aber völlig anders. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sieht den Betriebsrat ausdrücklich als Regel vor. Wenn nur drei Beschäftigte das wünschen, ist ein Betriebsrat zu wählen. Es gibt kein Recht, betriebsratsfrei zu bleiben.

Intensive Bearbeitung von Belegschaft und Kandidaten

Auf dem Weg vom Ersten Aushang zur Wahl eines Wahlvorstands bis zur letztendlichen Betriebsratswahl haben Unternehmer mindestens zwei Wochen, oft aber länger Zeit, zu intervenieren. Diese wird intensiv genutzt. Die modulare Kombination und intensive Verschränkung verschiedener Methoden, samt propagandistischer Beeinflussung kann eine Belegschaft in regelrechte Hysterie versetzen und im Betrieb Spannungen erzeugen, die bis zu körperlicher Gewalt gehen. Folgende Methoden sind nachweisbar:

Verplichetend angeordnete Belegschaftsversammlungen

Die Geschäftsführung schwört die Belegschaft gegen die Betriebsratsgründer und die Idee des Betriebsrats ein. Eleganter und wirkungsvoller als eine direkter Auftritt der Führungspersonals ist es, wenn gewerkschaftsfeindliche Meinungsführer aus der Belegschaft die Rede führen. Sie werden vorher entsprechend gebrieft. Oft wird die Belegschaft für solche Versammlungen strategsich aufgeteilt: Die Energie konzentriert sich auf potentielle Wackelkandidaten. Oder es werden bestimmte Abteilungen oder auch Nationalitätengruppen gezielt bearbeitet. Die Methode stammt aus den USA, ist dort das am häufigsten verwendete Mittel und wird im Fachbegriff „captive audience meeting“ genannt.

Einzelgespräche

Hier werden sowohl Konsequenzen angedroht, als auch Vergünstigungen angeboten. Oft auch Telefonanrufe nach Feierabend. US-amerikanische Berater setzen auch Hausbesuche ein, manche versuchen gar die Ehefrauen zu beeinflussen, wärend die Männer arbeiten.

Kündigung der Betriesratsinitiatoren und möglicher Sympathisanten

Dies kann ohne Begründung geschehen. Dass eine Kündigung vor Gericht kassiert wird, ist in solchen Fällen zweitrangig. Es geht primär um schnellen Zeitgewinn und maximale Zermürbung. Es können auber auch – mit Hilfe von Detektiven und verdeckten Ermittlern – gezielt Indizien für fristlose Kündigungen gesammelt bzw. konstruiert werden. Oft sind Wellen von unsubstantiierten Abmahnungen und Kündigungen zu beobachten.

Versetzung der Betriebsratsinitiatoren, um sie zur Aufgabe zu zwingen

Ein Metallbetrieb schickte einen teilerziehenden Familienvater auf Montage, so dass er seine Tochter nicht mehr von der Kita abholen konnte. Ein marktführender Discounter versetzte eine allein erziehende Betriebsratsgründerin in eine entlegene Filiale, so dass sie mit dem Bus erst nach Mitternacht zu Hause war.

Herauskaufen der Betriebsratsinitiatoren durch hohe Abfindungen

Ist die Wahl eines Wahlvorstandes nicht zu verhindern – häufig wird er in solchen Fällen auf Antrag der Gewerkschaft vom Arbeitsgericht eingesetzt, kann die Wahlversammlung zum Show-down aufgebaut und die Wahl gezielt in im Chaos versenkt werden. Leitungspersonen weigern sich den Saal zu verlassen, oder kandidieren – beides entgegen der Bestimmungen des BetrVG. Claquere inszenieren Sprechchöre, Angestellte stimmen mehrfach ab. Solche und ähnlichs Störmanöver, die deutliche Anzeichen dramaturgischer Planung trugen, fanden laut Presseberichten z.B. bei Natus in Trier, Albaad in Ochtrup oder A.T.U. an den Standorten Werl und Weiden statt. Die perfide Wendung des insznierten Chaos: Die Geschäftsleitung kann die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten anfechten.

