Frontberichte 03/2021: Securitas, Magna, Asklepios, Gemüse Wagner

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Presseschau: Betriebsratsbehinderung und Union Busting in Deutschland

Securitas Aviation mit Sicherheit schlechte Arbeitsbedingungen und Union BustingPolitikaner, Airport Munich innen 2009 PD 20090404 025, CC BY-SA 3.0
  • Securitas Aviation / Stuttgart/Köln: Union Busting am Flughafen
  • Magna / Köln: Rassismus und Einschüchterungsversuche gegen den Betriebsrat
  • Asklepios / Hamburg: Asklepios im Kampf gegen Whistleblowerin
  • Gemüse Wagner / Mamming: Kriminelle Machenschaften und Ausbeutung von Erntehelfern

Union Busting am Flughafen durch Securitas Aviation

Die Securitas Gruppe ist eines der größten Unternehmen für private Sicherheitsdienste in Europa. Mit Securitas Aviation ist sie auch an zahlreichen Flughäfen für die Sicherheit zuständig. Allerdings scheinen gute Arbeitsbedingungen und aktive Betriebsräte nicht in das Konzept von Securitas Deutschland unter der Leitung von Herwarth Brune (früher Chef der Manpower Leiharbeitsfirma) zu passen. Wie sehr sich das Unternehmen an aktiven Betriebsräten stört, zeigt das Vorgehen an den Flughäfen Stuttgart und Köln/Bonn. 

Mit Privatdetektiven gegen den Betriebsrat

In Stuttgart ließ das Unternehmen Teile des Betriebsrates seit Sommer 2020 durch die Stuttgarter Detektei LS Security Solution GmbH umfassend überwachen, um auch nur bei der kleinsten Verfehlung einen Vorwand für konstruierte Kündigungen oder andere arbeitsrechtliche Schikanen zu haben. Dabei umfasste die Überwachung nicht nur die Arbeits- und Pausenzeiten, der Betriebsratsvorsitzende wurde über Monate auch bis in das Privatleben hinein überwacht. Durch die Dauerüberwachung wollte die Geschäftsführung die Betriebsratsmitglieder mutmaßlich zudem psychisch zermürben, damit diese über kurz oder lang dem Druck nicht mehr standhalten und das Unternehmen „freiwillig“ verlassen. 

Der Stuttgarter Rechtsanwalt Uwe Melzer von der Kanzlei Melzer Kempner Braun, der den Betriebsrat und den Vorsitzenden rechtlich vertritt, sieht in der anlasslosen Überwachung eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung und zugleich eine schwere Verletzung des Benachteiligungsverbotes des Betriebsrats. Das Ziel dieser Maßnahme scheint unterdessen klar zu sein: „Durch die Überwachung sollte offensichtlich ohne konkreten Anlass ein fristloser Kündigungsgrund gefunden werden“ so Melzer. 

Kündigungsversuche mit Hilfe internationaler Rechtsanwaltskanzlei

Als Ergebnis der Überwachung hatte Securitas dem Betriebsrat am Stuttgarter Flughafen kurz vor Weihnachten eine Anhörung für eine fristlose Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden vorgelegt. Securitas wirft dem Betriebsratsvorsitzenden darin eine nicht angezeigte Nebenbeschäftigung vor. Ein schwacher Versuch, da diese Nebenbeschäftigung belegbar bereits vor sechs Jahren angezeigt wurde und das Beschäftigungsverhältnis zudem beendet ist.


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Nachdem der Betriebsrat seine Zustimmung zur Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden verweigert hat, versucht Securitas diese Zustimmung nun im Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Stuttgart ersetzen zu lassen. Ein erster Gütetermin fand am 15. Februar 2021 statt.

Securitas hat dafür die international tätige Wirtschaftskanzlei Eversheds Sutherland mit der Rechtsvertretung in diesem Fall beauftragt. Die weltweit agierende Kanzlei hat sich im Umgang mit Betriebsräten auch in Deutschland bereits einen zweifelhaften Ruf erarbeitet. So wurde die Kanzlei 2018 zum Beispiel von Amazon am Standort Pforzheim mit der Kündigung eines Betriebsratsmitglieds und aktiven Gewerkschafters beauftragt. Auch für Tönnies und Tesco war die Kanzlei in Sachen Union Busting bereits tätig. Die zuvor von Securitas eingesetzte Kanzlei Wolf & Machel hat der Konzern vom Mandat entbunden. Waren die Rechtsanwälte etwa nicht Skrupellos genug? 

