Union Busting-News 1/24: Thyssenkrupp, Tesla, Douglas, Primark, Kaufhof, Deutsche Bahn

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Union Busting-News mit Jessica Reisner. Arbeitsunrecht und Betriebsratsbehinderung in Deutschland.

  • Thyssenkrupp / Fremdsprachige Mitarbeitende schlecht informiert, Betriebsratswahl aus 2022 ungültig
  • Tesla / Angestellte müssen für Produktionsausfall zahlen
  • Douglas/Akzente / Lagerschließung und Massenentlassung ohne Betriebrat. Und deshalb ohne Sozialplan.
  • Primark / Streikende sollen Lohn zurückzahlen
  • Kaufhof /  Nach 37 Jahren ohne Abfindung entlassen?
  • Deutsche Bahn /  Streikverhinderungsversuche mit Kanzleien Allen & Overy und Pusch Wahlig Workplace Law
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Thyssenkrupp: Fremdsprachige Mitarbeitende schlecht informiert – Betriebsratswahl ungültig

Duisburg: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf erklärte die Betriebsratswahl bei Thyssenkrupp Steel am Standort Hamborn/Beeckerwerth aus 2022 für ungültig. Das berichtet die WAZ.1Hintergrund ist eine mangelhafte Ansprache fremdsprachiger Kolleginnen und Kollegen durch den Wahlvorstand. Dabei, so das Landesarbeitsgericht, sei es nicht wichtig, dass deutsch Werkssprache sein und auch Sicherheitsunterweisungen in deutscher Sprache verstanden werden müssten.

Ausländische Mitarbeitende müssten über Wahlverfahren, Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmabgabe in geeigneter Weise unterrichtet werden. Den fremdsprachigen Kolleginnen und Kollegen bei Thyssenkrupp waren im Vorfeld der Wahl 2022 jedoch lediglich Kontaktadressen für 14 verschiedene Sprachen genannt worden, An diese Ansprechpartner*innen hätten sie sich im Fall von Fragen zur Wahl wenden können.

Die Wahl soll im Frühjahr 2024 wiederholt werden.


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Bei Thyssenkrupp Steel kommt es immer wieder zu schweren Arbeitsunfällen. Wir hoffe, dass nicht auch hier eine Ursache im mangelnden Informationsaustausch in ausreichend vielen Sprachen liegt. (siehe Thyssenkrupp: Warum starb der 26-jährige Refat? Arbeitsschutz für Leiharbeiter vernachlässigt?)

Tesla: Angestellte müssen für Produktionsausfall zahlen

Berlin-Brandenburg: Der scheinbar managementnahe Betriebsrat bei Tesla in Gründheide stimmte einem teilweisen Verdienstausfall in Folge des Produktionsstopps aufgrund von Lieferproblemen zu. Dies weiß der Tagesspiegel zu berichten.2
Die Lieferprobleme sind Folge der Angriffe auf Frachtschiffe durch jemenitischen Huthi-Rebellen im Roten Meer. Die fehlenden Teile seien Übersee-Komponenten. Die Produktion im brandenburger Werk muss vom 29. Januar und 11. Februar 2024 deshalb in Teilbereichen gestoppt werden.

Dem Tesla-Management ist es mit der getroffenen Vereinbarung gelungen einen Teil des unternehmerischen Risikos auf die Beschäftigten abzuwälzen. Die ersten zwei Tage des Arbeitsausfalls werden den Angestellten jeweils zur Hälfte vom Arbeitzeitkonto abgezogen.

