#Freitag13: Verfahren gegen Gewerkschafter eingestellt

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Trotz großer Solidarität: Tübinger Verfahren wegen Protest gegen Real endet leider gegen Geldauflage

Über 100 Menschen protestierten am Morgen des 02.01.2019 gegen einen Strafbefehl über 1400,-€, den die Tübinger Staatsanwaltschaft gegen den DGB-Gewerkschafter Tobias K.  verhängt hatte.

Zur Überraschung vieler Unterstützer*innen stimmte Tobias K. einer Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage von 300,- € an den Tübinger Arbeitslosentreff zu. Tobias K. sagte, er sehe nicht ein, „dass für die Gesichtswahrung der Staatsanwaltschaft, die zwar kleinlaut geworden ist, aber anscheinend immer noch nicht vollständig dazugelernt hat, weiterhin staatliche Ressourcen und menschliche Energie in einer angedrohten Berufung verschwendet werden“. Er wolle „weiteren kleinkarierten und unvernünftigen Verfolgungsmöglichkeiten durch die Staatsanwaltschaft“ keine neuen Chancen geben.

Bei einer spontanen Spendensammlung vor dem Gerichtssaal kam mehr als die benötigte Summe zusammen. Die Verhandlung musste wegen des sehr großen Andrangs in den Schwurgerichtssaal des Landesgerichts verlegt werden, da sonst viele der Besucher*innen nicht untergekommen wären.

Absurder Anlass: Am 13.07.2018 hatte Tobias K. mit weiteren Unterstützer*innen am Schwarzen Freitag #Freitag13 gegen Tarifflucht bei Real Flugblätter verteilt (mehr zu den Hintergründen) und anschließend noch ein Erinnerungsfoto geschossen.


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Papier ist geduldig

Daraus konstruierte die Staatsanwaltschaft Tübingen unter dem Leitenden Oberstaatsanwalt Prof. Dr. Michael Pfohl  eine nicht angemeldete zwölfminütige Kundgebung mit 3 Teilnehmern (siehe Freitag13: Absurde Strafbefehl gegen Gewerkschafter vom 27.12.2018).

In der Verhandlung wurde deutlich, dass die Vorwürfe keine Substanz hatten und keine Versammlung vor dem Real-Markt stattgefunden hat. Dies wurde von Zeugen bestätigt. Auch der als Zeuge vernommene Polizist bestätigte, dass es zu dem Zeitpunkt, als er vor dem Supermarkt eintraf, keine Versammlung gegeben habe.

Staatsanwalt Tobias Freudenberg ließ dennoch durchblicken, dass er einen Freispruch nicht akzeptieren und in die Revision gehen würde. Für diesen Fall hatte die aktion ./. arbeitsunrecht Tobias K. vorab ausdrücklich versichert, alle Kosten der zweiten Instanz zu tragen. Die Initiative sammelt über den Fonds Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt Spenden, um Personen zu unterstützen, die wegen unternehmenskritischer Äußerungen mundtot gemacht werden sollen.

Politischer Tiefschlag

Dass ein verfolgungswütiger Staatsanwalt hier eine vergleichsweise hohe Geldauflage durchsetzen konnte, obwohl es jeder rationalen Grundlage für den vorhergehenden Strafbefehl entbehrte, ist allerdings alarmierend. Das darf nicht Schule machen. Sonst sendet dieses Verfahren am Ende ein zutiefst schädliches Signal an Bürgerrechtler*innen: Eine Strafverfolgung ist auch ohne konkreten Anlass jederzeit möglich. Es wäre wichtig gewesen, hier auf einem Urteil zu bestehen.

Eine Anmerkung des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten stimmt zusätzlich bedenklich: Offensichtlich ist die Polizei schon vor Beginn der Aktion, ohne von der Leitung des Real-Supermarktes gerufen worden zu sein, vor dem Supermarkt in Weilheim Streife gefahren. Zum Anlass diente angeblich eine Meldung auf der Website von aktion ./. arbeitsunrecht, dass auch in Tübingen eine Protestaktion stattfinden sollte. Offenbar standen wir unter gezielter Beobachtung von Behördenverantwortlichen, die die Polizei als eine Art steuerfinanzierter Security von Konzernen wie der Metro AG betrachten.

Gewerkschafter*innen kritisieren Arbeitsbedingungen bei Real

Verschiedene Gewerkschafter nahmen den Verhandlungstermin zum Anlass, die Gründe für die bundesweiten Protestaktionen am 13.07.2018 in den Fokus zu rücken.

Benjamin Stein von ver.di Fils-Neckar-Alb erläuterte, das die Politik der Metro AG für die Beschäftigten der Real Supermärkte auf Lohndumping und massive Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hinauslaufen. Der katholische Sozialethiker Prof. Matthias Möhring-Hesse betonte die massiven wirtschaftlichen Folgen der Tarifflucht für die  Beschäftigten und wertete sie als direkten Angriff auf die Würde der Lohnabhängigen.

In seiner Moderation machte Ralf Jaster für den DGB Kreisverband deutlich, dass der massive Angriff auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen das eigentliche Verbrechen ist und nicht der Protest dagegen.


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