Nach Hilferufen von Beschäftigten Gesundheitsamt eingeschaltet. Bestätigte Coronafälle und Maskenverstöße

Aktion gegen Arbeitsunrecht meldet Verdacht auf schwere Mängel und Verstöße bei Gorillas.
In einem Post vom 2. August 2021 berichtet ein anonymer Beschäftigter über gravierende Hygienemängel im Gorillas Lager in der Schönhauser Allee 143, Berlin-Prenzlauer Berg (https://twitter.com/GorillasWorkers/status/1422274640811024390?s=20). Die Rede ist von nicht funktionierenden Toiletten, stinkenden Abflüssen und von Ware, die bei bis zu 33 C° ungekühlt verdirbt und in großen Mengen entsorgt werden muss.
Die Müllmengen sollen laut Twitter-Post Ratten anziehen. Der oder die Verfasserin berichtet weiter von mehreren positiv getesteten Fahrer*innen und davon, dass es im Lager kein fließend Wasser und keine verbindlichen Vorgaben zum Maskentragen zwecks Infektionsschutz gibt.

Meldung an Gesundheitsamt und Bezirksrathaus Pankow
Der Twitter-Beitrag wurde der Aktion gegen Arbeitsunrecht am 3. August 2021 bekannt. Wir setzten uns unmittelbar mit dem zuständigen Gesundheitsamt in Pankow in Verbindung und leiteten den Text weiter. Am gleichen Tag informierten wir auch das Bezirksrathaus.
Unsere Ansprechpartner im Gesundheitsamt meldeten sich umgehend zurück und wurden aktiv.
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Bezirksamt bestätigt Corona-Fälle unter Gorillas Ridern – Begehungen angeordnet
Das Bezirksamt Pankow bestätige uns bereits am 4. August 2021 in einer Mail im Namen des Bezirksstadtrats Dr. Kühne mehrere Corona-Fälle unter Ridern, sowie Verstöße gegen die Maskenpflicht. Das Gesundheitsamt hat Begehungen von Standorten veranlasst und bei der Geschäftsleitung Hygienekonzepte angefordert. Auch das Ordnungsamt ist involviert.
Gleich eine ganze Reihe von Behörden und Abteilungen sind gefragt: Es geht um mögliche Verstöße gegen die Arbeitsstättenverordnung und den Arbeitsschutz. Ferner stellen sich drängende Fragen zur Lebensmittelsicherheit und Vermeidung von Rattenplagen.
In den Gorillas-Lagern (Warehouses, WH) arbeiten sogenannte Picker, die die bestellten Waren zusammenstellen. Schon mehrmals war in Twitter-Posts von Lagern ohne Klimaanlage die Rede (zum Beispiel in diesem Thread vom 18.06.2021 https://twitter.com/GorillasWorkers/status/1405996604994293764?s=20). Laut Arbeitsstättenverordnung ist ein Unternehmen verpflichtet tätig zu werden, sobald die Raum-Temperatur 30 C° übersteigt.
Die Arbeitsstättenverordnung regelt selbstverständlich auch, dass Toiletten und Waschbecken in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen müssen. Auch hier gibt es allerdings mindestens einen Post, der darauf hinweist, dass das Toiletten-Waschbecken zum Spülen von Geschirr genutzt wird oder sogar genutzt werden muss (https://twitter.com/GorillasWorkers/status/1387847868137066497?s=20 29.04.2021).Bezüglich Corona-Infektionen und anderer Erkrankungen kommt vermutlich auch zum Tragen, dass viele Rider mit Gesundheitsbeschwerden während der Probezeit und der anschließenden Befristung auf Krankmeldungen verzichten. Sie wollen ihren Job nicht verlieren.
Sollten sich die beschriebenen Zustände tatsächlich so drastisch darstellen, wie auf Twitter berichtet, gehen vom Gorillas-Lager Gesundheitsgefahren für die Rider, Kunden und Anwohner*innen aus. Dabei sind viele Anwohner ohnehin schon reichlich genervt von den lärmintensiven Gorillas-Lagern, die sich mitten in den Innenstädten breit machen und ständig beliefert werden. Das Bezirksamt Pankow bestätigte uns, dass bezüglich Gorillas zahlreiche Hinweise und Beschwerden vorliegen.
Bußgeldverfahren wegen Verstöße gegen den Arbeitsschutz
Erst am 31.07.2021 war im Tagesspiegel zu lesen, dass der Berliner Senat ein Bußgeldverfahren gegen Gorillas eingeleitet hat. Bei Kontrollen waren Verstöße gegen das Arbeitsschutzgesetz an 13 Standorten festgestellt worden. „Offenbar spielt der Arbeitsschutz bei den Gorillas und anderen Lieferdiensten nur eine untergeordnete Rolle. Das nehmen wir nicht hin“, sagte Senatorin Breitenbach der Berliner Morgenpost.
Warten auf den Betriebsrat
Wer sich für die Missstände beim Lieferdienst Gorillas und auch den Humor der Rider interessiert, sollte deren Social-Media-Accounts folgen. Bei Gorillas Berlin arbeiten rund 1.300 meist junge Menschen. Die Mehrzahl sind keine deutschen Muttersprachler, oft erst relativ kurz in Deutschland und entsprechend wenig rechtssicher im Umgang mit deutschen Behörden. Die lange Probezeit und die anschließende Befristung macht es den Beschäftigten zusätzlich schwer, auf Missstände aufmerksam zu machen.
Diese Umstände erklären die ungewöhnliche Art der Ausliefer-Fahrer*innen ihre Arbeitsbedingungen online zu skandalisieren. Ein aktiver Betriebsrat hat bei Verstößen gegen Arbeitsschutz und Hygieneverordnungen wesentlich durchschlagendere Möglichkeiten, die Kolleg*innen effektiv zu schützen. Zum Beispiel können Betriebsräte per einstweiliger Verfügung mitunter sehr schnell erforderlich Veränderungen erzwingen.
Zumindest am Standort Berlin hat die Wahl eines Wahlvorstandes zur Betriebsratswahl bereits statt gefunden. Momentan scheint der Prozess jedoch ins Stocken geraten zu sein.
Aktionstag #Freitag13 gegen Ausbeutung in der Plattform-Ökonomie
Die Aktion gegen Arbeitsunrecht bereitet mit verschiedenen anderen Gruppen für Freitag, den 13. August 2021 einen Aktionstag für bessere Arbeitsbedingungen bei Lieferando und Gorillas vor. Sie wollen sich beteiligen und mitmachen? Hier finden Sie mehr Informationen: https://arbeitsunrecht.de/freitag13
Quellen:
- Julius Betschka: Berliner Senat leitet Bußgeldverfahren gegen Lieferdienst Gorillas ein, Tagesspiegel, 31.7.2021.
- Post zu Hygienemängeln: twitter-Screenshot vom 03.08.2021- Post: https://twitter.com/GorillasWorkers/status/1422274640811024390?s=20