Am Standort Stuttgart gibt es zudem seit einiger Zeit eine Auseinandersetzung über eine Betriebsvereinbarung zum Thema Kurzarbeit. Securitas will diese nach nur einer Verhandlungsrunde nun von einer Einigungsstelle regeln lassen. 

In der jüngeren Vergangenheit waren Unternehmen des Securitas Konzerns immer wieder in die Schlagzeilen geraten, weil die Unternehmensführungen gegen unliebsame Betriebsratsmitglieder und Gewerkschafter vorgingen. So spionierte die hauseigene Privatdetektei Pinkerton Consulting & Investigations Inc. verschiedene Standorte und Belegschaften von Amazon in deren Auftrag aus und dokumentierte gewerkschaftliche Aktionen. 

Union Busting auch am Flughafen Köln/Bonn

Auch am Flughafen Köln/Bonn scheint Securitas von Mitbestimmungs- und Arbeitsrechten nichts wissen zu wollen. So versuchte Securitas auch hier eine Betriebsvereinbarung zum Thema Kurzarbeit einseitig zu diktieren und wollte sich auf keine Verhandlungen mit dem Betriebsrat einlassen, musste schließlich jedoch zurückrudern.

Zu Beginn der dann startenden Verhandlungen über die Betriebsvereinbarung legte die Geschäftsführung fünf Anhörungen zu betriebsbedingten Kündigungen vor, um den Betriebsrat und die Belegschaft von Anbeginn einzuschüchtern und unter Druck zu setzen. Ausgesprochen hat das Unternehmen schließlich keine der Kündigungen. 

Ende Mai 2020 verweigerte Securitas dann die Unterschrift unter der fertigen Betriebsvereinbarung und sprach 17 neue betriebsbedingte Kündigungen aus. Ende Juni 2020 hat Securitas die zweite Kündigungswelle durchgeführt und 12 weitere betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Bei beiden Kündigungsterminen hat die Securitas Geschäftsführung darauf geachtet jeweils unter 10% Personalabbau zu bleiben und dadurch eine Anzeigepflicht nach dem Kündigungsschutzgesetz zu umgehen. 

Nach zweitägigen Verhandlungen vor der Einigungsstelle Ende Juli 2020 erreichte der Betriebsrat mit Unterstützung der Kanzlei Schwegler Rechtsanwälte eine Einigung, mit der Securitas zudem gezwungen wurde die ausgesprochenen Kündigungen zurück zu nehmen und bis zum Auslaufen der Kurzarbeit auf weitere betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. 

Aktuell soll Securitas laut der Gewerkschaft Verdi versuchen die Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit zu umgehen, indem sie die Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall zu Lasten der Beschäftigten systematisch falsch abrechnet. 

Securitas Aviation ist Teil der Securitas Holding GmbH die zum schwedischen Securitas AB Konzern gehört. Nach eigenen Angaben ist Securitas Deutschland der größte Dienstleister im privaten Sicherheitsgewerbe in Deutschland. Der Konzern beschäftigt in Deutschland rund 21.500 Menschen und erwirtschaftete 2019 einen Jahresumsatz rund 912 Millionen Euro. Weltweit arbeiten rund 370.000 Menschen für Securitas. 

Quellen: 

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Rassismus und Einschüchterungsversuche bei Magna

Bereits im September 2020 berichteten wird über die üblen Machenschaften des Automobilzulieferers Magna Seating (Germany) GmbH in Köln (Frontberichte 10/2020). Nach anhaltenden Versuchen betriebliche Mitbestimmung durch militärisches Gehorsam zu ersetzen und mit „falschen Zeugen“ Betriebsratsmitglieder loszuwerden, geht das Union Busting bei Magna in die nächste Runde. 

International mit Rassismus gegen Betriebsrat und Gewerkschaften

Bei den zahllosen Versuchen den Betriebsrat bei Magna auflösen zu lassen oder zumindest den engagierten Betriebsratsvorsitzenden Renaldo B. loszuwerden greifen Magna und die Anwält:innen vom Unternehmensverband Kölnmetall tief in die Rassismuskiste.

So enthalten die Begründungen zur Kündigung von Renaldo B. und dem Auflösungsantrag des Betriebrates vor Gericht zahllose rassistische Formulierungen. Die Magna Anwälte machen den deutsche Sinto hier zu einem Rumänen und behaupten Betriebsratsmitglieder seien in „Drogengeschäfte und andere kriminelle Aktivitäten“ verwickelt. 