Douglas: Lagerschließung und Massenentlassung ohne Betriebsrat und deshalb ohne Sozialplan

Pfedelbach-Öhringen in Baden-Württemberg: Ein Lager der Firma Parfumdreams/Akzente, die seit 2018 zur Parfumerie-Kette Douglas gehört, schließt. Einen Betriebsrat gibt es am Standort offenbar nicht, berichtet der Südwestfunk SWR3

Für die Douglas, bzw. Akzente Beschäftigten, die in der Logistik ihre Jobs verlieren werden, gibt es Bewerbungstrainings und eine Jobmesse. Einen Betriebsrat, der die Mitarbeitenden unterstützt, gibt es am Standort nicht. Und die Betriebsräte von Douglas seien nicht für Akzente-Beschäftigte zuständig, teilte ein Douglas-Sprecher mit.

Die Aktion gegen Arbeitsunrecht vertritt den Standpunkt, dass das Prinzip „Eine Firma – Eine Belegschaft!“ gelten muss. Die Zersplitterung in diverse GmbHs und angebliche unabhängige Töchter ist ein Steuersparmodell, dass außerdem der Verhinderung von Betriebsratsarbeit dient.

Ein Betriebsrat hätte einen Sozialplan verhandeln können. Ohne Betriebsrat sind Gekündigte bei Massenentlassungen auf ihr persönliches Verhandlungsgeschick angewiesen.

Primark: Streikende sollen Lohn zurückzahlen

Hannover: Streikende Angestellte der Kette Primark in Hannover haben dieser Tage einen ganz besonderen Neujahrsgruß von ihrem Arbeitgeber erhalten. Knapp 50 Primark-Beschäftigte sollen zwischen 500 und 1.500 € Lohn zurückzahlen. Für die mehrheitlich teilzeitbeschäftigten Frauen entspricht das fast ein Monatsgehalt.

Ein erkennbarer Grund wird in den Schreiben nicht deutlich. ver.di-Sekretär Mizgin Ciftci deutet die Schreiben jedoch als weiteren Versuch, mit gezielten Nadelstichen die gewerkschaftlich gut organisierte Belegschaft aus dem Betrieb zu mobben und gegen billigere Minijobber auszutauschen. 4

Bereits vor Weihnachten 2024 hatte ver.di entsprechende Versuche der Filial-Leitung öffentlich gemacht. Hier wird zum Beispiel mit kurzfristigen Änderungen im Dienstplan oder mündlichen Einschüchterungsversuchen gearbeitet. Der verdi-Sekretär sagte gegenüber Radio Hannover, dass Beschäftigte, die ein unbefristetes Arbeitsverhältnis haben, täglich oder wöchentlich ins Personalbüro zitiert würden. Dort würden sie dazu gedrängt ein Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Sinngemäß soll es dann heißen: Du bist hier nicht mehr erwünscht. Und wenn Du diesen Aufhebungsvertrag nicht unterschreibst, sorgen wir dafür, dass Du von alleine gehst.“5

Zuletzt hatte verdi in Hannover 2021 einen Kündigungsversuch gegen den Betriebsratsvorsitzenden Ralf juristisch abschmettern können. Hier war es im Hintergrund unter anderem um den Abbau von Kameras in den Hannoveraner Filialen gegangen. Auch die Arbeitszeitaufzeichnung durch Erfassung von biometrischen Daten der Beschäftigten hatte der Betriebsrat beendet.6

Insgesamt bleibt jedoch festzuhalten, dass Beschäftigte durch das Betriebsverfassungsgesetz hier nur unzureichend vor Nachstellung und psychischem Druck geschützt sind.

Kaufhof: 37 Jahre im Betrieb und keine Abfindung?

Mönchengladbach: Nach Jahrzehnten der Arbeit bei Kaufhof ist nach dem Start des dritten Insolvenzverfahrens nicht einmal eine Abfindung für die Angestellten sicher. RP-online zitiert eine 55-jährige Mitarbeiterin, nach deren Aussage das Management die Beschäftigten hat wissen lassen, dass weder eine Abfindung von anderthalb Monatsgehältern noch die Tariferhöhung rückwirkend ausgezahlt werde. Auch ein Bonus über 500 Euro, der laut Aussage der Beschäftigten versprochen wurde, wenn sie bis zur Schließung im Geschäft arbeiten, soll wegfallen.7

Die zitierte Beschäftigte hatte schon ihre Ausbildung bei Kaufhof gemacht und war insgesamt 37 Jahre im Betrieb. Nun sieht es so aus, als hätte das Management sie und die anderen verbliebenen Kolleg*innen lediglich hingehalten, um das Weihnachtsgeschäft noch mitnehmen zu können.

