Weil Union Buster zur Last wurde? Terra Nova trennt sich von Geschäftsführer

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Münsterländischer Jugendhilfeträger entlässt Jan Tietmeyer.

Einen Betriebsrat gründen: Nachlese eines gescheiterten Versuchs. Welche Lehren ziehen wir?

Der Fall Terra Nova | Teil 1

Terra Nova Leithirsche Jan und Jennifer Tietmeyer als Geweihschädel an der Wand.
Union Busting lohnt sich nicht: kein Jahr nach der Niederlage vor der Pressekammer Köln sind Jan Tietmeyer, Jennifer Tietmeyer und Andreas Viering beim Verein Terra Nova Geschichte. (Bild: Miika Savela auf Unsplash CC)

Ochtrup. Der Terra Nova-Geschäftsführer Jan Tietmeyer musste seinen Hut nehmen. Seine tatkräftige Helferin Jennifer Tietmeyer musste den den Verein ebenfalls verlassen, den das Ehepaar sich zu einer Art Privat-Habitat eingerichtet hatte. Des Weiteren räumt nach fast einem Vierteljahrhundert Vorstandszugehörigkeit auch der Vorsitzende Andreas Viering seinen Posten.

Mit dürren Worten bedankt sich Terra Nova bei seinem gescheiterten Geschäftsführer:

So vieles ist durch und mit dir in den vergangenen Jahren bei uns passiert.“

Diesem Zitat der Terra NovaWebseite pflichten wir bei. Wir können aus diesem Fall viel zu verhinderten Betriebsratgründungen lernen und fassen deshalb in diesem Teil 1 wichtige Eckpunkte zusammen. Im Teil 2 leiten wir unsere Erkenntnisse und Empfehlungen für Betriebsratsgründungen ab.

Verhängnisvoll: Betriebsratsgründer:innen hielten ihr Vorhaben für einen selbstverständlichen Vorgang

Im Frühjahr 2018 beschloss eine Gruppe von Beschäftigten bei Terra Nova e.V. einen Betriebsrat zu gründen. Sie wollten die Arbeitsabläufe verbessern und Willkür der Leitung eindämmen. Einen Betriebsrat zu gründen ist nach § 1 Betriebsverfassungsgesetz ihr gutes Recht. Dort steht schlicht:

„In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt.“

Die Initiator:innen der Betriebsratswahl gingen entsprechend ohne Argwohn in ihr Unterfangen und unterrichten gleich zu Beginn den Geschäftsführer. Eine verhängnisvolle Unterredung, denn Jan Tietmeyer und seine Ehefrau Jennifer, die bei Terra Nova für Personal und Buchhaltung zuständig war, verübten daraufhin postwendend einen Fall von Union Busting (Was ist das?), der es in sich hatte. Dabei genossen sie über lange Zeit die volle Rückendeckung des Vereinsvorstands unter dem Wettringer Apotheker Andreas Viering, sowie der Herren Markus Stücker und Thorben Gust.


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Wildwest in der Provinz: Das volle Programm der professionellen Betriebsratsbekämpfung

Der kleine Jugendhilfeverein mit damals rund 60 Beschäftigten schwang sich auf, das perfide Drehbuch des Union Bustings mit einer Aggressivität umzusetzen, wie auch wir sie nicht alle Tage sehen:

  • Dutzende von Einschüchterungsgesprächen, 
  • Reorganisation mit Teamauflösung,
  • plötzliche Zwangsversetzungen,
  • Isolation der Initiator:innen von Veranstaltungen und Informationen,
  • eine Gegeninitiative für eine rechtlose Mitarbeiterpartizipation,
  • gezielte Diffamierungen,
  • konzertierte Sabotage der Wahl zum Wahlvorstand,
  • Wellen von haltlosen Abmahnungen, zum Teil mehrere pro Woche,
  • Kündigungsversuch,
  • Irreführungen,
  • Spaltung der Belegschaft,
  • Unterschriftensammlung,
  • Blockaden durch vorgeschobene gerichtliche Beschwerdeverfahren unter Ausreizung sämtlicher Fristen und über mehrere Instanzen
  • Aushebeln des zu erwartenden Richterspruchs am Landesarbeitsgericht im Mai 2019 durch eine vom Leitungsteam veranstaltete Pseudo-Neuwahl.

