Frontberichte 10/2022: Ott Hydromet, Allianz, TikTok & Motor Nützel

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Presseschau: Betriebsratsbehinderung und Union Busting in Deutschland

Allianz Insurance“ (CC BY-NC-SA 2.0) by danielfoster437 Die Allianz will wieder Hoch hinaus im Versicherungsgeschäft. Beim radikalen Konzernumbau stören Betriebsrat und Mitbestimmung, daher scheinen alle Mittel Recht um gegen sie vorzugehen.

  • Ott Hydromet / Fellbach: Abfindungsangebot, Mobbing und Kündigung gegen Betriebsratsvorsitzende
  • Allianz / München: Betriebsrat stört bei Umstrukturierungen der Allianz Re – Management setzt auf  Union Busting
  • TikTok / Berlin: Erfolgreiche Betriebsratswahl im zweiten Anlauf
  • Motor Nützel / Oberpfalz: Geschäftsführung versucht zwei Betriebsratsgremien auflösen zu lassen


Gedemütigt, gemobbt und gekündigt: Ott Hydromet versucht Betriebsratsvorsitzende loszuwerden

Um die engagierte Betriebsratsvorsitzende Svetlana K. loszuwerden, scheinen den Geschäftsführern Thomas Bolling, Patrick Gierman, Nina von Sivers der Ott HydroMet Fellbach GmbH fast alle Mittel recht zu sein. Die Betriebsratsvorsitzende berichtet über Demütigung, Mobbing, Degradierung und drei Kündigungen. 

Seit der Übernahme der G. Lufft Mess- und Regeltechnik GmbH durch die Firma Ott Hydromet im Jahr 2016 geht es in der Firma in Fellbach bergab. Die neuen Geschäftsführer*innen setzen auf die aggressiven Managementmethoden der US-amerikanischen Danaher Corporation, zu der Ott Hydromet gehört. Dazu gehört etwa die Schließung ganzer Abteilungen und die Zurückstufung der Betriebsratsvorsitzenden vom „Area Sales Manager“ zur einfachen Sachbearbeiterin. 


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Um sich dagegen zu wehren gründete die Belegschaft im August 2021 einen Betriebsrat und wählte Svetlana K. zur Vorsitzenden. Bereits während der Gründung soll die Geschäftsführung versucht haben die Wahl zu behindern. 

Drei Kündigungen und die Spaltung des Betriebsrat

Seit Februar 2022 hat die Geschäftsführung nun drei Kündigungen gegen die Betriebsratsvorsitzende ausgesprochen. Dabei reichen die Begründungen der Kündigungen von angeblichen „Verletzungen von Dienst- und Amtspflichten“, über die Nichtteilnahme an einem Personalgespräch, bis hin zu angeblich falschen Behauptungen und Verleumdungen der Geschäftsführung in einem Zeitungsartikel und einem Bericht von Svetlana K. an den Vizepräsidenten des Danaher-Konzerns Brad Ellis über die Zustände in Fellbach. 

Als Motivation hinter den Kündigungsversuchen dürfte der Unmut der Geschäftsführung über das Engagement der Betriebsratsvorsitzenden gegen die Schließung des Kalibrierlabors im Frühjahr 2022 und gegen die Schließung der Abteilung Handmessgeräte im Sommer 2022 stehen.

Während der Betriebsrat bei den beiden ersten Kündigungen noch seine Zustimmung einstimmig verweigerte, stimmte er am 26. August 2022 der dritten Kündigung seiner Betriebsratsvorsitzenden zu. Bereits zuvor hatte sich in dem Gremium abgezeichnet, dass nicht mehr alle Mitglieder den unbequemen Weg gegen die Pläne der Geschäftsleitung gehen wollten. Seit dem 29. August 2022 darf die Betriebsratsvorsitzende nun auch das Firmengelände nicht mehr betreten.

„Kein Verhandlungspotential“

Im Rahmen der Kündigungen gegen Svetlana K. und aufgrund ihrer Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung als „Area Sales Manager“ trafen sich die Betriebsratsvorsitzende und das Unternehmen zu mehreren Güteverhandlungen vor dem Arbeitsgericht Stuttgart.