Die Kaufhof-Angestellten wurden im Rahmen der gesetzlichen Regelungen, die solche Schachzüge möglich machen, nach Strich und Faden reingelegt. Ein ehemaliges Kaufhof-Betriebsratsmitglied aus Wuppertal wundert sich deshalb auch überhaupt nicht darüber, dass nur ein kleiner Bruchteil der früheren Kolleginnen und Kollegen weiter im Einzelhandel arbeiten möchte.8

Der österreichische Milliardär Benko kaufte Warenhäuser in besten Innenstadtlagen und trennte die meist finanzschwachen Betreibergesellschaften von den wertvollen Immobilien, um als Vermieter stattliche Mieten einzufordern. Während 2020 6000 Mitarbeiter*innen gekündigt wurden, zahlt sich Benko über die Immobiliengesellschaft Signa 100 Millionen Euro Dividenden aus.9

Und dafür haben die Kolleginnen und Kollegen sogar noch auf Gehaltsanteile verzichtet. Mit Gesetzen, die das alles möglich möglich machen, dürfen wir uns nicht zufrieden geben!

Deutsche Bahn: Streikverhinderungsversuche mit Allen & Overy und Pusch Wahlig Workplace Law

Deutschland: Der Arbeitgeberverband der Deutsche Bahn-Unternehmen (AGV MOVE) sowie das Eisenbahnunternehmen Transdev hatten Anfang Januar 2024 beide versucht den von der Gewerkschaft der Lokführer GDL geplanten Streik per Eilverfahren zu stoppen. Am Arbeitsgericht Frankfurt am Main scheiterten sie. Darüber berichtet die Legal Tribune online.10

Der Arbeitgeberverband AGV MOVE beanstandete in seinem Antrag nicht nur die Verhältnismäßigkeit des Streiks, sondern auch die Streikziele, die unter anderem eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn beinhalten.

Vor allem jedoch versucht der Arbeitgeberverband AGV Move die Tariffähigkeit der GDL in Zweifel zu ziehen. Hintergrund ist die Gründung der Genossenschaft Fair Train, die als Leiharbeitsunternehmen Lokführer zu fairen Bedingungen beschäftigen und an Unternehmen vermitteln will. Die gewichtige Frage, ob eine Vereinigung tariffähig ist, kann allerdings nicht im Eilverfahren verhandelt werden. Folgerichtig entschied das Arbeitsgericht Frankfurt hier zugunsten der GDL. Um Fragen zur Tariffähigkeit zu entscheiden sind nach §97 Arbeitsgerichtsgesetz grundsätzlich Verfahren beim zuständigen Landesarbeitsgericht zu führen.

In Frankfurt ließ sich die Bahn, konkret der AGV MOVE, von Allen & Overy Partner Thomas Ubber vertreten. Der Arbeitsrechtler ist seit vielen Jahren bei Streiks für die Bahn tätig. Thomas Ubber von der Kanzlei Allen & Overy vertrat auch schon Fraport gegen die Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF) und die Lufthansa gegen die Vereinigung Cockpit (VC) (siehe auch UFO überlebt Union Busting. Streik sei Dank! und Tarifeinheitsgesetz: Glückwunsch, Allen & Overy!).

Für das Eisenbahnunternehmen Transdev ist die Arbeitsrechtsboutique Pusch Wahlig Workplace Law (PWWL) tätig. In Frankfurt trat Partner Thomas Wahlig auf.