Zermürbungstaktik im ersten Jahr

Ist die Wahl eines Betriebsrats zunächst nicht zu verhindern, setzen aggressive Unternehmen auf intensive Zermürbung der Betriebsratsmitglieder innerhalb des ersten Jahres. Häufig kommt es dabei zu Belegschaftsinitiativen die mehr oder weniger offen von der Geschäftsleitung und Union Busting Beratern angeleitet werden. Unterschriften gegen den Betriebsrat werden gesammelt, Plakate aufgehängt mit Slogans wie „Betriebsrat ja, aber nicht diesen“. Das Unternehmen aktiv Gebäudereinigung in Kamp-Lintfort, das von Schreiner + Partner beraten wurde, organiserte gar eine Demonstration aufgepeitschter Mitarbeiter zum Betriebsratsbüro, die bedrohliche bis gewaltätige Züge annahm.

Schikanen, Mobbing, Wellen von Abmahungen

Gepaart werden diese Maßnahmen mit gezielten Schikanen gegen einzelne BR-Mitglieder. So sind Fälle bekannt, etwa vom Kantinen-Betreiber Eurest, inden BR-Mitglieder gegen ihren Willen von der Arbeit freigestellt wurden. Nicht wenige werden mit mutwillig konstruierten Abmahnungen und Kündigungen überzogen, andere mit Anweisung zu unsinnigen Arbeiten, Mobbing. Zum Programm gehören auch verspätete Lohnzahlungen, Nicht-Bewilligung von Fortbildungen, Vorenthalten adäquater Büros und Computer etc. So kann es gelingen, nach und nach so viele BR-Mitglieder und gewählte Nachrücker zur Aufgabe zu bringen, oder zu kündigen, dass sich das Gremium mangels Personen auflöst.

Gelingt das nicht, dürfte bei der nächsten Wahl die Aufstellung gelber unternehmer-freundlicher Listen auf der Tagesordnung stehen.

Elmar Wigand

Der Beitrag erschien in einer – aus Platzgründen – gekürzten Version im Magazin Mitbestimmung 03/2014 (Hans-Böckler-Stiftung)


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4 Kommentare

  1. Danke für die wertvollen Tipps. Leider haben wir hier auch ein paar solche Aufrührer im Betrieb, ich bin aber zuversichtlich, dass sich einige der hier vorgeschlagenen Methoden auch bei uns anwenden lassen und wir sie damit loswerden.

  2. Hallo,hallo.Aktuell bin ich als gewillter Betriebsratgründungsplaner betroffen.Innerhalb 14Arbeitstagen nach bekanntwerden meiner Absicht wurde mir unter fadenscheinigen mündlichen Angaben fristgerecht gekündigt mit sofortiger Befreiung vom Dienst und ausgesprochenen Hausverbot.Die Abwicklungsvereinbarung ist lächerlich,in der man mir eine gleichwertige Stelle im wesentlich weiter entfernten Ort anbot,mit der weisen Voraussicht,das diese Stelle nicht annehmen kann.Und man meint,der Arbeitnehmer wäre so dumm wie sie selbst.Schrecklich,mit was für Machenschaften diese Unternehmen agieren.Aber von MA Menschlichkeit und würdevollen,würdigen Umgang miteinander verlangen.

  3. Liebe KollegInnen-
    all die oben beschriebenen Kampfmittel der Arbeitgeber finden auch im Bereich der Altenpflege statt. Meine BR- Kolleginnen und ich mussten das als Beschäftigte der omnicare GgmbH – eine Tochter der AWO- Thüringen- erfahren.
    Die Kanzlei Hanke & Matzky in Weimar versuchte es mit Druckkündigung und verhaltensbedingter Kündigung meiner Person. Der Arbeitgeber mit unsubstantiierten Abmahnungen und massiven Mobbingaktionen gegendie anderen BR- Mitglieder. Auch wurden Kolleginnen als Wortführer gegen den BR auf Betriebsversammlungen von der Geschäftsführung angestiftet.
    Gerade in der Pflege wären funktionierende Interessenvetretungen für mittelfristig endlich bessere Arbeitsbedingunen dringend notwendig.
    Aber dem Geschäftsführer Michael Hack in Erfurt passte die ganze Richtung nicht. Er setzt in Thüringen auf „Tarifverträge“ mit der gelben „Gewerkschaft“ DHV:
    Grüße von Ino
    (Ex- BR omnicare)

  4. Guter Artikel, der Mal endlich die Wahrheit aufzeigt! Wir haben auch lange um unseren Betriebsrat gekämpft und siehe dann nun haben wir ihn und wir sind sehr zufrieden……. http://www.ifb.de/betriebsrat/ hat uns dabei mit vielen guten Infos versorgt und jetzt heißts ran an den Speck! 🙂

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