Die Geschäftsführung beauftragte Julia Bruck von der berüchtigten Union Busting Kanzlei Buse (ehemals Buse Heberer Fromm) mit der Durchsetzung ihrer Interessen. Bruck machte klar, dass es klares Ziel des Unternehmens sei die Betriebsratsvorsitzende zu kündigen. Dazu sei das Unternehmen auch bereit eine Abfindung von 50.000 € und mehr zu zahlen. Arbeitsrichterin Ursula Masuhr brachte zudem den Vorschlag ein, ob die Betriebsratsvorsitzende nicht einfach zurücktreten könnte, um die „Lage zu entspannen“.

Svetlana K. und ihr Anwalt Bernhard Pröschild lehnten diese Angebote ab und pochten auf Rücknahme der Kündigung und Weiterbeschäftigung auf einer angemessenen Position im Unternehmen. In den kommenden Monaten werden die Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht weiter gehen. 

Die Ott HydroMet Fellbach GmbH produziert Komponenten und Systeme für die Klima- und Umweltmesstechnik und ist Teil der US-amerikanischen Danaher Corporation. Im Januar 2021 wurde die G. Lufft Mess- und Regeltechnik GmbH in Ott HydroMet Fellbach GmbH umbenannt.

Hier finden Sie den Eintrag zum Vorgehen gegen aktive Betriebsräte bei Ott HydroMet in unserem Union Busting-Wiki

Quellen:


Betriebsrat stört bei Umstrukturierungen der Allianz Re – Management setzt auf  Union Busting

Behinderung der Betriebsratsarbeit, Störung von Betriebsversammlungen, gezielte Provokationen um Gründe für fristlose Kündigungen zu konstruieren, dass sind nur einige der Vorwürfe die der Betriebsrat der Allianz Re in München gegen die Geschäftsführung unter Leitung von Holger Tewes-Kampelmann erhebt.

Die Allianz Re ist der hauseigene Rückversicherer der Allianz unter der Leitung des Vorstandsvorsitzenden Oliver Bäte. An Bäte richtet sich nun der Allianz Re Betriebsrat mit einem achtseitigen offenen Brief, der für alle Mitarbeitenden im Allianz Intranet zugänglich ist.

Bereits unter Tewes-Kampelmann Vorgänger, Amer Ahmed, der das Unternehmen Ende April 2021 verlassen hat, soll die Geschäftsführung dem Betriebsrat das Leben so schwer wie möglich gemacht und mit Schikanen überzogen haben. Regelmäßig treffen sich Betriebsrat und Geschäftsführung vor Gericht. Das Unternehmen kommuniziere fast nur noch über Anwaltskanzleien mit dem Betriebsrat. Zudem soll die Personalabteilung Betriebsratsmitglieder bei Gehaltsanpassungen benachteiligen.

Beeinflussung der Betriebsratswahl

Bei der Neuwahl des Betriebsrates Anfang des Jahres 2022 soll der Konzern eine alternative Betriebsratsliste favorisiert und unterstützt haben, um den bisherigen Betriebsrat abzulösen. So hatte Konzernchef Bäte vor der Wahl die Belegschaft mit folgenden Worten zum Wählen aufgerufen: „Es ist sehr wichtig, dass Sie die Personen wählen, die wirklich mit uns zusammenarbeiten, um dieses Unternehmen besser zu machen.“

Im Unternehmen wurde das als klarer Versuch gesehen, die Kandidat*innen zu fördern, die aus Sicht des Konzerns „pflegeleichter“ gewesen wären als der alte und wiedergewählte Betriebsrat. Dies gilt um so mehr, da der Konzern seit Jahren einen radikalen Reformkurs zur Umstrukturierung fährt, dabei entlässt das Unternehmen immer wieder auch zahlreiche Mitarbeiter*innen. Eine Situation, in der ein engagierter Betriebsrat, der für die Interessen der Belegschaft eintritt, unverzichtbar ist.

Störung der Betriebsversammlung

Auch bei der Planung und Durchführung der ersten Betriebsversammlung des neu gewählten Betriebsrates im Juni 2022 habe es „erhebliche Behinderungen und Störungen“ durch die Geschäftsführung gegeben. So hat das Unternehmen sich geweigert, die Veranstaltung in hybrider Form zuzulassen und bestand bis kurz vor der Veranstaltung auf einer persönlichen Anwesenheit aller Teilnehmer*innen. Auch einen unter Corona-Bedingungen geeigneten Raum stellte der Konzern nicht zur Verfügung. So musste die Versammlung in einem eigentlich zu kleinen Raum stattfinden.