Die Transdev ist im Bereich Personenbeförderung und im Regionalverkehr tätig und versuchte der GDL auch mit einer zweiten einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht Hannover in die Streikplanung zu grätschen. Auch hier war für Transdev die Kanzlei Pusch Wahlig Workplace Law tätig, dieses Mal in Person von Partnerin Meike Rehner und Dr. Friedrun Domke (siehe auch PWWL vertritt die transdev-Gruppe im Arbeitskampf gegen die Gewerkschaft der Deutschen Lokomotivführer).

Das Arbeitsgericht Hannover schloss sich bezüglich der Bewertung der Verhältnismäßigkeit jedoch der Argumentation der Frankfurter Richter an: das ein Streik mit wirtschaftlichen Einbußen einhergeht sei hinzunehmen. Von einer Existenzbedrohung könne kein Rede sein.

Gleichzeitig könnten die ohnehin üppigen Bonuszahlungen für den Vorstand der Deutschen Bahn, sowie rund 1100 Top-Führungskräfte und circa 2400 leitende Führungskräfte noch großzügiger anfallen als gedacht. Laut Spiegel wäre eine Auszahlung mit Zinsen in Höhe von rund 7% möglich. Ob es dazu kommt? Darüber entscheidet der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn.11 Ob Streik, Arbeitsbedingungen, Ticket-Preise, Unpünktlich, Kundenzufriedenheit dabei ein Rolle spielen werden darf mit Blick auf frühere Entscheidungen bezweifelt werden.


Quellen

1 Martin Ahlers: Thyssenkrupp Betriebsratswahl ungültig – aus kuriosem Grund, 16.01.2024, https://www.waz.de/staedte/duisburg/thyssenkrupp-betriebsratswahl-unwirksam-aus-kuriosem-grund-id241438488.html

2 Tagesspiegel: Tesla-Produktionsstopp in Brandenburg: Betriebsrat stimmt Verdienstausfall zu – Kritik von IG Metall, 12.01.2024 https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/tesla-produktionsstopp-in-brandenburg-betriebsrat-stimmt-verdienstausfall-zu–kritik-von-ig-metall-11043163.html

3 Raphael Moss und Ulrike Schirmer: Nach Schließung: Arbeitsagentur bereits im Austausch mit DOUGLAS, SWR 12.01.2024 https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/heilbronn/beauty-haendler-akzente-schliesst-zwei-lager-hohenlohekreis-100.html

4 verdi PM: Neue Eskalation: Beschäftigte sollen Lohn zurückzahlen, 11.01.2024 https://nds-bremen.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++f8bf12c4-b089-11ee-9a34-273f3aa757fe

5 Radio Hannover: Primark: Mit psychischem Druck gegen unliebsame Mitarbeiter?, 15.12.2023 https://www.radio-hannover.de/hannover-news/primark-mit-psychischem-druck-gegen-unliebsame-mitarbeiter

6 Verdi-Kampagne bei We act, Primark: Betriebsratsvorsitzender Ralf Sander muss bleiben! Union Busting stoppen! https://weact.campact.de/petitions/primark-betriebsratsvorsitzender-ralf-sander-muss-bleiben-union-busting-stoppen

8 Radio Wuppertal: Kaufhof geschlossen – Mitarbeiter noch nicht alle versorgt, 17.01.2023 https://www.radiowuppertal.de/artikel/kaufhof-geschlossen-mitarbeiter-noch-nicht-alle-versorgt-1876937.html

9 Kontrast: Benko zahlt sich 100 Mio. Dividende aus – in Deutschland kündigt er 6.000 Mitarbeite, 06.10.2020 https://kontrast.at/signa-prime-selection-ag-corona/

10 Tanja Podolski und Dr. Max Kolter: Wird der Bahn­st­reik noch gestoppt?, 09.01.2024 https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/lag-bahnstreik-gdl-2024-bahn-streik-hintergruende/


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