Wir berichteten erstmals hier: Terra Nova – Sozialer Verein verhindert Betriebsratswahl (26.04.2019)

Schade: Geld geht an Anwaltskanzlei Harnischmacher Löer Wensing. Nicht an benachteiligte Kinder.

Nach einem Jahr des Terrorisierens ist der Zusammenhalt in der Belegschaft zersetzt. Das Arbeitsklima ist ruiniert. Nahezu alle Befürworter:innen eines Betriebsrats haben den Verein mehr oder weniger freiwillig verlassen. Der Verein schrumpft substanziell, das Image ist am Boden.

Juristische Helfershelfer fand die Vereinsspitze in der als „renommiert“ geltenden Kanzlei Harnischmacher Löer Wensing. Deren Rechtsbeistand und Union Busting-Beratung dürfte ein kostspieliges Unterfangen gewesen sein. Denn auch wenn die Rechtsanwälte Arnd Kozian und Christian Buchmüller die Verfahren im Zusammenhang mit dem Union Busting und dem Versuch, die Berichterstattung darüber zu behindern, in den Sand gesetzt haben, hat die Kanzlei vermutlich saftige Rechnungen an den als gemeinnützig anerkannten Verein Terra Nova gestellt. Allein die gesetzlichen Kosten für die krachend gescheiterte Unterlassungsklage Terra Novas gegen die Aktion gegen Arbeitsunrecht schätzten wir auf rund 6000,- Euro. Weitere Kosten für Kündigungen, Abfindungen, Abmahnungen, Beratung etc. dürften um ein vielfaches höher liegen. (mehr dazu: arbeitsunrecht.de vom 6. Mai 2020)

Terra Nova-Beschäftigte zu kriminellen Handlungen verführt

Unsere Publikationen auf dieser Webseite wurden in der Terra Nova-Belegschaft intensiv diskutiert. Das zeigt, dass die aktion ./. arbeitsunrecht Beschäftigte unter Druck erreicht. Der Geschäftsführer Jan Tietmeyer vermochte dies für weitreichende Manipulation auszunutzen. Er erzeugte im Leitungsteam und bei einigen Mitarbeiter:innen eine im Nahhinein gespenstisch anmutende Über-Solidarisierung mit dem Verein. Ein Phänomen, das wir kennen, aber selten beobachten.

Mitglieder des Terra Nova Leitungskreises drohten Mitarbeiter:innen der Aktion gegen Arbeitsunrecht und deren Familienangehörigen. Auch das machen wir öffentlich: Betriebsratsbehinderung, Maulkorbprozess und ein Stalker namens Rumpelstilzchen (arbeitsunrecht.de, 08.02.2020).

Auch dabei: Eidesstattliche Versicherung abgefälscht

Beschäftigte unter Druck setzen und sie für sich die Drecksarbeit machen lassen – ist das ein Muster des Jan Tietmeyer? Unser Büro-Team wurde von einer (oder mehreren?) psychopathisch wirkenden Person gestalkt und bedroht. Wir erstatteten Anzeige. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, um den Drohungen auf den Grund zu gehen. Ein Mitarbeiter stellte sich zur Verfügung, das Risiko einer Strafverfolgung auf sich zu ziehen. Er gibt den Ermittlern gegenüber zu, hinter dem „Rumpelstilzchen“-Stalking zu stecken – als einer von mehreren Personen, die anderen angeblich unbekannt. Natürlich.

Wohl im Versuch, sich als Opfer zu inszenieren, klagten Geschäftsführer Jan Tietmeyer und sein Vereinsvorstand auf Unterlassung der Berichterstattung der aktion ./. arbeitsunrecht. Für den Fall der Zuwiderhandlung forderten sie bis zu 250.000,- Euro. Die Klage fiel im Februar 2020 spektakulär in sich zusammen, als sich im Gerichtssaal herausstellt, dass die Diplompädagogin Susanne C. eine von Jan Tietmeyer abgefälschte eidesstattliche Versicherung abgab, die nicht der Wahrheit entsprach. Mehr dazu: Terra Nova unterliegt vor Pressekammer Köln (06.05.2020).