Zu Beginn der Versammlung soll dann Geschäftsführer Tewes-Kampelmann mit zwei Mitarbeitern aus der Personalabteilung und seiner persönlichen Assistentin in den Raum gestürmt sein und eines der anwesenden Betriebsratsmitglieder aus nächster Nähe mehrfach angeschrien haben. Der so verursachte Tumult habe einen Beginn der Versammlung zunächst unmöglich gemacht. Der Betriebsrat geht davon aus, dass der Geschäftsführer durch sein Verhalten Handgreiflichkeiten provozieren wollte, mit dem Ziel, das Betriebsratsmitglied fristlos kündigen zu können. Mit dieser Vermutung vor Zeugen konfrontiert, erwiderte der Geschäftsführer nur grinsend, dass er ja den Betriebsrat nicht berührt habe.

Der Betriebsrat plant als Konsequenz aus den Ereignissen für die nächste Betriebsversammlung als Schutz gegen Störungen durch die Geschäftsführung einen Sicherheitsdienst zu beauftragen oder um Polizeischutz bitten. Mit den bisherigen Union Busting Versuchen dürften sich Geschäftsführung und Vorstand jedenfalls sicher nicht zufrieden geben. 

Die Allianz SE gehört zu den größten Versicherungskonzernen der Welt und hat weltweit mehr als 155.000 Mitarbeiter*innen. Bei der Holdinggesellschaft Allianz SE arbeiten 1.750 und 220 weitere Mitarbeiter*innen beim Münchener Standort der Allianz Re, der Holdinginternen Rückversicherung. 2021 machte die Allianz SE einen Umsatz von 148,5 Milliarden Euro.

Hier finden Sie den Eintrag zum Vorgehen gegen aktive Betriebsräte bei Allianz in unserem Union Busting-Wiki

Quellen:


#Update – Erfolgreiche Betriebsratswahl bei Tik Tok

Die Angestellten der TikTok Germany GmbH haben am 12. Oktober 2022 erstmals erfolgreich einen Betriebsrat gewählt. Rund 200 der 450 Beschäftigten wählten den 11-köpfigen Betriebsrat am Standort in Berlin. Am 18. Oktober konstituierte sich das Gremium und nahm damit seine Arbeit auf. 

Zu tun gibt es für den neuen Betriebsrat bei TikTok mehr als genug. Schlechte Bezahlung und stark belastende Arbeitsbedingungen führten in der Vergangenheit zu großer Unzufriedenheit unter den Beschäftigten. Dies gilt besonders in den Teams der Inhaltsmoderator:innen. Zu den kritisierten Arbeitsbedingungen gehört massiver Leistungsdruck, psychologische Belastungen, sexistischer Umgang mit Kolleginnen und Problem wie Micromanaging. Micromanagement ist ein Führungsverhalten, das von sehr starker Detailorientierung und fehlendem Vertrauen geprägt ist.

Ein erster Anlauf zur Gründung des Betriebsrates im März 2021 war an formalen Fehlern gescheitert (Frontberichte 07/2022). Die TikTok Geschäftsführung nutzte den Fehler der Betriebsratsinitiator*innen die Wahl eines Wahlvorstandes online zu organisieren, um den ersten Versuch der Betriebsratswahl in zwei Instanzen vom Arbeitsgericht Berlin und vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg aufheben zu lassen. 

Im zweiten Anlauf wurden die Initiator*innen vom Fachanwalt für Arbeitsrecht Daniel Weidmann und der Gewerkschaft Verdi unterstützt. Dieses Mal habe die Geschäftsführung nicht mehr versucht die Wahl zu verhindern oder anzufechten, so Verdi Gewerkschaftssekretär Hikmat El-Hammouri

Die TikTok Germany GmbH unter der Leitung von Zhao Liu gehört zum chinesischen Mutterkonzern ByteDance und hat mehr als 10.000 Mitarbeitende weltweit. Allein in Berlin beschäftigt der Konzern über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Hier finden Sie den Eintrag zum Vorgehen gegen aktive Betriebsräte bei TikTok in unserem Union Busting-Wiki

Quellen:


Motor Nützel geht gegen Betriebsräte in Oberpfalz und Oberfranken vor

Die Geschäftsführer der Motor Nützel Gruppe (Michael Krasser, Horst Hoffmann, Roman Fehling, Jochen Sonntag, Ralf Beck, Alexander Pflaum und Steffen Rump) versuchten zunächst alles um die beiden im Januar und Juni 2022 gegründeten Betriebsratsgremien in den Regionen Oberpfalz und Oberfranken zu verhindern. Da sie damit scheiterten, greifen sie nun die Betriebsratswahlen juristisch an und versuchen die Betriebsräte wieder auflösen zu lassen.