Weiter behauptet Magna in rassistischer Manier viele Mitarbeiter würden „rumänisch- und türkisch-/arabisch-stämmigen Großfamilien bzw. Clans angehören“, auch bei der Betriebsratswahl sei „eine Vielzahl von Clanmitgliedern“ aufgestellt worden, „von denen mehrere auch in den Betriebsrat gewählt wurden“.

Später nahm die zuständige Kölnmetall Anwältin diese Äußerung wieder zurück, um „keine Plattform für haltlose Diskriminierungsvorwürfe zu bieten, hält die Antragstellerin an ihrem Sachvortrag zu einem Migrationshintergrund sowie einer möglichen Clanmitgliedschaft nicht fest.“ Statt sich zu entschuldigen stellt sich die Anwältin nun selbst als Opfer dar. 

Der Internationale gewerkschaftliche Arbeitskreis Köln e.V. berichtet das Magna sehr ähnlich auch in seinem serbischen Werk in Odjica vorgeht. Hier wird der Betriebsgewerkschaftsvorsitzende Dalibor A. seit fast einem Jahr mit falschen Behauptungen vom Betriebsgelände ferngehalten. Ihm dichtet Magna laut dem Verein eine angebliche Nähe zu rechtsextremen Hooligans an. Einen Kündigungsversuch gegen Dalibor A. konnte die Industriegewerkschaft Serbiens ISS in Gesprächen mit Magna und Regierungsvertretern bereits abwehren. 

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Magna

Laut dem Kölner Verein Work Watch ermittelt nun auch die Kölner Staatsanwaltschaft gegen Magna und die dort verantwortlichen Manager. Dabei soll es unter anderem um die Straftatbestände der Behinderung der Betriebsratsarbeit, Üble Nachrede, Verleumdung und Vortäuschen einer Straftat gehen. Die Staatsanwaltschaft Köln führt die Ermittlungen unter dem Aktenzeichen 121 Js 5/20, so Work Watch. Es bleibt abzuwarten ob Staatsanwaltschaft und Gerichte bei diesen Ermittlungen auch nur einen der Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen werden. 

Ein weiterer Arbeitsgerichtstermin der für den 27. Januar 2021 angesetzt war, um über den Antrag der Magna Geschäftsführung auf Auflösung des Betriebsrat zu entscheiden, hat unterdessen nicht stattgefunden. Das Gericht hat den Termin auf unbestimmte Zeit verschoben.

Der Konzern Magna International Inc. ist einer der größten Automobilzulieferer der Welt, für den in 27 Ländern mehr als 152.000 Menschen arbeiten — davon 18.825 an 40 verschiedenen Produktionsstätten in Deutschland.

In Köln stellen rund 400 Mitarbeiter der Magna Seating (Germany) GmbH Autositze für Ford her. 2019 hat der Konzern weltweit einen Umsatz von rund 40,8 Milliarden Dollar gemacht. 

Quellen:

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Asklepios im Kampf gegen Whistleblowerin

Der Krankenhauskonzern Asklepios GmbH versuchte die Pflegerin Romana K. des Hamburger St. Georg Krankenhaus mit allen Mitteln loszuwerden, nachdem diese massive Missstände in der Klinik öffentlich gemacht hat. Wir berichteten bereits Anfang des Jahres darüber (Frontberichte 01/2021). Nun scheint es hinter verschlossenen Türen zu einer Einigung gekommen zu sein. 

Nachdem der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds Romana K. nicht zustimmte, versucht Asklepios diese nun durch das Arbeitsgericht Hamburg ersetzen zu lassen. Am 1. Februar 2021 fand nun die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht statt.

Bereits nach wenigen Minuten beendete Richterin Sabine Mascow die Verhandlung ohne Ergebnis, nachdem Asklepios Anwältin Nicola Gragert von der Kanzlei Gragert Himmelmann an der Kündigung festhalten wollte, solange Romana K. bei ihren Aussagen über die miserablen Arbeitsbedingungen bei Asklepios bleibe.

„Klärendes Gespräch“ sonst Kündigung?