Belegschaftszersetzer weiter in Führungspositionen

Immerhin: Die Geschehnisse haben nun für einen personellen Einschnitt in der Führung gesorgt. Wenn auch Vorstand und Geschäftsführung bislang rechtlich nicht belangt wurden, so haben offensichtlich am Ende doch die Vereinsmitglieder korrigierend eingegriffen. Der Vereinsgründer und vorherige Geschäftsführer Michael Hardebusch wird mit 67 Jahren Vorstandsvorsitzender und nimmt die Zügel wieder in die Hand. Er überträgt der langjährigen Mitarbeiterin Ines Lindemann die fachliche Geschäftsführung. Für die kaufmännische Leitung wird jemand von außen geholt.

Wir werden Terra Nova im Auge behalten müssen. Auch unter der Führung von Michael Hardebusch wurde offenbar vor mehreren Jahren schon einmal die Bildung eines Betriebsrats vereitelt, so schließen wir aus Kommentaren. Die designierte Geschäftsführerin Ines Lindemann kennen wir von der „Unterschriftenliste“, mit der Tietmeyer und seine Kumpane Stimmung gegen den Wahlvorstand und unsere Berichte machten.(1)

Eine Entschuldigung für begangenes Unrecht, eine Aufarbeitung der undemokratischen und unrechten Personalführung bei Terra Nova fehlt bis heute.

Der neue kaufmännische Geschäftsführer, Ulrich Specht, kommt vom Münsteraner Jugendhilfeträger Outlaw gGmbH. Diese Organisation prosperiert seit vielen Jahren, agiert inzwischen bundesweit mit mehr als tausend Mitarbeiter:innen – mit Betriebsräten in den Betriebsstätten und einem Gesamtbetriebsrat! Man kann also hoffen, dass es für die nun in weiten Teilen ausgetauschte Belegschaft von Terra Nova zukünftig bessere Chancen gibt, ihre gesetzlich verbrieften Mitbestimmungsrechte tatsächlich wahrzunehmen.

Die Lebenshilfe holt sich Tietmeyer in Haus. Warum?

Jan Tietmeyer soll laut Bericht der Westfälischen Nachrichten vom 4.1.2021 ab dem 1. April 2021 bei der ca. 60 Mitarbeiter:innen starken Lebenshilfe Steinfurt e.V. als Vorstand sein Unwesen treiben. Wir fragen uns: Wie kann es der Lebenshilfe recht sein, ausgerechnet jemanden an eine zentrale und verantwortungsvolle Position zu setzen, der solchen  Machtmissbrauch demonstriert hat?

Betriebsratsgründung sicher vorbereiten: Unser Expertenrat

Bei Terra Nova wurde es den Betriebsratsgründer:innen es zum Verhängnis, dass sie die Geschäftsleitung zu früh über ihre Pläne informierten. Dass sie die Reaktion des Managements völlig unterschätzten. Dass sie unvorsichtig waren. Diese und weitere Stolperfallen können auf dem Weg zur Betriebsratsgründung lauern.

Betriebsratsgründer:innen sei geraten, sich vom ersten Gedanken an eine Betriebsratsgründung an kompetent begleiten zu lassen. Denn wir wollen lieber über erfolgreiche Betriebsräte berichten als über zermürbendes Union Busting. Dafür braucht es gute Vorbereitung. Wir stehen mit Erfahrungen, Rat und Tat zur Verfügung. 

Wir veröffentlichen deshalb in Kürze im zweiten Teil unsere teils schmerzvoll gelernten Lektionen (Lessons Learned) aus diesem Fall und leiten Ratschläge zur Gründung von Betriebsräten ab.

  • Warum kann es gefährlich werden, einen Betriebsrat zu gründen und wo genau liegen diese Gefahren? Was ist angeraten, was unbedingt zu vermeiden?

  • Wie können sich Betriebsratsgründer:innen und ihre Kolleg:innen sicher vorbereiten?