Mobbing, Kündigungen und Versetzungen gegen Wahlinitiatoren

Bereits während dem Prozess der Betriebsratsgründung ab Herbst 2021 ging die Geschäftsführung massiv gegen die Wahlinitiatoren in der Oberpfalz vor. Am 14. Oktober 2021, einen Tag vor der Wahlversammlung, ließ die Geschäftsführung all Autos von der Verkaufsfläche des späteren Betriebsratsvorsitzenden abholen, so dass dieser seine Arbeit nicht mehr durchführen konnte.

Vier Tage später macht die Geschäftsführung auch die örtliche Lackiererei, angeblich wegen technischer Mängel, in dem selben Autohaus dicht und kündigte zwei Beschäftigten, welche die Betriebsratswahl mit initiiert haben bzw. Mitglied des Wahlvorstands für die Betriebsratswahl waren. Bereits zuvor hatte die Geschäftsführung immer wieder willkürlich Beschäftigte in andere Filialen versetzt. Zum Teil in über 100 km weit entfernte Autohäuser.

Die Geschäftsführung drohte zudem mit weiteren Schließungen, Entlassungen und ausbleibenden Investitionen, sollten die Beschäftigten erfolgreich einen Betriebsrat gründen. Statt einem Betriebsrat bot die Geschäftsführung an, eine alternative Mitarbeitervertretung, ein sogenanntes „Team Zukunft“, zu gründen – ohne gesetzliche Mitbestimmungsrechte und ohne Beteiligung der Gewerkschaft.

Die Geschäftsführung versuchte auch der IG Metall den Zugang zu den Autohäusern zu verwehren. Gewerkschaftssekretär Matthias Scheer berichtet wie ihn einer der Betriebsleiter aus der Filiale in Mitterteich raus geworfen hat. Die Gewerkschaft musste danach das Recht auf den Zugang zu den Autohäusern einklagen. Die IG Metall hat zudem mittlerweile Strafanzeige gegen die Geschäftsführung von Motor Nützel wegen Behinderung der Betriebsratswahl gem. § 119 BetrVG gestellt.

Betriebsleiter der keinen Betrieb leitet?

In beiden Fällen der erfolgreich gegründeten Betriebsratsgremien in den Filialen in der Oberpfalz und Oberfranken versucht die Geschäftsführung diese nun vor dem Arbeitsgericht für ungültig erklären zu lassen. Nach Ansicht der Geschäftsführung seien die Filialen in den Regionen Oberpfalz und Oberfranken jeweils einzelnen Betriebe und kein regionaler Betrieb.

Beim ersten Prozess zur Betriebsratswahl in der Oberpfalz am 21. Oktober 2022 vor dem Arbeitsgericht Weiden versuchten Geschäftsführer Roman Fehling und der Betriebsleiter Phy Chau den Arbeitsrichter Ferdinand Hagelstein davon zu überzeugen, dass es in der Unternehmensgruppe keine Betriebseinheit Oberpfalz gäbe. Blöd nur, dass der Betriebsleiter selbst in seinem öffentlichen Xing-Profil seine Position im Unternehmen als „Prokurist/Betriebsleiter (Region Oberpfalz)“ angibt. Zu einer Entscheidung in dem Sachverhalt kam das Gericht an diesem Tag nicht. Der Prozess soll voraussichtlich im November weitergehen. Ein paralleles Gerichtsverfahren wegen der Betriebsratswahl in der Region Oberfranken steht zudem noch aus. 

Die Kanzlei Ecovis und mit ihrem Rechtsanwalt Thorsten Walther vertritt Motor Nützel vor Gericht. Der Betriebsrat bekommt rechtliche Unterstützung durch die Kanzlei Manske und Partner

Die Motor Nützel Gruppe ist Vertragshändler und -werkstatt für VW und Audi mit insgesamt rund 1000 Beschäftigten in 13 Autohäusern in Oberfranken und in der Oberpfalz. Alleingesellschafter ist die – laut ihrer eigenen Webseite – „gemeinnützige, mildtätige“ Hans und Emma Nützel Altenstiftung.

Hier finden Sie den Eintrag zum Vorgehen gegen aktive Betriebsräte bei Motor Nützel in unserem Union Busting-Wiki

Quellen:


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