Nicola Gragert bot Romana K. jedoch im Namen von Asklepios ein „klärendes Gespräch“ an, „um möglicherweise entstandene Missverständnisse auszuräumen“. Wo in diesem Fall Missverständnisse im Raum stehen könnten lies sie jedoch offen. Das nun vereinbarte Gespräch soll unter Beteiligung des Landesbezirksvorsitzenden der Gewerkschaft Verdi Olaf Harms stattfinden. Sollte es hier zu keiner Einigung kommen und Asklepios daraufhin die Klage zurückziehen, werden sich die Parteien am 20. Mai 2021 wieder vor Gericht sehen. Bis dahin haben beide Seiten Zeit ihre Sicht schriftlich dem Gericht vorzutragen. 

Asklepios versucht Romana K. ja gerade wegen ihren unmissverständlichen Aussagen über die belastende Arbeitssituation in der Asklepios Klinik St. Georg zu kündigen. Diese betreffen im Einzelnen: Zu wenige Pfle­ge­rIn­nen kommen häufig auf zu viele Pa­ti­en­tIn­nen; die Pfle­ge­rIn­nen müssen Reinigungsaufgaben übernehmen, weil es an Reinigungspersonal mangelt; und es gebe PatientInnen, die ohne pflegerische Begleitung sterben müssten.

Auch der Anwalt von Romana K. Till Hischemöller zeigte sich verwundert über das Gesprächsangebot. „Meine Mandantin steht zu ihren Aussagen und wird sie nicht zurücknehmen“, so Hischemöller. 

Trotz dieser Ausgangssituation verkündete ein Unternehmenssprecher am 17. Februar 2021, dass Asklepios nicht mehr an der Kündigung des Betriebsratsmitglieds festhalten wird. Das soll Ergebnis eines gemeinsamen außergerichtlichen Gesprächs gewesen sein. Zum aktuellen Zeitpunkt ist unklar ob Romana K. eine entsprechende Gegenleistung für die Rücknahme des Kündigungsversuchs versprechen musste. 

Alskepios begründete die Entscheidung indes damit, „das wichtige Berufsbild der Pflege zu stärken.“ 

Anwalt aus bekannter Union Busting Kanzlei nun auf Seite eines Betriebsratsmitglieds?

Ob Romana K. mit der Wahl ihres Anwalts unterdessen so gut beraten war ist zweifelhaft. Till Hischemöller ist Leiter der Niederlassungen Hamburg und Berlin der Kanzlei Wittig Ünalp, welche bundesweit für gezieltes Union Busting bekannt ist. Normalerweise arbeitet die Kanzlei auf der Seite von Großkonzernen wie Asklepios um unliebsame engagierte Betriebsräte loszuwerden (Zum Beispiel bei Oelschläger Metalltechnik GmbH und Playmobil).

Die Kanzlei um die Rechtsanwälte Maximilian Wittig und Kagan Ünalp bietet unter anderem Seminare für erfolgreiche Kündigungen an – auch von Beschäftigten mit besonderem Kündigungsschutz – und bewirbt diese im Internet (arbeitsrechts-seminare.de). Ferner schulen sie in der Erkennung von angeblichen Drückebergern und so genannten Low-Performern (Wittig Ünalp: Die Top Ten der besten Kündigungsgründe).

Die Asklepios-Gruppe ist einer der größten privaten Klinikbetreiber in Deutschland und besteht aus verschiedenen Unternehmen und Klinikgruppen. Heute betreibt die Konzerngruppe mehr als 160 Gesundheitseinrichtungen, sowie mehrere Luxushotels. Mehr als 49.000 Mitarbeiter beschäftigt der Konzern. Gründer und Gesellschafter der Asklepios Kliniken ist der Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt Bernard große Broermann. Der Konzern macht einen Jahresumsatz von mehr als drei Milliarden Euro. 

Quellen:

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Kriminelle Machenschaften und Ausbeutung von Erntehelfern

In den kommenden Monaten steht wie jedes Jahr die Erntesaison für zahlreiche Gemüse und Obstsorten an. Seit dem sich im vergangenen Jahr in zahlreichen Höfen, aufgrund der miserablen Unterbringung in überfüllten Unterkünften, hunderte Erntehelfer mit dem Coronavirus angesteckt hatten und sich in Bornheim in einem regelrechten Aufstand die ArbeiterInnen gegen Mietwucher und nicht ausgezahlte Löhne zur Wehr setzten, ist die Situation der Erntehelfer zumindest zeitweise in der Öffentlichkeit sichtbar geworden.

Wir wollen den bevorstehenden Beginn der Erntesaison in den kommenden Monaten nutzen um noch einmal auf die Arbeitsbedingungen auf vielen Höfen aufmerksam zu machen. 