  • Wenn Sie mehr erfahren wollen: Abonnieren sie unseren kostenlosen Email-Newsletter!

Foto Westfälische Nachrichten vom 4.1.2021. Jan Tietmeyer, links im Bild wird als neuer Geschäftsführer der Lebenshilfe vorgstellt.
Westfälische Nachrichten vom 4.1.2021: Jan Tietmeyer (links) wird als neuer Geschäftsführer der Lebenshilfe im Kreis Steinfurt vorgestellt (Quelle: Screenshot 13.1.2021, Ausschnitt). Die Aktion gegen Arbeitsunrecht fordert die Lebenshilfe auf, ihren Beschäftigten einen Geschäftsführer Tietmeyer zu ersparen. Wir halten die Personalie für unverantwortlich.

Anmerkungen

(1) Auch die Leitungsteam-Mitglieder Jessica Körner und Jan-Hendrik Stockmann. haben die entwürdigende „Unterschriftenliste“ unterzeichnet. Als ein Wahlvorstand zur Wahl des Betriebsrats vom Landesarbeitsgericht hätte eingesetzt werden können, haben die beiden im Mai 2019 eine „Pseudo-Neuwahl“ des Betriebsrats ausgeführt, um diese Möglichkeit zu sabotieren, wie wir aus weiteren Kommentaren entnehmen.


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4 Kommentare

  1. Der ehemalige Mitarbeiter wusste viel zu berichten. In der Kürze meiner Zeit kann ich sagen, dass die Mitarbeiterversammlungen sehr merkwürdig waren und die Leitungspositionen mit Personen besetzt sind, die keine Führungskompetenz haben und eher schwache Persönlichkeit haben. Über diverse ehemalige Mitarbeiter, Geschäftsführer und fachliche Leitungsperson, die schon lange ausgeschieden waren, wurde schlecht gesprochen. Unprofessionell. Das schien auch eher eine Eitelkeit zu sein als die Organisation und das Tagesgeschäft zu betreffen.
    Ich wünsche denen Erneuerung und Weitblick.

    • Ähhhh alles sehr durch die rosa rote Brille geschrieben. Und wo ist der Teil, dass Herr T. Zwischendurch verlassen hatte und nach Herr H. ausscheiden relativ plötzlich wieder auftauchte um den Verein „ zu retten“. Hat er in dubiosen Mitarbeitergesprächen ausführlich erläutert wie er den Verein „ gerettet hat“ und dann mehr oder wenig unauffällig über Herrn H. hergezogen ist 😉 und dann wurde die nette Dame aus der Verwaltung plötzlich Chefin der Verwaltung und Personalabteilung und war nicht mehr die nette Dame aus der Verwaltung sondern die neue Ehefrau vom Chef (wurde natürlich solange es ging geheim gehalten).

      Am besten waren ja die Gespräche mit dem Ehepaar T. bei denen über aktive und ehemalige Mitarbeiter hergezogen wurde , dann wurde man angeschrien oder erpresst, bestochen, auf „ Loyalität „ getestet“ auf gut Glück ausgefragt ob jemand anders denn seine Arbeitszeiten auch immer korrekt aufschreibt, geschimpft wegen zu vielen oder zu wenigen Überstunden oder alles zusammen.

      Ach und dann der Vollkommen unreflektiert aus dem Boden gestampfte Bereich für Minderjährige Flüchtlinge. Schön war’s wie neue junge Mitarbeiter verheizt wurden und die Stammbelegschaft , das irgendwie auffangen durfte.

      Ach und wie die alten kompetenten Hasen,reihenweise den Verein verließen, ach und wie ein paar von den engagierten neuen dann einen Betriebsrat gründen wollten. Dachten sich nix dabei, waren eigentlich auch ganz zufrieden , wollten nur ein bisschen was verbessern sich nicht auch verheizen lassen….. irgendwie fehlt dieser Teil. Schade um den Verein gab auch viel Gutes. Kann leider nicht an einen gesunden Neustart glauben. Und dennoch allen alles gute und wir haben alle viel gelernt… immerhin

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