1. Beispiel: Gemüsebau Wagner aus Mamming

Gleich mehrfach in den vergangenen Jahren in den Schlagzeilen war ein Gemüsehof im niederbayerischen Mamming im Landkreis Dingolfing-Landau. Im Juli 2020 infizierten sich hier 250 Erntehelfer mit dem Coronavirus. Beengte Wohnverhältnisse und die nicht Umsetzung eines Schutzkonzeptes durch die Betreiber des Großbetriebes Gemüsebau Wagner unter der Leitung von Alois Wagner führten dazu. Mehr als 500 Mitarbeiter mussten danach in Quarantäne. Der Hof war damit einer der größten „Corona-Hotspots“, direkt hinter den Tönnies-Fleischfabriken. 

Das DGB-Projekt „Faire Mobilität“ stellte auf dem Hof zudem massive Verstöße gegen das Mindeslohngesetz fest. „Die Arbeiter haben mitunter nur 6 Euro pro Stunde statt der vorgeschriebenen 9,35 Euro erhalten“, berichtet Sevghin Mayr von „Faire Mobilität“ anhand einer Kontrolle der Lohnzettel. Zudem hätten die Betreiber den vor allem aus Rumänien stammenden Erntehelfern ihre Personalausweise weggenommen und überteuerte Kosten für Unterkunft, Verpflegung und „Arbeitsvermittler“ berechnet. Der IG Bau Sekretär Alois Keller berichtet das die Zustände auf dem Hof auch der örtlichen Polizei bekannt seien, dieser die Situation aber „ziemlich egal“ sei. 

Wozu diese Ignoranz der Behörden im schlimmsten Fall führen kann, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2018 ebenfalls auf dem Hof der Wagners. Eine 34 Jahre alte, ukrainisch-ungarische Erntehelferin verstarb hier nachdem sie auf dem Gemüsehof gearbeitet hatte.

Insider des Hofes berichteten, dass sie einem Vorarbeiter gegenüber mehrmals über Schmerzen in der Brust geklagt hatte und dass sie zu spät ärztliche Hilfe erhalten habe. Laut Angaben der Insider gegenüber der taz hätten die Erntehelfer Angst gehabt, einen Krankenwagen zu rufen, weil der Landwirt immer damit gedroht habe, dass sie die 1.500 Euro für so einen Einsatz selbst bezahlen müssten. Erst nach über einer Stunde Schmerzen in der Brust hat ein Vorarbeiter die Frau ins Krankenhaus gebracht und wo sie dann verstorben ist. 

Sowohl in dem Todesfall, als auch in dem Fall des unterlaufenen Mindestlohns ermittelte jeweils die Staatsanwaltschaft Landshut und stellte in beiden Fällen die Ermittlungen ein.  Erst durch eine parlamentarischen Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian von Brunn wurde nun bekannt: Die Ermittler im Todesfall haben nur Vorgesetzte der Frau befragt. Das sich aus deren Erzählungen kein Fehlverhalten ergeben wird, hätte sicher auch vor den Ermittlungen schon klar sein können. 

2. Beispiel: Spargel Ritter in Bornheim

Die Arbeitsbedingungen und das kriminelle Verhalten von Vorgesetzten und Betreibern auf dem Hof in Mamming scheinen exemplarisch für die systematische Ausbeutung von osteuropäischen ErntehelferInnen zu sein. Ähnliches konnten wir auch im Mai 2020 auf dem Spargel- und Erdbeerhof von Claus Ritter in Bornheim feststellen. 

Während Familie Ritter auch hier die Erntehelfer mit wenigen Euros abgespeist hat ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn gegen Claus und Sabine Ritter unter anderem wegen Unterschlagung von Fahrzeugen und Bankrott. Zwischenzeitlich befanden sich deshalb beide in Zwangshaft. Auch hier wird der Umgang mit den Erntehelfern wohl kein juristisches Nachspiel haben, ähnlich wie in Mamming. 

Die beiden Fälle zeigen exemplarisch wie kriminelle Unternehmer immer wieder mit Straftaten zu lasten von ArbeiterInnen davon kommen und das Polizei und Staatsanwaltschaften kaum für Aufklärung sorgen. Um so wichtiger sind Hinweise aus Betrieben über Verstöße gegen Arbeitsrechte, Union Busting und Unternehmerkriminalität, damit wir diese öffentlich machen können. 

Quellen:


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